Es war eine der Sensationsmeldungen der letzten Monate: Mike Portnoy kehrt zu Dream Theater zurück. Ende des Jahres geht’s erstmals seit fast 15 Jahren wieder gemeinsam auf Tour, und neue Songs entstehen aktuell im Studio auch – Gründe genug für eine Bestandsaufnahme.
Bekanntlich steht nächstes Jahr das 40-jährige Jubiläum von Dream Theater ins Haus. Ist das zumindest ein Grund, warum du gerade jetzt zur Band zurückkehrst?
Nicht unbedingt. Es fühlte sich einfach nur so an, als sei die Zeit nun reif für diese Entscheidung. Alles Mögliche deutete in den vergangenen Jahren schon in diese Richtung. Ich konnte meine Beziehung zu den Jungs zunächst in persönlicher Hinsicht wieder aufbauen, und nach und nach kam das Musikalische hinzu. Das alles hatte natürlich irgendwie auch mit dem großen Lockdown wegen der Pandemie 2020 zu tun: Weder Dream Theater noch ich selbst mit meinen Projekten konnten touren und saßen mehr oder weniger zu Hause herum. Also fragte John Petrucci [Gitarrist von Dream Theater] mich, ob ich nicht auf seinem Soloalbum spielen wolle. Das führte dann zu „Liquid Tension Experiment 3“, wo auch Jordan [Rudess, Keyboarder von Dream Theater] mit dabei war. 2022 war ich auch mit John auf Solotour. So drehten sich die Räder, und die Zeit war einfach richtig. Auf der anderen Seite tickt natürlich auch für uns die Uhr, denn jünger werden auch wir nicht. Wer weiß, wie viele Jahre wir noch vor uns haben. Also dachten wir uns, dass wir es, wenn überhaupt, dann jetzt machen sollten, und haben es gemacht. Das Bandjubiläum fällt mit alledem glücklicherweise zusammen.
Wie wird dann die Tour aussehen?
Auf den ersten Dates bis zum Ende des Jahres werden wir vor allem die Reunion und das Jubiläum feiern. Das ist unser klarer Fokus der Shows in diesem Jahr.
Nun liegt deine letzte Tour mit Dream Theater stolze 14 Jahre zurück. Wie fühlt man sich da?
Ich könnte kaum gespannter und aufgeregter sein. Dieser Reunion-Prozess läuft ja jetzt im Prinzip seit Oktober, und wir fünf sind seither wieder zusammen – davon abgesehen sind wir ja gerade auch im Studio und nehmen ein neues Album auf. Für uns ist die Wiedervereinigung der Band also sehr real und greifbar, für den Rest der Welt aber eher nur ein Bild, eine Vorstellung. Die wird erst dann Wirklichkeit, wenn uns die Fans als Band wieder live auf der Bühne erleben. So spannend es auch sein mag, gemeinsam wieder im Studio zu sein, ich freue mich am meisten darauf, mit den Jungs wieder gemeinsam live auf der Bühne zu stehen und diese Emotion mit den Fans zu teilen.
Ist es nicht schwierig, gleichzeitig neues Material zu schreiben und das alte für die Tour zu proben?
Nein, überhaupt nicht. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir noch gar nicht mit den Proben für die Tour angefangen haben. Die Tour beginnt ja erst gegen Ende des Jahres, und deswegen steht bei uns jetzt erst einmal voll und ganz die Arbeit an unserem aktuellen Album im Fokus. Wir haben im Februar damit begonnen, jetzt haben wir Mitte Juni, und wir arbeiten weiterhin daran – vermutlich sogar noch ein, zwei Monate, bevor das Ganze veröffentlichungsreif ist. Dann erst stehen die Vorbereitungen für die Tour auf der Tagesordnung.
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Hast du für die Vorbereitung auf die Tour eine Überoutine?
Die Proben der eigentlichen Band sind immer der letzte Schritt in einer ganzen Reihe. Der erste besteht darin, dass ich eine Setliste schreibe und sie der Band sowie der Crew präsentiere.
Das bedeutet, du bist derjenige, der entscheidet, welche Songs während der Shows gespielt werden?
Ja, das habe ich in all meinen Bands immer so gemacht. Nach meiner Rückkehr zu Dream Theater haben mich die Jungs gebeten, diese Rolle auch wieder zu übernehmen. Dafür war ich sehr dankbar, denn ich habe eine große Leidenschaft für solche Dinge. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Dass die Band die Songs lernt, ist tatsächlich die letzte Stufe. Wenn die Songliste einmal steht, dann geht’s erst einmal wesentlich um Licht, Filmsequenzen, Videos, Stage-Production und solche Sachen. Das alles muss programmiert und erstellt werden. Dann muss zum Beispiel Jordan ja auch seine ganzen Sounds und so weiter griffbereit haben. Diese Prozesse sind den eigentlichen Proben also noch mal vorgeschaltet und werden einige Monate in Anspruch nehmen.
Wie bereitest du dich denn ganz persönlich auf die Tour vor? Du musst ja vermutlich auch einige Parts wieder lernen…
Ahhh, das ist der einfache Teil. Ich mache das schließlich schon eine ganze Zeit mit sehr vielen Bands, teils gleichzeitig. In den letzten 14 Jahren hatte ich ständig Touren mit verschiedenen Projekten. So kamen in meinem Kopf vielleicht sechs bis acht Stunden Musik zur gleichen Zeit zusammen. Drei Stunden Dream-Theater-Songs im Kopf zu haben, sollte also nicht so kompliziert werden. Ich kann mir solche Sachen ohnehin ganz gut merken. Wenn du zum Beispiel an das Drumeo-Video vom November denkst, wo ich einige Dream-Theater-Songs gespielt habe, hatte ich die nicht einmal geprobt, sondern einfach so aus dem Kopf heraus gespielt – um sie zu vergessen, dafür habe ich mich in der Vergangenheit zu sehr mit ihnen beschäftigt.
Sind die Parts denn irgendwie notiert?
Nein, ich schreibe sie nicht auf – Jordan zum Beispiel tut das aber schon. So hat jeder seine eigene Herangehensweise. Ich und auch John Petrucci machen das aber alles aus dem Kopf.
Veränderst du deine Drumparts beziehungsweise entwickeln sie sich weiter?
Nein, sie bleiben eigentlich gleich. Ich jamme und improvisiere jeden Abend. Es gibt natürlich Abschnitte und Fills, die gleich bleiben müssen, aber um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich jemals einen Part wirklich exakt gleich gespielt habe. Das gilt eigentlich für all meine Bands.
Du gehst also ziemlich locker damit um?
Ja, die Songs sind so etwas wie unsere Kinder. Du hast dich viele, viele Monate damit beschäftigt, sie zu schreiben, zu entwickeln, sie aufzunehmen und auf der Bühne zu spielen. Für mich persönlich werden sie einfach ein Teil von mir und bleiben auch so.
Ist dein Blick auf die Parts denn nicht nach so vielen Jahren anders, weil du dich als Mensch weiterentwickelt hast?
Nein. Das ist, wie gesagt, der einfache Part. Man könnte denken, dass das eine Herausforderung wäre, aber es ist für mich nicht so. Vielleicht möchte man’s nicht hören, aber es ist nun mal die Wahrheit [lacht]. Natürlich entwickelt man sich als Person weiter, aber das bezieht sich bei mir eher auf die allgemeine Zusammenarbeit mit den Jungs in der Band und die Art und Weise, wie ich heute Sachen entwickle. Da bin ich sicher älter und weiser geworden, aber in Sachen Drumparts bin ich immer noch derjenige, der ich mit vielleicht 16 Jahren war. Ich mache, was ich mache, und das auf meine eigene Art. Im Grunde bin ich einfach nur ein Musikfan, und das Schlagzeug ist zufälligerweise mein Instrument.
Wird es auf der Tour auch neue Songs zu hören geben?
Bei den Dates in diesem Jahr geht es vor allem um die Feierlichkeiten zur Reunion. Da stehen also vor allem Rückblick und auch ein bisschen Nostalgie im Zentrum. 2025 wird es eine weitere Tour geben, und da konzentrieren wir uns dann auf das neue Material beziehungsweise richten den Blick nach vorne.
In der Vergangenheit hast du immer ziemlich opulente Drumsets für die Dream-Theater-Shows gespielt. Wird es auch jetzt etwas Ähnliches geben, auf das sich die Drummer unter uns schon mal freuen können?
Ja, sicher, aber diese Dinge müssen eine Überraschung bleiben, bis die Tour beginnt [lacht]. Ein Konzept gibt es aber schon in meinem Kopf. Im Studio habe ich eines meiner älteren Kits benutzt: das „Siamese Monster“-Kit von der „Train of Thought“- und der „Six Degrees“-Tour [2003/2004]. Aber bis Oktober werde ich ein neues Tourkit haben.
Es wird wieder ein Tama-Kit sein?
Ja, auf jeden Fall [zeigt auf die Tama-Tätowierung auf seinem Arm]. „Tama for life“. Seit den Achtzigern spiele ich nichts anderes. Das Gleiche gilt für Sabian, Latin Percussion, Remo und ProMark. Ich bin sehr, sehr loyal zu meinen Endorsement-Companys und bleibe ihnen verbunden – für immer.
Nun hatte ja kaum jemand in der letzten Zeit derart viele Projektbands wie du. Was ist damit in der aktuellen Situation?
Die liegen natürlich im Moment komplett auf Eis. Jeder in diesen Bands hat aber volles Verständnis für meine Situation mit Dream Theater. Darauf liegt im Moment mein hundertprozentiger Fokus. Die Band ist mein Zuhause. Für die kommenden Jahre gibt es da in meiner Planung keinen Platz für anderes. Danach werden wir weitersehen, wie sich die Dinge entwickeln, welche Projekte überlebt haben und welche nicht. Das wird die Zeit zeigen, schätze ich.
Biografie:
Mike Portnoy (geboren 1967) ist als Gründungsmitglied und Drummer von Dream Theater bekannt geworden. Beim einem Scholarship am Berklee College of Music in Boston traf er auf John Petrucci und John Myung, mit denen er 1985 eine Band gründete – der Rest ist Geschichte. 2010 trennte sich Portnoy von Dream Theater, Mike Mangini übernahm nach einer schon legendär gewordenen Audition seinen Platz. Portnoy widmete sich fortan so verschiedenen Projekten wie Adrenaline Mob, Avenged Sevenfold, Transatlantic, Yellow Matter Custard, Flying Colors, The Winery Dogs, Liquid Tension Experiment, Metal Allegiance, Sons of Apollo, Neal Morse Band und BPMD. Ende 2023 kündigte Portnoy seine Rückkehr zu Dream Theater an. Aktuell ist die Band im Studio, um an einem neuen Album zu arbeiten.
Diskografie (nur mit Dream Theater):
When Dream And Day Unite (1989), Images and Words (1992), Live At the Marquee (1993), Awake (1994), A Change Of Seasons (1995), Falling Into Infinity (1997), Once In A LIVEtime (1998), Scenes From A Memory (1999), Live Scenes From New York (2001), Six Degrees Of Inner Turbulence (2002), Train Of Thought (2003), Live At Budokan (2004), Octavarium (2005), Gigantour (Various Artists) (2005), Score (2006), Systematic Chaos (2007), Black Clouds & Silver Linings (2009), ??? (2024)
Equipment:
Drums: Tama
Cymbals: Sabian
Heads: Remo
Sticks: ProMark
Percussion: LP
Tourdaten 2024 (Deutschland):
22. Oktober – Berlin
23. Oktober – Köln
28. Oktober – München
20. November – Stuttgart
21. November – Frankfurt
Weblinks: