Interview mit Aaron Sterling – Ein Gespräch mit dem kreativen US-Studiodrummer

Jede Generation von Musikern wird immer wieder von Vorreitern geprägt. Von Künstlern, die sich nicht auf das reine Handwerk beschränken, sondern visionär an Musik arbeiten, neue Wege gehen und dabei doch stets das Große und Ganze im Blick haben. Denkt man an den Beruf des Studiomusikers, hat man oft große Aufnahmeräume und kostspielige, komplexe Technik vor Augen. Mit dem Wandel der Musikindustrie hat sich jedoch dieses Konzept neu definiert. Einer der eben angesprochenen Visionäre ist ohne Frage Aaron Sterling, der früh genug erkannte, dass die Zeit der großen Studios zu Ende geht und sich Musiker immer mehr in Projektstudios verwirklichen. Mittlerweile spielt er den Großteil der Produktionen, an denen er mitwirkt, im eigenen Studio ein. Doch nicht nur das Konzept des Drumrecordings von zuhause ist visionär, es ist vor allem die Herangehensweise an einen Drumtrack, die ihn, neben seinem fantastischen Drumming, zu einem der gefragtesten Studiomusiker unserer Zeit macht. Er mischt akustische Drums mit Programming und unterstützt den Rhythmus durch Percussion und geschmackvolle Sounds von scheinbar musikfremden Gegenständen, die auf einmal Teil des Instrumentariums werden. 

Foto von Abraham Engelmark.
Foto von Abraham Engelmark.


So werden die Klänge von Getränkedosen oder Bügelbrettern ebenso wie Metallplatten und Bleche in moderne Produktionen integriert. Seine facettenreichen Sounds, gepaart mit seinem immer geschmackvollen und energetischen Spiel, verewigte er so auf Produktionen von John Mayer, Taylor Swift, Keith Urban, Harry Styles oder der Countrygröße Maren Morris. Doch nicht nur die Produzenten der Big Names der Mainstream-Musik schwören auf Aarons musikalischen Input. So spielt er auf unzähligen Indie-Platten, ist hin und wieder auch auf Jazz-Alben zu hören oder trommelt auf Filmmusik für Hollywood-Streifen und Country-Produktionen aus Nashville. Dabei meistert er den Spagat zwischen Musik und Business und die Gratwanderung zwischen chamäleonhafter Anpassungsfähigkeit und selbstbewusstem künstlerischen Statement. Mit dieser Attitüde machte er sich nicht nur zu einer gefragten Marke, sondern inspiriert damit eine ganze Generation junger Drummer. Ich traf Aaron einen Tag vor seinem „King Dojo“ Studio-Workshop im Februar in Los Angeles zu einem Gespräch über Kreativität, seine tägliche Arbeitsweise, was einen guten Studiodrummer ausmacht und fragte ihn nach seiner Vision für die Zukunft des Recording-Business.

Hallo Aaron, das ist vielleicht eine eher unkonventionelle Frage, aber ich stelle sie trotzdem: Warum bist du ein kreativer Drummer?
Oh, die Frage mag ich! Ich denke, dass alle Menschen die Fähigkeit zu Kreativität haben, erst recht, wenn es um die Herangehensweise an Musik geht. Wenn meine Kinder Musik hören, denken sie ja auch nicht über Groove-Patterns nach, sondern sie hören Klänge, die ein Gefühl in ihnen auslösen. Wenn es also darum geht, ein Instrument zu lernen, ist vor allem der erste Zugang besonders entscheidend. Ein Lehrer, der nur nach richtig oder falsch entscheidet, kann einen da ganz schön negativ beeinflussen. Ich hatte glücklicherweise damals in Nashville, als ich ungefähr 14 Jahre alt war, mit Dale Armstrong einen sehr offenen und aufgeschlossenen Lehrer, der Musik sehr unkonventionell angeht. Er hat mir zwar ein paar fundamentale Dinge am Drumset gezeigt, aber es ging ihm im Unterricht viel um Emotionen. Wir haben oft gesungen und uns dem Instrument und der Musik eher so angenähert.
In dem Alter will man doch häufig einfach nur so viel es geht trommeln. War das für dich damals nicht ungewöhnlich, auf diese Art und Weise unterrichtet zu werden?
Stimmt, das war eher die Zeit, in der alle anderen Metallica gehört haben. Ich war damals schon großer Keith Jarrett Fan, habe viel Pat Metheny und ECM-Alben gehört und wollte so tief wie möglich in diese Welt eintauchen. Dale Armstrong war dafür genau der richtige Lehrer. Gleichzeitig konnte ich viele Konzepte, die er mir beigebracht hat, mit Popmusik in Verbindung bringen, obwohl er daran eigentlich gar kein Interesse hatte. Seitdem habe ich verinnerlicht, dass es keine Grenzen geben sollte und es um die Emotion in der Musik geht. Als ich nach Los Angeles gezogen bin, hatte ich noch ein DW Drumset mit vier Toms, und während meiner ersten Gigs in LA habe ich gemerkt, dass ich so ein großes Setup gar nicht brauche und mich alleine der Transport davon schon so genervt hat. Also habe ich im Grunde aus Faulheit versucht, aus wenigen Drums viel Sound herauszuholen und mit Handtüchern, Tamburinen und allerlei anderen Gegenständen den Sound der Drums verändert, sodass ich musikalisch damit kreativ spielen konnte. Das war der Zeitpunkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich nicht unbedingt hochwertige Drums brauche, um Musik zu machen, also habe ich mein teures Drumset verkauft und mir viele unterschiedliche alte und gebrauchte Trommeln gekauft, aus denen ich verschiedenste, teilweise ungewöhnliche Sounds herausbekommen habe.
Du arbeitest an unglaublich vielen verschiedenen Songs. Hast du manchmal das Gefühl von kreativer Stagnation?
Nein, glücklicherweise nicht. Ich habe immer das Gefühl, dass ich Ideen zu Songs habe. Wenn ich an einem guten Song arbeite, der vielleicht auch schon gutes Programming hat, ist es manchmal etwas schwerer als bei einem mittelmäßigen Song, weil ich dann denke „der ist doch schon gut so, wie er ist“. Bei gewöhnlicheren Songs habe ich aber immer viele Ideen und das mag ich auch, weil ich dann schnell weiß, was dem Song helfen kann. Das soll nicht arrogant klingen, aber ich habe immer eine Idee. Es mag nicht die beste Idee sein, aber damit ist immer ein Zugang zum Song da. Über die Jahre habe ich aber auch so viele Dinge ausprobiert, die nicht funktioniert haben, dass ich keine Scheu mehr davor habe, etwas zu probieren und eine halbe Stunde später zu merken, dass das nichts ist. Ich versuche, immer positiv und in Bewegung zu bleiben.

Mittlerweile spielt Aaron den überwiegenden Teil der Produktionen in seinem eigenen Studio ein. Foto von Laura Heller.
Mittlerweile spielt Aaron den überwiegenden Teil der Produktionen in seinem eigenen Studio ein. Foto von Laura Heller.

Wahrscheinlich haben sich ja aus den guten Ideen, die häufiger funktioniert haben, auch „Presets“ entwickelt, mit denen sich Songs angehen lassen.
Exakt. Und man kann irgendwann schon vorher bei Impulsen abwägen, ob man sie ausprobieren sollte oder sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht für den Song funktionieren.
Resultiert daraus manchmal das Gefühl, dass du dich wiederholst?
Manchmal schon, aber ich versuche, mich davon nicht runterziehen zu lassen. Das passiert eigentlich auch nicht beim Musikmachen, sondern eher wenn ich von Zeit zu Zeit einen Song im Radio höre, auf dem ich gespielt habe und mir dann denke, dass ich dieses und jenes doch mal anders spielen könnte. Ich denke dann über radikale Veränderungen nach und manchmal entsteht daraus wieder etwas.
Du sprachst gerade darüber, dass du bei richtig guten Songs manchmal das Gefühl hast, dass der Song an sich schon funktioniert. Was machst du in solchen Fällen genau?
Wenn ein Song schon so gut und emotional berührend ist, frage ich den Produzenten oder Künstler, wonach er sucht. Ich hatte schon Songs, bei denen ich dem Produzenten gesagt habe, dass ich zwar gerne Teil des Songs bin und natürlich auch gerne bezahlt werde, aber der Song an sich schon so funktioniert. Ich muss dann wirklich genau wissen, was ihr oder ihm fehlt. Darauf bekomme ich dann auch immer eine sehr konkrete Antwort und weiß dann, woran ich mitwirken kann. Manchmal merkt man auch, dass die Leute eigentlich keinen konkreten Input brauchen, sondern nur unsicher sind. Das passiert zwar nicht häufig, aber es gab Songs, bei denen ich den Produzenten zugesichert habe, dass dieser Song großartig ist und nichts mehr braucht und habe am Ende dann auch nichts dafür aufgenommen.
In seinen beiden lehrreichen Online-Masterclasses zeigt Aaron seine Herangehensweise an Studiodrumming.

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Wie viele der Songs, an denen du arbeitest, haben Programming?
Sehr viele. Ich wüsste nicht, wieviel Prozent, aber ich arbeite an vielen Songs, bei denen ich zum Programming Percussion und Sounds hinzufüge oder deren Programming ich mit akustischen Sounds oder Samples ersetze. Gestern habe ich an einem Song gearbeitet, bei dem mir die Produzenten beschrieben haben, dass sie eine Art von akustischem Sound suchen, und während des Gesprächs habe ich gemerkt, dass sie wahrscheinlich eher Programming mit speziellen Samples suchen, also habe ich den ganzen Beat programmiert und dann nur noch ein paar Cowbells und Shaker eingespielt. Der Song steht immer an erster Stelle. Er gibt vor, ob ich Drums oder Percussion spiele oder an Programming arbeite. Mir macht das auch Spaß. Ich sehe mich nicht als reinen Drummer, der ausschließlich und immer Drums spielen muss.
Quantisierst du akustische Drums, die du über Programming spielst?
Das ist gar nicht so einfach zu sagen und hängt immer vom jeweiligen Produzenten ab. Es ist ja auch gar nicht so einfach, Drums mit Programming zu mischen und die akustischen Drums so zu bearbeiten, dass nicht das gesamte Feel verloren geht. Wenn ich mit einem Produzenten arbeite, der richtig gut darin ist, schicke ich ihm einen unquantisierten Mix und sage ihm, dass die Drums zwar gerade hier und da mit dem Programming flammen, aber er oder sie das sicherlich selber bearbeiten will. Andere Produzenten haben das vielleicht noch nicht so häufig gemacht, und wenn mir das bewusst wird, mache ich es lieber selbst. Ich benutze dazu Flex Time in Logic und editiere dann noch Sachen, die dadurch komisch klingen, von Hand. Für mich gehört das bei manchen Songs einfach zum Prozess des Musikmachens dazu. Manchmal ist es aber auch so, dass Produzenten lieber nicht mein Feel auf das Programming anpassen wollen, sondern andersherum. Das habe ich zum Beispiel noch nie gemacht. Manche engagieren mich für Sounds und Patterns und andere eben eher für das Feel.

Für seine teilweise komplexen Tracks arbeitet Aaron mit Overdubs, Percussion und Programming, um genau den richtigen Sound für den jeweiligen Song zu finden. Foto von Laura Heller.
Für seine teilweise komplexen Tracks arbeitet Aaron mit Overdubs, Percussion und Programming, um genau den richtigen Sound für den jeweiligen Song zu finden. Foto von Laura Heller.

Wieviel Prozent der Songs spielst du schätzungsweise in deinem eigenen Studio ein?
Mittlerweile wahrscheinlich 85 Prozent. Ich nehme dort zwischen 10 und 15 Songs pro Woche auf, aber manchmal kommt es auch vor, wie in diesem Januar, dass ich ausschließlich für Produktionen in verschiedenen Studios gebucht bin. Ich habe da Alben für John Mayer, Ben Rector und Mick Phoenix eingespielt, und die Produktionsweise war in der Regel so, dass wir pro Tag einen Song erarbeitet und aufgenommen haben. Ich habe dann aber meistens trotzdem morgens noch einen Song bei mir im Studio eingespielt.
Bei diesem Arbeitspensum stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Work-Life-Balance. Wie händelst du Arbeit und Familienleben?
Ich habe eine ziemlich strikte Regel. Ich arbeite von 9 bis maximal 18 Uhr von Montag bis Freitag. Manchmal gibt es irgendein Familienevent in der Woche oder eine Sportveranstaltung meiner Kinder, sodass ich mal einen halben Tag am Samstag dran hänge, aber ich versuche eigentlich immer, am Wochenende frei zu machen. Wenn ich in anderen Studios bin und wir dort nach einem anderen Zeitplan arbeiten, ist das eine Ausnahme. In meinem Studio kann es aber manchmal auch sein, dass ich mir drei Songs vorgenommen habe und um vier Uhr schon fertig bin. Ich habe über die Jahre eine ziemlich effiziente Arbeitsweise entwickelt, die es mir erlaubt, viel zu schaffen, ohne mich völlig zu verausgaben und die Familie zu vernachlässigen. Gleichzeitig mache ich aber nie Abstriche bei der Musik. Ich habe zum Beispiel an meinem Schreibtisch drei verschiedene Mikrofone stehen, die immer verbunden sind und die ich für verschiedenste Overdubs nutze. Ich spare dadurch schon mal die Zeit, das alles aufzubauen und mit Preamps zu verbinden, außerdem sind die verschiedenen Mikrofone am Drumset so aufgebaut, dass ich sehr schnell einzelne Trommeln oder sogar ein ganzes Drumset austauschen kann, ohne dass ich viel Zeit verliere. Die Musik steht an erster Stelle, aber danach muss direkt auch die Effizienz folgen, sonst habe ich wirklich ein Problem mit dem Familienleben. 

Im Rahmen seines Studio-Workshops in LA gab Aaron Einblick in unterschiedliche Sessions, an denen er gearbeitet hat. Foto von Daniel Carrai.
Im Rahmen seines Studio-Workshops in LA gab Aaron Einblick in unterschiedliche Sessions, an denen er gearbeitet hat. Foto von Daniel Carrai.

Würdest du der Effizienz halber lieber Takes editieren oder quantisieren, bevor du alles nochmal spielen musst?
Nur wenn es dem Song dient. Ehrlich gesagt dauert richtiges Editieren auch länger als einen weiteren Take zu spielen. Ich habe aber auch schon so viele Songs aufgenommen, dass ich mittlerweile ganz gut voraussehen kann, wie lange der jeweilige Song dauern wird und kann damit dann gut planen. Das hängt aber auch immer vom Produzenten ab.
Du hast dich relativ früh mit Homerecording und einem eigenen Studio beschäftigt, während parallel die Musikindustrie weniger Budgets für Alben hatte und deshalb viele große Studios schließen mussten. Wird es deiner Meinung nach irgendwann dazu kommen, dass nur noch in kleinen Projektstudios oder über Homerecording-Setups Studioproduktionen stattfinden?
Ich denke, dass die traditionellen großen Studios bis auf wenige Ausnahmen verschwinden werden. Es wird natürlich immer noch ein paar geben, speziell hier in LA wegen der vielen Film- und Orchesterproduktionen, ich beobachte aber, dass junge Künstler und Produzenten, die teilweise auch über große Budgets verfügen, lieber in Homestudios arbeiten. Finneas, der Bruder und Produzent von Billie Eilish, schrieb neulich: „Die Leute tun so, als wäre es schwierig gewesen, Billies Album in meinem Schlafzimmer aufzunehmen, aber in Wirklichkeit dauert es jedes Mal, wenn ich in einem schicken Studio bin, eine verdammte Stunde, um das Aux-Kabel zum Laufen zu bringen.“ Ich musste sehr lachen, weil es leider wirklich stimmt. Ich bin mit einigen Leuten gut befreundet, die solche großen Studios betreiben, und ich mag es auch, hin und wieder dort aufzunehmen, aber dieses Zitat zeigt ganz deutlich das Problem vieler großer Studios. Der effiziente Prozess, mit dem viele junge Leute in Homestudios arbeiten, kann häufig nicht in großen Studios so weitergeführt werden. Ich frage mich deshalb, ob es eine Art Hybridversion dieser Studios in den nächsten fünf bis zehn Jahren geben wird. Also große Räume, die aber trotzdem über die effizienten, zielgerichteten Home-Setups verfügen, bei denen alles im selben Raum passiert. Außerdem bin ich gespannt, wann es technisch verzögerungsfrei möglich sein wird, dass Leute gemeinsam an verschiedenen Orten einspielen können. Eine Software, die es ermöglicht, dass ich in LA sitze und mit verschiedenen Musikern und ihren Setups verknüpft bin und es einfach nur wie in der jeweiligen Studiobooth ist und man dann gemeinsam einspielen kann. Es gibt ja schon ein paar solcher Remote-Recording Systeme, aber sie funktionieren oft nicht fehlerfrei oder ohne Verzögerung. Aber wenn das möglich ist, wird bestimmt auch wieder mehr zusammen aufgenommen und nicht immer nacheinander an Songs gearbeitet. Auf der anderen Seite hängt es eben auch vom Genre und der Art zu produzieren ab. Momentan ist ja die Musik angesagt, die Stück für Stück produziert und aufgenommen wird, und das ist in einem Homestudio einfach optimal möglich. Wenn aber beispielsweise echter Rock & Roll wieder im Mainstream ankommen würde, müsste das wieder in großen Studios mit Bands aufgenommen werden.

Aaron während seines „King Dojo“ Workshops im Kingsize Sound Lab in Los Angeles. Foto von Daniel Carrai.
Aaron während seines „King Dojo“ Workshops im Kingsize Sound Lab in Los Angeles. Foto von Daniel Carrai.

Bevorzugst du es, in einem Homestudio zu arbeiten?
Ja, eigentlich immer. Es geht alles schneller, ich mag es, dass ich Kontrolle darüber habe, welche Sounds wie aufgenommen werden und dass ich, sobald ich eine Idee habe, diese auch verwirklichen kann. Leider dauert das in einem großen Studio häufig wirklich sehr viel länger. Dort sind dann mehr Leute am Werk, und mal eben das Setup umstellen geht da oft einfach nicht. Erst recht, wenn man mit einer kompletten Band aufnimmt. Das macht es oft schwerer, kreativ zu sein. Wenn ich eine Idee habe, will ich sie direkt ausprobieren, das frustriert mich in großen Studios manchmal sehr. Auch das direkte Kreieren eines Sounds ist häufig nicht so ohne weiteres möglich. Vieles wird dann eher auf’s Mixing verschoben, sodass man sich dann den Sound von heftiger Kompression oder speziellem Treatment denken muss. Es gibt aber auch Ausnahmen. Ich habe für John Mayer zwar auch ein paar Sachen bei mir zuhause aufgenommen, aber John hat mit seinem Engineer einen Workflow entwickelt, der wirklich fantastisch ist. Da ist es möglich, in einem großen Studio unmittelbar kreativ zu arbeiten.
Ein langsamerer Workflow in einem großen Studio dürfte ja auch für den Künstler anstrengend sein.
Genau. Und bezogen auf die Drumsounds wissen einige dann auch nicht, woran es liegt. Klingt der Drummer nicht gut? Ist der Engineer schuld? Warum sitze ich hier in einem großen Studio und es klingt nicht so, wie ich dachte? Dort trifft dann die Suche nach modernem Sound auf die alte Schule des Recordings, wo teilweise keine Kompression, Verzerrung oder gar Plugins verwendet werden. Das nervt mich wirklich.

Aaron auf Tour mit John Mayer hinter seinem ausladenden Sugar Percussion Set. Foto von Kurt Ozan.
Aaron auf Tour mit John Mayer hinter seinem ausladenden Sugar Percussion Set. Foto von Kurt Ozan.

Bist du immer auch der Engineer in deinem Studio?
Ja, immer. Ich hatte eine Weile einen Assistenten, das war teilweise hilfreich, aber manchmal hat es meinen Job auch anstrengender gemacht, weil ich gemerkt habe, dass seine Hilfe eigentlich nicht unbedingt nötig war, ich ihn aber eigentlich trotzdem involvieren wollte. Bevor ich ihm die Sachen, die ich verändern wollte, kommuniziert hatte, habe ich sie lieber schnell selbst gemacht. Das lag aber nicht an ihm, er ist wirklich ein extrem talentierter Musiker, aber ich habe gemerkt, dass ich alleine schneller bin. Lustigerweise habe ich das auch durch sein Verhalten gemerkt. Er ist ein toller Bassist, wir haben manchmal zusammen als Rhythmusgruppe eingespielt und er wusste nicht, wie er Bass einspielen soll, ohne dabei auch noch Logic zu bedienen. Mittlerweile ist er wirklich ein toller Produzent. Es hat sich für ihn komisch angefühlt, sich nicht selbst aufzunehmen und da habe ich gemerkt, dass es mir genauso geht. Deshalb ist das jetzt immer eine One Man Show. (lacht)
Was macht einen guten Studiodrummer aus?
Heutzutage würde ich als erstes sagen, dass man sein eigenes Studiosetup braucht, wenn man davon leben will. Man sollte gut und schnell darin sein, passende Sounds für den Song zu finden. Früher, als noch viel mehr in großen Studios mit vielen Leuten gearbeitet wurde, war der soziale Aspekt sehr wichtig. Das fällt bei Remote-Recording eigentlich weg, aber man sollte trotzdem höflich, zuvorkommend und verständnisvoll kommunizieren können, egal ob per Telefon oder Text. Man arbeitet ja an etwas, dass jemandem wichtig ist, und derjenige will es natürlich so gut wie möglich und nach seinen Vorstellungen realisieren. Ich liebe es, kreativen Input zu geben, aber setze auch genauso gerne Sachen um, die vom Künstler oder Produzenten gewollt sind. Außerdem sollte man natürlich einfach ein guter Drummer sein, aber das ist ja klar. Wichtig ist auch, dass man konstruktive Kritik annimmt. Als ich nach LA kam, hat mir ein Produzent gesagt, dass er meine Becken hasst. Das war mir unglaublich unangenehm. Aber statt einfach nur sauer zu sein, habe ich angenommen, dass er Recht hat und habe die Sachen geändert, die er an meinem damaligen Setup bemängelt hat. Bei der nächsten Session war er dann zufrieden, also habe ich die alten mit den neuen Aufnahmen verglichen und gemerkt, dass die alten Becken sich im Frequenzspektrum mit  den Gitarren in die Quere kamen und dadurch der Mix schwierig wurde. Das war eine gute Lehre. Seitdem suche ich mein Equipment nach anderen Kriterien aus als früher und achte auch besonders auf den Anschlag.
Sollte man als Drummer auch Programming beherrschen?
Das kommt auf die Musikrichtung an. Ich denke nicht, dass man das generell beherrschen muss. Ich bin hauptsächlich im Pop-Bereich unterwegs, wo das natürlich eine wichtige Komponente ist. Mir macht das aber auch richtig Spaß. Im Indierock-Bereich oder im Latin ist Programming aber beispielsweise zu vernachlässigen. Auch in Nashville programmieren die Drummer eigentlich kaum, weil das eher die Produzenten machen und dann einen Drummer für Live-Drums anrufen.
Vielen Dank für’s Gespräch!

Aarons Setup zur Tour mit John Mayer. Foto von Jefferson Shallenberger.
Aarons Setup zur Tour mit John Mayer. Foto von Jefferson Shallenberger.
AARONS EQUIPMENT:
  • John Mayer Tour Setup:
  • Drums: Sugar Percussion
  • Bassdrums: 20“ x 13“ Cedar, 18“ x 13“ Mahogany Kick
  • Toms: 12“ x 7“ Mahogany, 14“ x 13“ Mahogany, 14“ x 13“ Mahogany Floortom / Snare
  • Snares: 14“ x 6“ Cedar, 14“ x 6“ Cherry, 14“ x 5,5“ Aluminum
  • Becken: Istanbul Agop
  • Hi-Hat: 16“ Traditional Light
  • Crash: 20“ Sterling
  • Ride: 22“ Sterling, 22“ Special Edition Jazz Ride
  • Sticks: Pro-Mark
  • Felle: Remo

Website: www.aaronsterling.com

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Foto von Abraham Engelmark.

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