Bonedo: “Hallo Alan, ich denke, dass wir den bonedo.de Besuchern und Lesern/Hörern dieses Interviews deine Person nicht mehr großartig vorstellen müssen, doch trotzdem würde mich sehr interessieren, wie es ein gerade mal 21-Jähriger schafft, einen seiner ersten tontechnischen Jobs gleich bei den “Beatles” in den Abbey Road Studios zu landen?”, eröffne ich das Gespräch gleich mit der Frage, die mich selbst am brennendsten interessiert.
“Ich bin tatsächlich eher durch die Hintertür zu dem Job in den Abbey Road Studios gekommen. Ich arbeitete damals für eine Abteilung bei EMI, die für die Duplizierung der 1/4” Masterbänder zuständig war. Zu dieser Zeit hörte ich erstmals Sgt. Pepper und wusste, dass ich einen Job in diesem Studio wollte!”, erzählt mir Alan von seinen Anfangstagen.
B: “Du hast also deine Karriere auf dem klassischen Weg, als ‘Tea Boy’ begonnen?”, frage ich nach.
“Ja, so könnte man das bezeichnen. Nach wenigen Monaten hatte ich dann jedoch schon den Job als Engineer bei ‘Let It Be’ und das war schon eine ganz besondere Erfahrung.”, ergänzt Alan. (Anmerkung: ‘Let it be’ ist zwar das letztveröffentlichte Beatles-Album, wurde aber zum großen Teil noch vor dem Album ‘Abbey Road’ aufgenommen.)
B: “Heute bist du ja sowohl als erfolgreicher Produzent und Tonmeister bekannt, wie auch für deine eigenen Alben mit dem ‘Alan Parsons Project’. Würdest du dich eher als Produzenten bezeichnen, der auch ausführender Musiker ist, oder als Musiker, der auch das Handwerk eines Tonmeisters beherrscht?”, frage ich Alan weiter.
“Also, meine Wurzeln liegen eindeutig im Engineeren und Produzieren von Musik. Die Entscheidung, als Musiker live aufzutreten, traf ich erst viel später, Mitte der 90er Jahre. Eine Schallplatte zu produzieren und einer Band vorzustehen hat jedoch viele Gemeinsamkeiten: Bei beiden Tätigkeiten geht es grundsätzlich darum, den Musikern zu sagen, wo sie wann, was zu spielen haben. Als Bandleader ist man so also auch eine Art Produzent – wobei ich den grundsätzlichen Unterschied vor allem darin sehen würde, dass man im Studio einfach Take für Take so lange wiederholt, bis es perfekt ist, wohingegen man live nur einen Schuss hat, und der muss sitzen.“, sagt Alan
2/3 Alan Parsons (der Herr links) gar nicht heute, sondern vor sehr langer Zeit: anno 1976.
B: “Was macht dir denn am meisten Spaß?”, frage ich weiter nach.
“Beides hat natürlich seine eigenen Reize, aber der Markt hat sich über die Jahre sehr verändert. Die Anzahl der kommerziellen Tonstudios vom Kaliber eines ‘Abbey Road’ kann heute an einer Hand abzählen – und wo wir früher unser Geld als Tonmeister oder Produzent verdient haben, zahlt mir heute das Livekonzert die Miete. Studioarbeit ist heute ein ‘Do It Yourself’ Markt geworden. Studios findet man heute überall in Wohnzimmern und Garagen. Die großen Studios konzentrieren sich jetzt eher auf den TV- und Filmbereich, der immer noch in großen Schritten wächst, aber mit Music-Recording heute noch Geld zu machen – puuh!!!”, erzählt Alan, ohne jedoch dabei verbittert zu klingen. “Heute wird in einem großen Tonstudio maximal noch gemixt, denn natürlich ist es schön und oftmals auch wesentlich schneller, auf einer großen Mixkonsole jeden Parameter direkt per Drehknopf ansteuern zu können. Aber um z. B. Vocals aufzunehmen, würde ich selbst nicht mehr in ein großes Recording-Studio gehen, das täglich schnell mehrere Tausend Dollar kostet.”, sagt er.
B: “Glaubst du, dass diese Entwicklung eher an den kleineren Recording-Budgets der Plattenfirmen oder an der Liberalisierung des Studiomarktes durch einfachere, erschwingliche Technik liegt? Am Ende muss das Zeug ja auch immer noch jemand bedienen können?”, frage ich.
“Wie so oft ist dies natürlich eine Kombination von beidem. Da mit Schallplattenverkäufen in den meisten Fällen einfach nicht mehr genug Geld umgesetzt wird, ist dies sicherlich eine Entwicklung, die nicht mehr umkehrbar ist. Wir leben in der ‘Generation Download’, in einer Welt von Dreiminutensongs. Heutzutage kann eigentlich jeder mit einem angemessenen Mikrofon und ‘Garage Band’ Schallplatten aufnehmen. An eben diese Leute wendet sich ja auch die DVD.”, erklärt Alan.
B: “Ich kann mir denken, dass diese schnelle Änderung der Arbeitsumgebung sich auch sehr auf deine Arbeit ausgewirkt hat?”, frage ich weiter.
“Eigentlich nicht wirklich. Ich habe an den grundsätzlichen Strukturen meiner Arbeit nur wenig verändert, schließlich haben wir auch in den frühen 70er Jahren stets am Limit des technisch Machbaren gearbeitet. Damals waren es eben andere Grenzen, wie die Limitierung auf eine 8-Spur Bandmaschine, heute sind der Kreativität in dieser Richtung praktisch keine Grenzen mehr gesetzt. Damals mussten wir ebenso kreativ mit der Technik und den Grenzen arbeiten und stets versuchen, sie aufs Neue zu erweitern.”
B: “Ja, ich erinnere mich, etwas von einem analogen Sampler, quasi einem Fairlight-Vorgänger gelesen zu haben, den ihr seinerzeit selbst gebaut habt?”, frage ich weiter.
“Ja, wir haben das Gerät damals ‘Projectron’ genannt – im Großen und Ganzen waren es spannungsabhängige ¼-Zoll-Bandmaschinen, auf denen wir mit Tapeloops, vornehmlich Stimmen, gearbeitet haben, die wir dann mit einem Keyboard ansteuern und abspielen konnten. Doch schon damals war die Entwicklung rasant. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir in den späten 80er Jahren einen Atari Computer für mein Studio gekauft haben. Wir haben mit Floppy Disks mit 256 kByte Speicherkapazität gearbeitet und ich weiß noch, wie ich mir meine erste Festplatte mit einer Kapazität von 20 MB gekauft habe, und dachte: ‘Wow, das ist das Größte! Ich werde niemals mehr als 20MB brauchen.’ Heute laufe ich mit einem USB-Stick in der Tasche durch die Gegend, der tausend Mal größer ist …”, schwelgt Alan sich durch die Jahre.
B: “Wie bewertest du denn die Entwicklung der aktuellen Musik? Dir muss doch dein Herz bluten, wenn du als Mitbegründer des Classic-Rock-Genres immer mehr mit Formatradio und eben diesen Drei-Minuten-Konservensongs konfrontiert wirst.”
“Grundsätzlich ist dies natürlich richtig, dass ich mir mehr Experimente zugunsten der Vielfältigkeit wünschen würde. Aber während der Produktion von ‘Art & Science Of Sound Recording’ ist uns etwas aufgefallen: Über 15 Jahre lang waren Gitarrensoli aus Albumproduktionen fast vollkommen verschwunden, doch in der letzten Zeit scheinen sie eine Art Comeback zu erleben. Warum dies so ist? Ich denke, es liegt an Computerspielen wie Guitar Hero oder Rock Band! Gitarrensoli sind wieder überall zu hören und ich freue mich sehr darüber, denn ich weiß ein geschmackvolles Gitarrensolo wirklich zu schätzen.”, lacht Alan.
B: “Da das Aufnehmen von Musik ja heutzutage quasi im Alleingang zuhause am Computer vollzogen werden kann, sehen wir uns mit einer Flut von neuen Veröffentlichungen konfrontiert. Wie stehst du dieser Situation gegenüber?”, frage ich weiter.
“Ich denke, dass die Entwicklung im Markt jetzt talentierten Menschen die Möglichkeit gibt, sich musikalisch auszudrücken, die früher vielleicht nicht die Chance dazu gehabt hätten. Allerdings ist es dadurch auch sehr schwer geworden, die Sachen zu finden, die einem wirklich gefallen. Ich finde es besonders problematisch, dass wir uns mit diesem minderwertigen Tonformat MP3 herumschlagen müssen. Ich hoffe, dass die Übertragungsraten im Internet bald so schnell werden, das wir zumindest wieder Wav-Dateien hören können. Verstehe mich nicht falsch, aktuelle MP3s sind immer noch besser als alte Kassettenbänder, aber wir haben da noch einen weiten Weg zu gehen, um qualitativ wieder ein angemessenes Niveau zu erreichen.”
B: “Wenn du den bonedo-Besuchern einen Tipp geben könntest, was das Wichtigste ist, um eine eigene Karriere als Produzent aufzubauen, was wäre dies?”
“Das ‘Zuhören können’ ist sicherlich das Wichtigste, auf das es ankommt, wenn es um Recording geht. Eigentlich ist es sogar witzig, dass wir es ein ‘Aufnahme-Studio’ nennen, wenn es doch eigentlich ein ‘Hör-Studio’ ist. Wir verbringen schließlich viel mehr Zeit in einem Studio damit, unsere Aufnahmen abzuhören, neu zu mixen und wieder abzuhören, als wir für das tatsächliche “Aufnehmen” der Tonspuren benötigen. Und genau darin besteht auch die Kunst: das Wissen um einen guten Klang und die richtige Balance der einzelnen Instrumente. Das ist etwas, das man nur durch Erfahrung lernt. Durch das Hinhören bei anderen Produktionen und die Fähigkeit, die guten Aspekte rauszufiltern und dann in den eigenen Produktionen umzusetzen. Es geht nicht um Technik, wobei das Wissen um die Technik selbstverständlich nicht schadet. Und genau dafür haben wir ja auch die DVD aufgenommen – aber am Ende geht es immer um das ‘Hören’!”
Alan Parsons zeigte sich in diesem Interview nicht nur als das Soundgenie, das ich erwartet hatte, sondern auch als äußerst netter und zuvorkommender Gesprächspartner. So stolz er auf seine Erfolge in der Vergangenheit ist, so geradlinig ist er am Puls der Zeit geblieben und hat in einem schnelllebigen und sich stets ändernden Markt immer wieder seine eigene Nische gesucht und gefunden. Neben der neuen DVD, die ich wirklich jedem, egal ob Hobby- oder Profimusiker und/oder Produzent/Tontechniker wärmstens ans Herz legen möchte, hat Alan Parsons auch gerade eine neue Single namens ‘All Our Yesterdays’ veröffentlicht, die ihr ebenfalls mal auschecken solltet. Auf allen Downloadportalen erhältlich – bezeichnenderweise auf dem Label ‘Authentik Artists’ veröffentlicht – passender hätte dieser Name wohl nicht gewählt werden können …
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