Über die letzten Jahre wurde das Homerecording auch für Drummer zu einem immer wichtigeren Teil des Berufs als professioneller Musiker. Einer, der das schon vor fast 20 Jahren erkannt hat, ist Blair Sinta. Geboren in Michigan, landete er nach dem Studium des klassischen Schlagzeugs und dem Bachelor in Jazz Performance für Drumset in Los Angeles, wo er neben lokalen Gigs schnell den Sprung in die Profiliga schaffte und fünf Jahre lang mit Alanis Morissette um die Welt tourte sowie an drei Studioalben der amerikanischen Songwriterin mitwirkte. Es folgten unzählige nationale und internationale Tourneen und Studioproduktionen mit Künstlern wie Damien Rice, Annie Lennox, Melissa Etheridge, James Blunt und vielen mehr. Wir haben uns mit ihm virtuell zum Interview getroffen.
Zu der langen Liste an Credits hat Blair über die Jahre aber auch ein eigenes Portal für Online-Workshops auf die Beine gestellt, über welches er Inhalte zum Thema Groove und vor allem zu den verschiedenen Facetten des Drumrecordings Musikern aus der ganzen Welt näher bringt. Und als sei all das noch nicht genug, startete er kürzlich noch seinen eigenen Podcast “Recording Drums with Blair Sinta”, bei dem er das Who-is-who der Studiowelt aus verschiedenen Genres zu Gast hat und mit ihnen über Anekdoten und Inspirationen aus dem Studio plaudert. Wir sprachen mit dem sympathischen Amerikaner über seine Herangehensweise an Homerecording, die Inhalte seiner Workshops und welche Produktionen ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind.
Hallo Blair, viele Drummer kennen dich von deinen Videos auf Social Media oder von deinen Online-Workshops zu Studiodrumming. Wie bist du dazu gekommen, dich hauptsächlich auf Recording im eigenen Studio zu spezialisieren?
Mich hat Recording schon immer sehr interessiert. Ich habe schon früh Credits auf Alben ausgecheckt und immer wieder von Drummern wie beispielsweise Jeff Porcaro gelesen, die auf so vielen Alben völlig unterschiedliche Musik gemacht haben. Das wollte ich auch. Ich höre privat sehr vielfältige Musik und liebe es deshalb auch, möglichst facettenreich Musik zu machen. Das ist im Studio besser möglich, als wenn ich immer nur mit einer Band auf Tour wäre. Mit den Jahren wurde ich immer wieder für Studioarbeit gefragt und wurde auf diesem Wege auch nochmal wissbegierig, wie Sounds im Studio überhaupt entstehen – also nicht nur, wie ein Drumset gut klingen kann, sondern auch, was man von der tontechnischen Seite aus damit machen kann. Natürlich war das auch ein Grundstein für das eigene Studio. Es war für mich wirklich wichtig, mich mit unterschiedlichen Sounds zu beschäftigen, damit ich die verschiedenste Musikrichtungen und Ästhetiken gut aufnehmen kann.
“Ein kleiner Geheimtipp ist das Soundelux ifet7, ein Neumann U47fet Nachbau, das wirklich einen phänomenalen Bassdrumsound zaubert.”
Wann hast du dann dein eigenes Studio gebaut?
Schon relativ früh im Jahre 2003, als der ganze Homestudio-Hype noch gar nicht richtig losgetreten war. Ursprünglich war die Idee, einen eigenen Übungsraum zu haben, in dem ich mich von Zeit zu Zeit mit dem Recording Equipment, das ich zu der Zeit schon besessen habe, immer mal selbst aufnehmen kann. Mit der Zeit hat sich in Los Angeles die Studiolandschaft dann sehr verändert. Während man früher alles immer in den großen Studios aufgenommen hat, verschob sich die Arbeitsweise mehr und mehr auf Homestudios.
Du sprachst gerade von Equipment. Mittlerweile nehmen immer mehr Drummer sich selber auf. Was sind „Must-Haves“ für dich im Studio?
Das ist eine gute Frage, weil ich mittlerweile echt viel Kram habe. (lacht) Ich habe seit 15 Jahren eine Snare von einem bekannten Drumtech in LA namens Chris Heuer, die wirklich unglaublich gut ist und in so vielen musikalischen Situationen bestehen kann. An Mikrofonen liebe ich meine Vintage AKG 414, die ich in verschiedensten Positionen nutze und mit denen ich immer einen guten Sound herausbekomme. Außerdem sind die Beyerdynamic M160 und meine Coles 4038 ständig im Einsatz. Ein kleiner Geheimtipp ist das Soundelux ifet7, ein Neumann U47fet Nachbau, das wirklich einen phänomenalen Bassdrumsound zaubert.
Für dich ausgesucht
Variierst du häufig im Drumtuning und Mikrofon-Setup oder belässt du viel so, wie es ist und änderst nur beispielsweise die Snare und Becken, je nachdem, was für einen Song du aufnimmst?
Ich verändere ständig etwas. Es gibt zwar bestimmte Instrumente, die ich immer im selben Tuning oder mit spezieller Dämpfung belasse, aber generell verändere ich viel, auch an den Mikrofonpositionen, um möglichst immer wieder neue Sounds zu finden. Moderne Drums sind so variabel, weil sie ja genau dafür gemacht worden sind, viele Sounds zu kreieren. Deswegen nutze ich das auch gerne so. Andere Drums können wiederum genau einen Sound besonders gut und da schraube ich auch gar nicht mehr dran rum. Aber grundsätzlich ist nichts von meinem Setup in Stein gemeißelt.
Ist es nicht von der tontechnischen Seite auch häufig sehr aufwendig, mit unterschiedlichen Mikrofon-Setups zu experimentieren, weil ja gerade bei Drums immer wieder das Problem mit Phasenverschiebung besteht?
Ja, Probleme mit Phasenverschiebung sind eigentlich grundsätzlich an der Tagesordnung. Selbst wenn man nichts umstellt, ist ja teilweise die Polarität nochmal durch Outboard oder Plugins beeinflusst. Selbst wenn man einen EQ verdreht, ändert sich ja etwas. Das ist einfach ein Teil davon, wenn man sich selbst aufnimmt.
Hast du Tipps für Drummer, die gerade den Einstieg in die Recordingwelt machen? Gerade zu Beginn ist das ja ein unglaublich komplexes Unterfangen.
Ja, gerade weil das so umfangreich ist, habe ich einen Online-Workshop kreiert, der sich genau damit beschäftigt. Ich habe auch damit begonnen, von Zeit zu Zeit einen sechswöchigen Kurs namens „Drum Recording Expert“ zu geben, der natürlich nochmal deutlich interaktiver ist und bei dem ich noch tiefer in die Materie eintauche. Die Teilnehmer haben da die Möglichkeit, live über Zoom dabei zu sein und den Sound aus meinem ProTools in Studioqualität zu hören. Zusätzlich werden alle Unterrichtseinheiten aufgezeichnet und sind unbegrenzt verfügbar. Jede Woche gibt es dann also eine zweistündige Einheit zu unterschiedlichen Themen wie Drumsound, Mikrofontechnik und wie man mit kleinen Räumen umgeht, um den besten Sound rauszuholen.
Außerdem beschäftigen wir uns mit Dingen wie EQ, Kompression und Processing, aber auch mit der Business-Seite des Recordings. Es ist auf jeden Fall eine Menge an Informationen, die ich dort vermittle und ich habe versucht, alles so praxisnah wie möglich zu machen. Das wäre das Lehrmaterial, das ich mir von einer Universität wünschen würde. Völlig abgesehen von meinen Kursen denke ich aber grundsätzlich, dass man immer mit den Drums starten sollte. Das Instrument muss einfach gut klingen. Die Mikrofonauswahl und die Vorverstärker ändern daran nicht mehr so viel. Die Drums müssen auch nicht teuer sein, sondern einfach für Recording gut klingen, je nachdem, welche Musik man aufnehmen möchte.
Tipp: In seinen Recording-Workshops gibt Blair praktische Tipps, um das Maximum aus dem eigenen Raum herauszuholen. Hier findet ihr sein Video auf Instagram.
Würdest du auch sagen, dass sich die Herangehensweise und der Touch am Instrument verändern sollte, wenn man im Studio aufnimmt?
Das hängt von der Musik ab. Live spiele ich grundsätzlich etwas lauter, weil es ja auf der Bühne auch den visuellen Aspekt einer Show gibt. Wenn ich einen Rocksong im Studio spielen soll und in einem großen Raum mit offenen Drums bin, spiele ich definitiv laut, auch um die Energie rüberzubringen. Andere Sounds entstehen aber auch besser, wenn man leiser spielt. Das hat nicht nur mit der Dynamik des Songs zu tun, sondern auch mit der Entwicklung des Tons der Trommel. Laut machen kann man es ja am Ende immer. Der Attack von zu laut gespielten Drums kann aber manchmal genau das Gegenteil von dem hervorrufen, was man eigentlich will. Grundsätzlich ist mein Ansatz aber, dass ich mich lieber selbst beim Spielen mixe, als dass ich später deutlich eingreifen muss.
Du hast über die Jahre unzählige Songs und Projekte aufgenommen. Welche sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Hui, das ist gar nicht so einfach. Ich denke da auf jeden Fall an die Akustikversion des Albums „Jagged Little Pill“ von Alanis Morissette, bei dem wir die Songs des ursprünglichen Albums nochmal in ein völlig neues Gewand gesteckt haben. Auf das Annie Lennox Album „Songs of Mass Destruction“ bin ich auch sehr stolz. Sie ist einfach eine einzigartige Künstlerin. Außerdem sind mir Sessions mit Stevie Nicks für ihr Album „In My Dreams“ sehr im Gedächtnis geblieben und vor einem Jahr kam ein Song von Ringo Starr raus, auf dem ich in meinem Studio getrommelt habe. Dass ich auf einem Ringo-Album spielen durfte, ist wirklich der Wahnsinn.
An was arbeitest du aktuell?
Neben den vielen einzelnen Sessions arbeite ich gerade hin und wieder an meinem Soloalbum, das ich in einer speziellen Art veröffentlichen will. Das ist aber ein langsamer Prozess, weil ich neben den Sessions ja auch immer wieder an verschiedenen Video-Workshops arbeite. Ich bekomme da sehr viel positives Feedback und da das ganze Drumrecording-Thema so umfassend und kompliziert ist, gibt es immer wieder neue Dinge, für die es sich lohnt, einen detaillierten Kurs zu machen. Außerdem spiele ich hier in LA immer mal wieder live und genieße das auch sehr.
Das klingt nach sehr viel Arbeit, vor allem weil es zusätzlich zur kreativen Arbeit ja auch noch eine Menge an Organisation bedarf. Wie balancierst du Arbeit und Leben und hast du manchmal Angst davor, auszubrennen?
Das ist wirklich nicht einfach und wie du richtig sagst, es ist eine Menge Arbeit. Aber ich habe wirklich nicht das Gefühl, auszubrennen, weil mir das alles sehr viel Spaß macht. Ich habe eher das Gefühl, dass es nicht genug Stunden am Tag gibt, um all das zu machen, worauf ich Lust habe. Ich versuche, Routinen zu entwickeln, gleichzeitig habe ich aber eine Familie, die natürlich völlig zurecht Zeit in Anspruch nimmt und bei der immer mal wieder spontan Sachen ungeplant laufen. Es hat sich bewährt, so viel wie möglich in den Morgenstunden zu schaffen, weil ich da gut erholt bin und sich mein Fokus verschiebt, sobald meine Kinder aus der Schule kommen. Außerdem versuche ich, zumindest grob zu planen, was ich in den folgenden Wochen und Monaten mache, was mir wirklich hilft. Es gibt aber so gesehen keinen wirklichen Alltag und ich mache das schon so lange, dass ich es gar nicht anders kenne.
Vielen Dank für’s Gespräch!
Blairs Equipment:
Drums: DW Drums Jazz Series in wechselnden Setups oder Vintage Drums
Bassdrum: 22“x16“
Toms: 13“x9“, 16“x16“
Snare: 14“x6,5“ Aluminium Snare
Becken: Istanbul Agop
Hi-Hat:15″ OM Hi-Hats, 15“ 30th Anniversary Hi-Hat
Crashes: 20“ Epoch Crash, 18“ 30th Anniversary Crash
Ride: 21“ Mel Lewis Ride, 22“ Signature Ride
Website: https://www.blairsinta.com
Instagram: https://www.instagram.com/blairsinta