Die in Toronto geborene Schlagzeugerin Sarah Thawer wuchs in einem von indischer Musik geprägten Haushalt auf, wodurch sie ihre einzigartige Symbiose aus indischer Tradition und westlicher Musik quasi mit in die Wiege gelegt bekam. In ihrem späteren Studium und durch unzählige Sessions und Projekte mit internationalen Künstlern erweiterte Sarah ihre klangliche Facette und entwickelte ihren Spielstil irgendwo zwischen Gospel, Latin, Hip-Hop, Funk und Fusion, den sie immer mit ihren ureigenen Wurzeln der indischen Musik bereichert.
Schon im zarten alter von zwei Jahren saß Sarah Thawer das erste Mal hinter einer Trommel und hatte vier Jahre später ihren ersten Auftritt. Spätestens seit diesem Tag ist es schwer, sich einen glücklicheren Ort für sie vorzustellen, als hinter einem Schlagzeug. Beobachtet man sie beim Spielen, wird man von ihrer Energie, Kreativität und sichtlicher Spielfreude förmlich mitgerissen. Wir sprachen mit der sympathischen Kanadierin über ihren Werdegang, ihre spezielle Herangehensweise an Drums und aktuelle Projekte.
Hallo Sarah, schön, dass du dir Zeit genommen hast. Erzähl doch mal ein bisschen von dir, wie du zur Musik und vor allem zum Schlagzeug gekommen bist.
Ich bin in Toronto geboren und in einem sehr musikalischen Haushalt aufgewachsen. Mein Vater ist selbst Musiker und spielt Keyboard in verschiedenen Projekten mit indischer Musik und dem Bollywood Sound. Ich habe schon sehr früh in seinen Bands gespielt und viele unterschiedliche Musiker getroffen, durch die ich dann auch an Jazz herangeführt wurde. Damals habe ich auch viel indische Percussion gespielt und mich intensiv damit befasst, wie man das auch am Drumset etablieren kann.
Die indischen Percussioninstrumente und die Spielweise sind ja ein ganz eigenes rhythmisches Feld. Wie hast du das am Drumset umgesetzt?
Für dich ausgesucht
Das war ganz interessant, weil meine Eltern eigentlich nicht wollten, dass ich Drumset-Unterricht nehme, sondern mich eher die Drums selbst entdecken lassen wollten. Mein Vater hat mich dann für seine Projekte engagiert, in denen ich aber nicht typisches Drumset spielen, sondern an einem Drumset wie eine indische Percussionistin klingen sollte. Also habe ich viel indische Musik gehört und irgendwie versucht, die Klänge von Tablas an Drums zu imitieren. Ein weiteres typisches Instrument nennt sich Dholak, das mit Ringen am Finger gespielt wird. Diesen Sound habe ich beispielsweise mit den Rims der Drums nachgeahmt. Ich habe also viel Zeit mit Sounds und Grooves der indischen Musik verbracht und weniger mit Rudiments oder Lehrbüchern. Dadurch stand kreatives Spiel und aktives, aufmerksames Hören mehr im Vordergrund.
Welche Herangehensweise an die indische Musik würdest du Musikerinnen und Musikern raten, die sich auch intensiver damit am Drumset beschäftigen wollen?
Am wichtigsten ist es natürlich, die Musik zu hören und sich wirklich intensiv damit zu befassen. Indische Musik ist sehr facettenreich. Es gibt nord- und südindische klassische Musik, die zwar verwandt, aber dennoch unterschiedlich ist. In nordindischer Musik ist die Tabla präsent, während in der südindischen Musik die Mridangam-Trommel wichtig ist. Es gibt also zwei Formen der klassischen Musik, deren Sound natürlich auch die moderne Stilistik geprägt hat. Diese Einflüsse finden sich auch in Bollywood Music wieder, die ich sehr mag. Jeder sollte sich also intensiv mit den verschiedenen Stilistiken befassen und dann gucken, wie sich diese am Drumset umsetzen lassen. Es hilft mit Sicherheit auch, bei YouTube nach indischen Percussion-Instrumenten zu suchen und sich dadurch Inspiration einzuholen.
“Mir ist es wirklich wichtig, mir immer wieder bewusst zu machen, warum ich überhaupt mit Musik angefangen habe. Für mich war es ganz klar meine Prägung durch mein Elternhaus und dass ich schon früh mit Percussion und indischer Musik in Berührung kam.”
Wann hast du dich dazu entschieden, professionelle Musikerin zu werden?
Das ist irgendwie einfach passiert und ehrlich gesagt gab es auch nie eine wirkliche Alternative für mich.
Hast du später dann Drums studiert?
Ich bin auf eine High School gegangen, die sehr musikorientiert war, wodurch ich auf vielen Jazzfestivals in Kanada gespielt habe. Später habe ich dann das Oscar-Peterson-Stipendium für die Universität bekommen und konnte vier Jahre lang „Jazz Performance“ studieren.
Bist du dann voll und ganz in Jazzmusik eingetaucht?
Ich sage immer, dass ich musikalisch zwei Leben hatte. Bis ich achtzehn Jahre alt war, gab es für mich nur indische Musik und World Music, während die Zeit der Universität durch Jazz, Funk und Fusion geprägt war. Das war dann auch die Zeit, in der ich mich intensiv mit Rudiments und vielen Lehrbüchern befasst habe, wodurch ich handwerklich unglaublich dazugelernt habe.
In vielen Videos sieht man dich improvisieren, wodurch die gesamte Bandbreite deines Spiels sichtbar wird. Wie würdest du deine persönliche Herangehensweise an Improvisation beschreiben?
Das kommt sehr auf die musikalische Situation an. Wenn mich jemand für ein Projekt engagiert und mir einen Song zeigt, bei dem ich über einen bestimmten Part solieren soll, höre ich mir die Musik an und überlege mir vorher etwas dazu. Dabei suche ich nach passenden Patterns oder singe ein paar rhythmische Linien, die mir dann einen roten Faden vorgeben. Wenn es eine Solo Drum-Performance ist, bereite ich mich auf bestimmte Sachen vor oder lege mir auch bestimmte Files auf mein Sample Pad, mit denen ich dann spielen kann. Zwischen diesen vorher grob ausgedachten Motiven bewege ich mich dann frei hin und her. Grundsätzlich versuche ich aber, nicht zu viel im Voraus zu planen.
Du hast von zwei musikalischen Leben und auch von der Ausbildung am College und der Universität gesprochen, bei der du dich viel mit Rudiments und klassischem Lehrmaterial beschäftigt hast. Wie hast du es am Ende geschafft, deinen eigenen Sound zu finden und auch nicht zu verlieren?
Mir ist es wirklich wichtig, mir immer wieder bewusst zu machen, warum ich überhaupt mit Musik angefangen habe. Für mich war es ganz klar meine Prägung durch mein Elternhaus und dass ich schon früh mit Percussion und indischer Musik in Berührung kam. Später wurde mir aber auch bewusst, dass ich mich intensiv mit Jazz, Funk und Fusion beschäftigen muss, damit ich am Instrument weiter komme. Zwischen all diesen ganzen Einflüssen wusste ich aber immer, was ich an meinem Instrument liebe und welchen Sound ich machen wollte. Ich denke also, man sollte immer wieder mal Rückfragen an sich selbst stellen und genau schauen, was man eigentlich will und wie man klingen möchte. Man sollte wirklich offen sein und alles lernen wollen, aber trotzdem nicht vergessen, wo man hin möchte oder welche Musik einen wirklich tief berührt.
Welche Drummer haben dich am meisten auf deinem musikalischen Weg beeinflusst?
In meinen ersten Jahren war es viel Filmmusik und Folk-Musik aus Indien. Genres wie „Qawwali“ und Tabla-Musiker wie Trilok Gurtu haben mich besonders beeinflusst. Aktuell sind es Drummer wie Chris Dave, Justin Tyson, Dennis Chambers und Gary Novak. Ich war auch immer schon ein Fan von Tony Williams.
“…Irgendwann muss ich einfach Sachen verändern, um inspiriert zu bleiben. Deshalb wechsle ich zwischen tiefen und hohen Snares und verschiedenen Größen der Bassdrum und der Toms. Die einzige Konstante sind trockene Becken.”
Beschäftigst du dich weiter intensiv mit neuen Sachen und übst oder steht für dich der musikalische Ausdruck aktuell im Vordergrund?
Ich hatte früher eine sehr strikte Übungsroutine, die in Rudiments, Koordination und Hand- und Fußtechnik unterteilt war. Für ein paar Jahre habe ich so mindestens drei Stunden am Tag geübt. Irgendwann fand ich das aber echt sehr eintönig und wollte mich mehr mit Musik beschäftigen. Später war es dann immer eine Stunde am Tag, die ich fokussiert geübt habe. Vor ein paar Monaten bin ich nach Los Angeles gezogen und mein Proberaum ist eine halbe Stunde von mir entfernt, weshalb ich aktuell nicht täglich dazu komme, intensiv zu üben, aber ich versuche trotzdem, jeden Tag am Schlagzeug zu sitzen.
Wie sieht dein aktuelles Drum-Setup aus?
Das hängt total von der jeweiligen Musik ab, die meinen Sound und damit auch die Auswahl der Instrumente bestimmt. Ich kann auch nicht mehr als einen Monat dasselbe Setup spielen. Irgendwann muss ich einfach Sachen verändern, um inspiriert zu bleiben. Deshalb wechsle ich zwischen tiefen und hohen Snares und verschiedenen Größen der Bassdrum und der Toms. Die einzige Konstante sind trockene Becken. Aktuell spiele ich Yamaha Drums und Electronics mit Bassdrums in 18, 20 oder 22 Zoll und völlig unterschiedliche Tomgrößen je nach Musik. Nachdem ich lange Zeit Remo Pinstripe gespielt habe, fühle ich mich aktuell mit Coated Fellen wohler. Ich liebe auch die großartigen Becken von Istanbul Agop, insbesondere das Clap Stack, was eine echte Innovation ist.
Mit welchen aktuellen Projekten bist du gerade beschäftigt?
Ich habe vor kurzem auf dem Soundtrack des neuen Disney-Pixar Films „Turning Red“ gespielt. Das hat großen Spaß gemacht. Aktuell spiele ich Live mit verschiedenen Künstlern hier in LA, außerdem habe ich unter anderem auf Produktionen von George Clinton gespielt und arbeite mit verschiedenen Produzenten und Musikern an meinem Soloalbum.
Vielen Dank für’s Gespräch!
Sarahs Equipment:
Drums: Yamaha Absolute Hybrid Maple (wechselnde Setups)
Bassdrum: 18“ x 14“, 20“ x 16“, 22“ x 14“
Toms: 10“ x 8“, 12“ x 8“, 14“ x 12“, 16“ x 14“
Snare: 14“ x 6“ Hybrid Maple Snare
Becken: Istanbul Agop
Felle: Remo
Website: https://sarahthawer.com
Instagram: https://www.instagram.com/sarah.thawer