Die 22-jährige israelische Schlagzeugerin Roni Kaspi hat sich spätestens durch ihre Zusammenarbeit mit dem Modern-Jazz-Star Avishai Cohen international einen Namen gemacht. Aufgewachsen im kulturellen Schmelztiegel von Tel Aviv, zeichnet sich ihr Drumming durch Facettenreichtum und absolute Spielfreude aus. In ihrem Spiel treffen moderne Beats auf die Komplexität von Jazz und entwickeln sich so zu einem ganz eigenen Sound. Nach einem College-Aufenthalt in den USA führte ihr Weg wieder zurück in die israelische Heimat.
Neben den zahlreichen internationalen Konzerten mit dem ebenfalls aus Israel stammenden Avishai Cohen hat sich Roni nun auch ihrer eigenen Musik gewidmet und verleiht da all ihren Einflüssen Ausdruck. Zur Veröffentlichung ihrer neuen Single und anlässlich des in naher Zukunft erscheinenden dazugehörigen Albums sprachen wir mit ihr über die Herangehensweise an eigene Musik, ihren Werdegang und die aufregende Chance, als junge Musikerin bei einer der Jazz-Größen unserer Zeit zu spielen.
Hallo Roni, in deinem Pressetext kann man lesen, dass du die einzige Musikerin in deiner Familie bist. Wie hast du zur Musik und den Drums gefunden?
Mir ist ehrlich gesagt auch nie ganz klar geworden, wodurch ich zur Musik inspiriert wurde. In meiner Familie ist wirklich niemand wirklich musikalisch. Nur mein Vater hat wohl als Kind mal Posaune gespielt. Den ersten Kontakt mit Musik hatte ich dann in der Schule. Wir hatten dort einen Musikraum, in den ich immer gegangen bin, um Schlagzeug zu spielen und zu singen. Ich habe also ohne einen Lehrer angefangen und war dann in einer Band mit lauter Siebenjährigen, deren Gitarren größer als sie selbst waren. (lacht) Als meine Eltern uns spielen sahen, ermöglichten sie mir danach dann aber, Unterricht zu nehmen.
Von welcher Musik warst du damals besonders begeistert?
Ich habe damals am liebsten Pop und Rock gehört und dazu gespielt.
Hast du mit deinem ersten Lehrer dann direkt angefangen, intensiv zu üben?
Ich habe eigentlich eher immer zur Musik gespielt und weniger wirklich intensiv geübt. Aus heutiger Sicht hatte ich also keine wirklich effiziente Art, voran zu kommen, aber ich war einfach ein Kind, das Spaß an Drums hatte. Ich habe zwar immer mal halbherzig die Sachen erarbeitet, die mein Lehrer von mir wollte, aber er wusste auch, dass er mich nicht besonders für einzelne Übungen begeistern konnte. Ich habe es einfach geliebt, zur Musik zu spielen, weshalb mein Lehrer mir dann auch mal kompliziertere Songs vorgesetzt hat, zu denen ich dann aus dem Stegreif spielen sollte. Das war eine coole Challenge. Als ich 14 Jahre alt war und in die High School kam, habe ich dann wirklich angefangen zu üben. Da habe ich spielerisch auch einen echten Sprung gemacht, was mich motiviert hat. Mit 16 Jahren wusste ich dann, dass ich professionelle Musikerin werden möchte.
Für dich ausgesucht
Hat dich das dann veranlasst, ans Berklee College of Music zu gehen?
Ja. Ich war anderthalb Jahre da, als dann leider die Pandemie losging. Also bin ich erstmal zurück nach Israel gegangen und habe das restliche Studium und den Abschluss online gemacht. Das war echt schade.
Israel ist ein Schmelzpunkt der verschiedensten Kulturen. Kannst du beschreiben, inwieweit das auch dein Drumming beeinflusst hat?
Wir haben wirklich sehr viele großartige Musiker in Israel, davon habe ich wahrscheinlich am meisten profitiert. Ich würde sagen, dass der Kontakt und regelmäßige Austausch mit Jazzmusikern vor Ort maßgeblich meine Stilfindung beeinflusst hat. Wir haben einfach ständig neue Musik ausgecheckt, uns Sachen empfohlen und gemeinsam Konzerte besucht. Das war sehr prägend.
Wie kamen für dich die ersten professionellen Gigs zustande?
Ich habe in Israel schon viel in verschiedensten Projekten gespielt, während ich noch in der Schule war. Als ich nach Berklee gegangen bin, ging das dann langsam aber sicher los, weil ich unglaublich viele neue Leute kennengelernt habe und auch über das College Gigs beispielsweise mit Jesús Molina bekommen habe. Als ich dann wegen der Pandemie wieder nach Hause gezogen bin, ist das mit Avishai passiert.
Wie ist er auf dich gekommen?
Das ist tatsächlich über Social Media passiert. (lacht) Ich habe damals ein Video hochgeladen, auf dem ich zu einem seiner Stücke spielte. Er hat mich dann kontaktiert und mich zu einer gemeinsamen Session eingeladen. Ich bin schon seit so langer Zeit Fan von ihm und seiner Musik und kannte deshalb schon große Teile seiner Stücke. Als wir dann ein Datum für die Session ausgemacht haben, hatte ich noch zwei Wochen Zeit und habe in der Zeit jedes verdammte Stück gelernt, das er je geschrieben hat. Ich habe einfach alles ausgecheckt, weil das meine Chance war. Am Ende haben wir dann zwar nur ein paar Jazz-Standards gespielt, aber jetzt spielen wir schon seit fast drei Jahren zusammen.
Hat sich die Zusammenarbeit sofort gut angefühlt oder musstest du dich da reinfinden?
Ich war am Anfang wirklich sehr nervös. Das empfinde ich auch nicht unbedingt als etwas Schlechtes. Ich möchte einfach immer so gut wie möglich sein. Sobald wir dann gespielt haben, hat es sich direkt gut angefühlt und meine anfängliche Nervosität war weg. Es hat sich sicher auch deshalb natürlich angefühlt, weil ich ja sowieso schon seit so langer Zeit seine Musik höre. Gleichzeitig habe ich auch unglaublich viel von Avishai gelernt, gerade was Timing und Feel angeht. Er hat eine ganz klare Vision davon, wie seine Musik klingen soll. Über die Zeit war es ein Prozess des Lernens und gemeinsamen Findens und ich würde sagen, dass die Arbeit hauptsächlich mental stattgefunden hat. Mit jedem Gig lernen wir uns auch besser kennen. Das macht großen Spaß!
“In meinen Songs hört man deshalb viele Einflüsse aus Pop, Fusion und Hip-Hop. Ich würde mich deshalb persönlich auch nicht unbedingt als Jazzmusikerin bezeichnen.”
Ich würde dein Drumming als modern und manchmal hochkomplex beschreiben. Woher ziehst du deine Inspiration dazu?
Ich denke, dass es daher kommt, dass ich einfach unglaublich viel verschiedene neue Musik höre. Ich möchte eigentlich täglich neue Musik entdecken und liebe verschiedenste Genres und deren Facetten. Das inspiriert mich am meisten. In den letzten Tagen habe ich sowohl Wayne Shorter Alben gehört, als auch die R&B Sängerin Brandy für mich entdeckt. Daneben höre ich mal Techno, mal Folk und Gospel, dann wieder Pop oder Rap und Hip-Hop. Solange es dazu führt, dass ich mich gut fühle, höre ich es und mich interessiert die Definition des Genres wirklich nicht.
Welche Musikrichtung würdest du in Zukunft gerne mehr spielen?
Das kann ich gar nicht genau sagen, aber in meinem Soloprojekt vereinen sich viele meiner Lieblingsstilistiken. In meinen Songs hört man deshalb viele Einflüsse aus Pop, Fusion und Hip-Hop. Ich würde mich deshalb persönlich auch nicht unbedingt als Jazzmusikerin bezeichnen. Ich möchte mich da nicht festlegen.
Wie entsteht deine eigene Musik?
Ich schreibe die Stücke am Klavier oder MIDI-Keyboard und halte meine Ideen in Logic Pro fest. Dort fange ich dann an, ein Grundgerüst für den Song zu produzieren. Meistens entstehen die Harmonien vor den Vocals, weil ich basierend auf den Chords und der Stimmung merke, welche Emotion ich auch textlich kommunizieren will. Meistens kommen die Drumgrooves als letztes. Meine neue Single habe ich beispielsweise vorproduziert und hatte soweit alles fertig, bevor ich sie dann mit meiner Band in einem Pariser Studio eingespielt habe. Wir haben dort Bass, Drums und Keys zusammen eingespielt und ich habe später noch ein paar Edits gemacht.
Wie sieht dein aktuelles Drum Setup aus? Unterscheiden sich die Setups zwischen den Gigs mit Avishai Cohen und deinem Soloprojekt sehr?
Ich benutze eigentlich ein sehr ähnliches Setup. Der wesentliche Unterschied ist, dass bei den Gigs mit Avishai die Bassdrum kleiner ist. Dort nutze ich eine klassische 18“ Bassdrum, während ich für meine Musik eine 20“ Kick nehme. Mein Ride ist ein 22“ Zildjian Kerope mit Nieten. Bei Avishai nutze ich zudem ein 21“ K Constantinople Flat Ride und ein 21“ Trash Crash mit Löchern. In meinem Soloprojekt nutze ich auch noch ein Splash Stack. Ich kombiniere da ein kleines Oriental Splash mit dem Spiral Stacker. Ich halte die Cymbals dann mit etwas Tape zusammen. Manchmal nutze ich aber auch das offene Spiral Crash.
Welche Projekte stehen für dich als nächstes an?
Zunächst hat mein Soloprojekt Priorität für mich. Ich spiele immer noch mit Avishai, weil es so viel Spaß macht, aber ich möchte mich auch mehr meiner Musik widmen. Meine neue Single erscheint jetzt und eine zweite Ende August. Im Januar 2024 kommt dann mein neues Album. Das wird richtig cool. Außerdem spiele ich mehr und mehr Gigs mit meiner Band. Ich kann es kaum abwarten, mit meiner Musik rauszugehen und zu gucken, wie die Leute darauf reagieren.
Vielen Dank für’s Gespräch!
Ronis Equipment:
Drums: Tama Star Maple
Bassdrum: 20“ x 14“
Toms: 12“ x 8“, 14“ x 14“ Floortom, 16“ x 16“ Floortom
Snares: 14“x5,5“, 14“x6,5“
Becken: Zildjian
Hi-Hat: 14“ Kerope
Crash: 21“ K Custom Special Dry Trash Crash
Ride: 22“ Kerope Ride mit Nieten, 21“ K Constantinople Flat Ride
Spiral Stacker & Oriental Splash
Sticks: Vic Firth
Website: https://www.ronikaspi.com
Instagram: https://www.instagram.com/roniponi100