Bereits seit mehr einem Vierteljahrhundert gibt es mit Stomp die rhythmischste Putzkolonne der Welt. Die Show, entstanden 1991 im englischen Brighton, besteht aus einer Menge Bewegung, atemberaubenden Percussion Performances an haushaltsüblichen Gegenständen, Fässern und Sperrmüll und einer guten Prise visueller Comedy. Schnell entwickelte sich die Show zu einem Kassenschlager, und so besuchten bereits über 15 Millionen Menschen die Events auf der ganzen Welt. Dass die Menschen auch in den entlegensten Ländern Zeugen des sinfonischen Schrotts wurden, liegt vor allem an der Stomp Tour, die jahrein jahraus um den Globus zieht. Teil dieser Tourbesetzung ist als einziger Deutscher der Allgäuer Dominik Schad. Wir sprachen mit ihm über seinen Werdegang, wie er zu Stomp kam und was er in der Zukunft noch so alles vor hat.
Hey Dominik, wo befindest du dich gerade?
Ich bin im französischen Aix-en-Provence. Wir haben im Winter mit Stomp immer ein besonders volles Programm und sind schon seit September und noch bis März fast ohne Pause auf Tour.
Rollen wir das Feld mal von hinten auf. Wie ging es für dich mit der Musik los?
Ich komme aus einem kleinen Dorf in Süddeutschland und habe, als ich zehn Jahre alt war, angefangen, an der örtlichen Musikschule in Wangen im Allgäu Schlagzeugunterricht zu nehmen. Das war und ist eine sehr gute Musikschule, an der ich bis zum Abitur viel gelernt habe. Natürlich habe ich auch in meinem Heimatort im Orchester, in verschiedenen Projekten der Musikschule und in eigenen Bands gespielt. Nach der Schule habe ich in Hannover den Studiengang Jazz-Rock-Pop belegt, mit Hauptfach Schlagzeug. Das breit angelegte Studium war für mich reizvoll, weil ich mich nicht von vornherein auf eine Stilistik beschränken musste. Dort hatte ich erst bei Heinz Lichius und später bei Kristof Hinz Unterricht.
Hast du denn früher viel Jazz gespielt?
An der Hochschule schon, aber in meinem eigenen künstlerischen Output eigentlich kaum. Meine Hauptbands waren lange Zeit die Progressive Rock Band „A kew’s tag“ und DEXICO, eine zehnköpfige Band mit Pop-, Funk- und Soul-Einflüssen.
Durch Stomp bist du ja heute im weitesten Sinne auch Percussionist. Hat dich das damals schon während des Studiums interessiert?
Ja, auf mich haben schon immer alle Percussion-Instrumente einen groß Reiz ausgeübt. Ich wollte schon als Jugendlicher wissen, wie man vernünftig Congas spielt, wie Tablas klingen, was man mit Caxixis macht oder wie das indische Rhythmussystem funktioniert. Im Studium war für mich aber vor allem meine Entwicklung als Drummer wichtig, und ich habe großen Wert darauf gelegt, dass mein Leben vor allem außerhalb der Hochschule, nämlich im Proberaum, auf Bühnen oder in Studios stattfindet.
Konntest du dein Studium so überhaupt beenden?
Nein. Als ich die Chance hatte, bei Stomp anzufangen, habe ich mein Studium sofort auf Eis gelegt.
Wie kam es überhaupt dazu?
Ich kenne Stomp schon aus meiner Kindheit, und, wie man das als Fan so macht, habe ich im heimischen Wohnzimmer zur VHS-Cassette „Stomp Out Loud“ auf Eimern getrommelt. Nach dem Abitur bin ich ein paar Wochen durch die USA gereist. In New York habe ich Stomp zum ersten mal live gesehen und war total begeistert. Während meines Studiums habe ich dann in einem Schlagzeug-Ensemble namens „Greenbeats“ gespielt und dort Johannes Bohun kennen gelernt. Er kommt aus Wien und war selbst über 10 Jahre lang mit Stomp auf Tour. Johannes hat mich schließlich zu einer Stomp-Show ins Hannoveraner Opernhaus eingeladen. Nach der Vorstellung saß ich auf meinem Platz und wollte gar nicht mehr aufstehen. Das war das allerbeste, was ich jemals auf einer Bühne gesehen hatte. In diesem Moment hat es bei mir Klick gemacht, und ich dachte: Ich will zu Stomp! Wenig später habe ich herausgefunden, dass in London eine Audition bevorsteht, mir ein Flugticket gebucht und mich in die Schlange vor dem Ambassadors Theatre eingereiht.
Wow! Also das lief gar nicht über eine Empfehlung? Wie viele Mitbewerber gab es damals?
Auf Empfehlung geht bei Stomp nichts. Jetzt da ich dabei bin, weiß ich, dass es einmal eine „Friends & Family“ Audition gab, aus der es aber niemand in die Show geschafft hat. Bei meiner offenen Audition waren damals ungefähr 800 Leute aus der ganzen Welt. Die erste Runde geht ganz schnell, da viele Bewerber für die Show mangels rhythmischer Fähigkeiten offensichtlich ungeeignet sind. Im Viertelstundentakt wurden also Gruppen von 20 Leuten abgefertigt, aus denen oft kein einziger oder nur ein oder zwei Teilnehmer weiterkamen. In der zweiten Runde waren dann nur noch gut 50 Leute übrig, und ab da hat man wesentlich mehr Zeit gehabt, um sich zu präsentieren.
Wie kann man sich so eine Audition vorstellen?
Das war ziemlich aufregend und hat total Spaß gemacht. Die Audition fand auf der Bühne des Ambassadors Theatre statt, wo Stomp damals jahrelang spielte. Mehrere Stomper und alle Bosse waren anwesend. Ich weiß noch, dass ich reingekommen bin und die Stars von meiner alten Videocassette wiedererkannt habe. Der Fokus der Audition liegt ganz stark auf Body Percussion. Man will herausfinden, wie gut die einzelnen Bewerber rhythmisch drauf sind, wie schnell man lernt, wer sich auf der Bühne wie bewegt und wer improvisieren kann. Ab Runde zwei lernt man kurze Passagen aus der Show mit verschiedenen Stomp-Instrumenten wie Besen, Fässern oder Mülleimerdeckeln. Am Ende sind 15 Kandidaten übrig geblieben. Wir haben Kontakte ausgetauscht und gespannt darauf gewartet, wer zuerst den großen Anruf bekommt.
Wie viele Leute wurden damals dann genommen?
Am Ende wurden nur sechs Leute zum Training nach Brighton eingeladen. Dort hatten wir dann jeden Tag acht Stunden Stomp-Unterricht. Eine super spannende Zeit, an die ich gerne zurückdenke. Direkt nach dem achtwöchigen Training wurden zwei Frauen aus unserer Trainingsgruppe in die Londoner Besetzung integriert. Ich bin dann ein paar Wochen später zur Tourbesetzung gestoßen.
Für dich ausgesucht
Bist du seitdem auf Reisen?
Meine erste Show war im Mai 2015 in Mailand, und abgesehen von ein paar Wochen Aushilfstätigkeit in London bin ich seitdem auf Tour. Die Tourneen von Stomp sind allerdings nicht so anstrengend wie man das vom Band-Alltag kennt. Wir fahren nicht nachts mit dem Nightliner noch in die nächste Stadt, sondern spielen meist mindestens eine Woche im selben Theater. Alles ist gut organisiert, und wir sind bestens betreut. Ich kann sogar meistens was von den Städten sehen und lerne dadurch ein bisschen die Welt kennen. Auf unserer Tour sind Orte dabei, für die ich durchaus gerne Geld bezahlen würde, um hinzukommen. Hamburg, Stuttgart, Reykjavik, Mumbai, Paris, Peking, Sidney, Prag und viele mehr. Dieses Jahr steht zum Beispiel Südafrika auf dem Plan. Ich kann wirklich nicht klagen.
Auf seinen vielen Reisen wird ab und zu selbst ein komplettes Hotelzimmer zu seinem Instrumentarium.
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Mehr InformationenHattet ihr für Stomp auch Schauspielunterricht?
Bei Stomp heißt es immer: „Music first“. Die Rollen auf der Bühne sind sehr unterschiedlich und haben verschiedene Schwerpunkte. In meiner ersten Rolle war ich ein ernster Typ, der schauspielerisch nicht groß in Erscheinung tritt, dafür aber musikalisch viel Verantwortung hat. Andere Rollen sind musikalisch einfacher zu bewältigen, haben aber viel mehr schauspielerische Verantwortung. Die Show ist so clever konzipiert, dass auf der Bühne ganz unterschiedliche Charaktere vereint werden. Einige meiner Kollegen haben einen ausgeprägten Tanz-Background, andere sind geniale Schauspieler. Darin liegt für mich ein Erfolgsgeheimnis der Show: Acht ungeschliffene Individuen werden zu einer Gruppe Stomper, ohne ihre Eigenheiten ablegen zu müssen.
Ist die Show mit Clicktracks und Timecodes festgelegt, oder könnt ihr als Ensemble frei agieren?
Im Internet kursieren Gerüchte, dass bei Stomp alles zu Click- und Backingtracks läuft und wir an jedem Körperteil Mikrofone haben. Das stimmt nicht. Die Mikrofone stehen teilweise vor der Bühne und sind im ganzen Bühnenaufbau versteckt. Das sind locker 30 Stück, aber es gibt keine Backingtracks, keinen Click und keinen Timecode. Alles, was man hört, wird von uns jeden Abend auf der Bühne erschaffen. Die Show ist auch nicht hundertprozentig durchkomponiert. Es gibt viele Teile, die uns Raum für Improvisation lassen. Teilweise sind nur die Form und der grundsätzliche Charakter eines Stückes festgelegt, auch viele Soli sind improvisiert oder Eigenkompositionen der Performer. Dasselbe gilt auch für die Interaktion mit dem Publikum und zwischen uns Stompern. Wir haben große Freiräume, und so wird es uns nie langweilig.
Gibt es auf Tour trotzdem einen Regisseur oder musikalischen Leiter, der die Show betreut? Sonst könnte ein Ensemble ja dramaturgisch zu weit gehen und die Show abwandeln.
Es gibt da verschiedene Ebenen der Kontrolle, wenn man das so nennen will. Unsere Chefs, die zusammen die Show geschrieben haben und alle Stomp-Performer auswählen, kommen immer mal unangekündigt zu Vorstellungen und geben anschließend ausführlich Feedback. Außerdem gibt es noch weitere Stomper aus der Originalbesetzung, die gelegentlich auftauchen und sich mit uns austauschen. Vor jeder Show gibt es eine Probe, wir reflektieren laufend unsere Auftritte und arbeiten an allen kleinen und großen Elementen der Show.
Wie viele Shows spielst du pro Jahr?
Dieses Jahr waren wir über 30 Wochen auf Tour. Pro Woche spiele ich mindestens vier oder fünf mal, also hatte ich 2018 mindestens 120 Stomp-Shows.
Welches Equipment benutzt ihr bei Stomp? Sind das alles ausschließlich Gebrauchsgegenstände oder auch normale Instrumente?
Unser einziges typisches Schlagzeug-Equipment sind Drumsticks. Ansonsten benutzen wir ausschließlich ausgewählte Alltagsgegenstände wie Besen, Basketbälle, Spülbecken oder Streichholzschachteln. Die gehen auch ständig kaputt. In gut 25 Jahren Stomp wurden über 30000 Besen zerbrochen. Mittlerweile sehe ich Besen oder Basketbälle wirklich als reizvolle Musikinstrumente.
Selbst die Streichholzschachteln werden bei Dominik zum Instrument für ein gesamtes Quartett:
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Mehr InformationenSehnst du dich zwischen den langen Tourneen auch nach neuen Herausforderungen?
Der Spaß überwiegt nach wie vor, und bei Stomp ist jede Show eine Herausforderung. Immer wenn es wieder auf Tour geht und ich am Flughafen sitze, freue ich mich auf die Shows und darauf, meine Stomp-Freunde zu treffen. Natürlich wird es nach vielen Wochen Tour zwischendurch teilweise anstrengend, besonders wenn man sich mit Verletzungen herumschlagen muss. Wenn meine Motivation einmal ausnahmsweise nicht bei 100 Prozent ist, setze ich mich einfach zum Einlass ins Foyer und beobachte die Menschen, die gespannt und voller Vorfreude in den Saal gehen. Das funktioniert immer als Extraportion Motivation.
Hast du zu Stomp noch Nebenprojekte, oder bleibt dafür gar keine Zeit?
Als ich bei Stomp angefangen habe, hatte ich noch meine Band Dexico und habe zusätzlich immer wieder in verschiedenen Bands und Orchestern als Aushilfe gespielt, aber das war terminlich eigentlich nicht zu bewältigen. Stomp ist momentan meine berufliche Priorität Nummer eins, deshalb mache ich nebenher nur Sachen, die ich selbst planen kann. In meiner Heimat läuft zum Beispiel seit einiger Zeit mein Grundschulprojekt „Rhythmus Revier“, ich unterrichte ein paar erwachsene, fortgeschrittene Schüler, die nicht wöchentlichen Input brauchen, arbeite an verschiedenen Schlagzeug-Lehrbüchern und leite Workshops.
Hast du Zukunftspläne?
Momentan fühle ich mich bei Stomp sehr wohl und möchte gerne noch ein paar Jahre dabei bleiben und durch die Welt touren. Wenn aber der Zeitpunkt für eine Familiengründung gekommen ist, möchte ich nicht mehr 30 Wochen im Jahr von zuhause weg sein. Nach Stomp werde ich daran arbeiten, eines Tages auch als Drummer mit einer Band auf großen Bühnen zu spielen. Am liebsten mit meiner eigenen Musik und wahrscheinlich in einem ganz abgedrehten Format, als Show mit einem Konzept, dass es vorher so noch nicht gegeben hat. Und Unterricht, Komposition und die Konzeption von Lehrmethoden wird immer eine Leidenschaft von mir bleiben.
Vielen Dank für’s Gespräch!
Dominik auf Facebook: https://www.facebook.com/dom.schad
Dominik auf Instagram: https://www.instagram.com/dominikschad