Josh Freese gehört zu den wenigen Drummern, die von sich behaupten können, dass sie mit den Weltstars völlig unterschiedlicher Genres – sei es Rock, Pop, Metal, Punk oder Jazz – zusammengearbeitet haben. Dennoch würde der sympathische Mittvierziger das nie an die große Glocke hängen. Die URL seiner Website führt ins Nirgendwo, sein Instagram ist voll mit allerlei skurrilen Bildern seiner Familie oder seinen Hunden, aber sicher keinem Gepose am Drumset. Er lässt lieber seine Musikalität für sich sprechen. Am besten bekannt ist er für seinen knallharten Groove am Drumset für Bands wie “A Perfect Circle” oder “Nine Inch Nails”. Daneben hat er sich in seiner mittlerweile über vier Jahrzehnte dauernden Karriere als legendärer Studiodrummer einen Namen gemacht. Seine weit über 500 Recording Credits beinhalten Bands und Künstler wie Chris Cornell, Lenny Kravitz, Lana del Rey, Katy Perry, Michael Bublé, Paramore, Sublime with Rome und 2000er Acts wie Evanescence oder Avril Lavigne. In den späten Neunzigerjahren war er sogar festes Mitglied von Guns ‘N Roses und schrieb gemeinsam mit Axl Rose den Titelsong des Albums „Chinese Democracy“.
Seit einiger Zeit ist er nun mit Sting unterwegs und kann in dessen Liveshow die ganze stilistische Bandbreite seines Könnens eindrucksvoll unter Beweis stellen. Wie ein Chamäleon bewegt er sich durch verschiedenste Genres, umspielt filigran die teilweise komplexen Kompostionen des britischen Sängers und unterstreicht schließlich unnachahmlich sein Standing als einer der besten Rockdrummer der Welt mit energetischen Grooves, die einem die Kinnlade wie von Geisterhand öffnen. Jeder Schlag ist ein Statement. So geschehen auch beim Soundcheck in der Berliner Mercedes-Benz-Arena, in der wir Josh zum lockeren Gespräch trafen.
Wie lange bist du jetzt schon mit Sting unterwegs?
Wir waren letztes Jahr über den gesamten Sommer in Europa und haben verschiedene Konzerte gespielt. Dann hatten wir eine kurze Pause und sind nun wieder da. Es fühlt sich mittlerweile echt so an, als wären wir seit Jahren nur in Europa unterwegs. (lacht) Sting spielt einfach immer. Der Typ arbeitet sich echt den Arsch ab. Ich bin 2005 zur Sting-Produktion gekommen, habe es damals schon sehr genossen und freue mich, dass ich jetzt schon seit einiger Zeit wieder dabei sein kann. In der Zwischenzeit hatte ich eine wahnsinnig tolle Zeit mit Nine Inch Nails, und Sting war wieder mit Vinnie unterwegs.
Sting hat ein sehr umfassendes musikalisches Werk. Inwieweit orientierst du dich an Stewart Copeland oder Vinnie Colaiuta, wenn du auf der Bühne bist?
Die Einflüsse von Stewart und Vinnie auf mein Spiel bestanden schon weit vor meiner Zeit mit Sting. Die beiden gehören definitiv zu meinen Lieblingsdrummern. Ich habe aber vor langer Zeit den Versuch aufgeben, so zu spielen wie sie. Das funktioniert einfach nicht. Noch dazu sind die beiden ja sehr unterschiedliche Drummer. Ich denke aber, dass ich einige Sachen, die heute mein Spiel ausmachen, von ihnen habe. Es gibt aber sicher auch Sachen, die man gar nicht so spielen kann wie die beiden, weil sie einfach eine andere Persönlichkeit haben. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich verstanden, dass es wirklich wichtig ist, dass man nach sich selbst klingt. Das klingt sehr klischeebehaftet, es ist aber einfach so. Niemand wird dich buchen, weil du so klingst wie ein anderer.
Wünscht sich Sting gelegentlich, dass du spezielle Drumpatterns von den beiden übernimmst?
Er fördert eigentlich jeden Musiker eher dabei, sich selbst treu zu bleiben. Er hat die Band individuell zusammengestellt, damit sie facettenreich klingt. Nachdem ich schon mal bei ihm gespielt habe und er mich jetzt wieder gefragt hat, muss ich wohl irgendwas richtig machen. Frag mich aber bloß nicht was. (lacht)
Spielt ihr live zu Backingtracks oder zum Click?
Eigentlich nicht. Es gibt bei ein paar Songs ein bisschen Percussion und Sounddesign, um den Sound abzurunden, aber ansonsten nichts. Seit den Police-Reunion Shows 2007 hat Sting live mit Click gespielt. Damals ging es darum, dass sich Stewart Copeland und er auf ein Starttempo einigen mussten und der Click eine Zeit lang mitlief, damit sie zumindest in einem gemäßigten Tempo anfangen konnten. (lacht) Mittlerweile läuft der Click also häufiger mit, damit wir die Songs im richtigen Tempo spielen und direkt im Feel des Songs sind.
Du bist Vater von vier Kindern. Wie wirkt sich eine so lange Tour auf das Familienleben aus?
Das ist echt nicht einfach. Es gibt Zeiten, in denen es ganz gut funktioniert, und manchmal ist es wirklich eine Aufgabe. So fühlt es sich leider gerade an. In ein paar Tagen fliegen alle zurück nach New York, und ich fliege dann ganz schnell nach LA, um kurz meine Familie zu umarmen und einfach da zu sein, bevor es dann zwei Tage später in Texas weitergeht. Ein paar Tage später treffen wir uns dann alle in New York wieder. Wenn wir in Amerika auf Tour sind, ist das natürlich einfacher, sich mal eben zu wiederzusehen, als wenn ich in Europa oder Asien unterwegs bin. Danach bin ich dann endlich länger zuhause.
Bleibst du dann bei der Familie und sagst andere Anfragen ab?
Ich plane immer so lange es geht zuhause zu bleiben, aber häufig kommen dann hier und da doch noch Sachen rein, die ich spielen möchte oder sollte. Als ich jünger war, habe ich alles angenommen. Ich wollte einfach nur Musik machen, nur arbeiten und bloß keine Freizeit haben. Mit vier Kindern sieht das natürlich anders aus. Ich bin zwar immer noch ziemlich busy, aber ich achte mittlerweile sehr darauf, wem ich zusage und nehme nicht mehr sofort alles an. Ich komme also nicht nach Hause und suche nach Arbeit, versuche nicht, drei verschiedene Sessions zu spielen und mich in der Zwischenzeit noch auf einen Gig vorzubereiten. Nachdem ich so lange als Freelancer im Studio und auf Tour unterwegs war, findet einen die Arbeit zwar dann trotzdem immer, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich ein bisschen mehr entspannen kann.
Spielst du neben Sting noch in anderen Livebands?
Ja, aber das sind immer nur kleinere Einzeldates in und um Los Angeles und keine regelmäßigen Tourneen. Ich spiele immer gerne mit „The Vandals“ und Devo, mit denen ich seit Jahrzehnten befreundet bin. Ansonsten beschränkt sich die Arbeit mit anderen Künstlern ausschließlich auf das Studio.
Du hast in der Vergangenheit unglaublich viel im Studio aufgenommen. Spielst du in LA weiterhin so viele Sessions?
Ich mache das nach wie vor sehr gerne, aber es sind bei weitem nicht mehr so viele Sessions wie früher. Die Budgets sind entweder geschrumpft oder ganz verschwunden. Es werden heute auch definitiv nicht mehr so viele Alben im Produktionsstil von früher gemacht. Die Art der Studioarbeit hat sich heute auch geändert. Ich habe neulich an einem Album eines namhaften Künstlers mitgearbeitet, habe nach der Studiogage gefragt, die ich früher genommen habe und war fast erschrocken, dass das einfach so durchgewunken wurde. Ich hatte Produktionen mit großen Künstlern, die in den letzten Jahren um Rabatt oder Paket-Deals gebeten haben. Das ist natürlich irgendwie schockierend. Das einzig Gute an der aktuellen Situation ist, dass nicht mehr scheinbar wahllos Künstler Deals mit großen Budgets bekommen. Es gab eine Zeit, in der ständig nach der neuen Avril Lavigne, den neuen Nickelback oder Creed gesucht wurde. Damals wurden mir Sessions mit so hoher Gage angeboten, dass ich sie einfach spielen musste. Das war natürlich einerseits toll, in einem großen Studio so gut Geld zu verdienen, andererseits bin ich aber abends oft nach Hause gefahren und habe mir gedacht: „Ich hasse Musik.“ Es hat sich nicht gut angefühlt, sich damals des Geldes wegen so regelrecht zu prostituieren. Heute finden Sessions in der Größenordnung nur noch mit qualitativ hochwertiger Musik und etablierten Künstlern statt. Die Quantität ist heute also geringer, aber die Qualität höher. Nichtsdestotrotz finden natürlich weiterhin unzählige Produktionen in Homestudios statt. Es ist schon ein bisschen schade, dass ich ausgerechnet in der Zeit, in der ich vier Kinder großziehe, mehr auf Tour sein muss und ich vor meinem Familienleben mit großzügigem Einkommen das ganze Jahr in LA sein konnte, weil mein Kalender voll mit Studiosessions war.
Für dich ausgesucht
Ich habe dich beim Soundcheck spielen sehen und mich gefragt, ob du auf der Bühne lauter als im Studio spielst. Ist das so?
Nicht wirklich. Es gibt in Stings Show einen großen dynamischen Spielraum, weshalb ich von ganz leise bis sehr laut eigentlich alles spiele. Das hängt natürlich ganz vom Künstler ab. Das ist auch im Studio so. Je älter ich werde, desto weniger habe ich aber das Gefühl, unbedingt an Grenzen gehen und alles aus den Drums rausprügeln zu müssen. Heute lasse ich es nur noch so aussehen (lacht).
Was steht für dich in nächster Zeit neben der Arbeit mit Sting an?
Aktuell weiß ich das im Detail noch gar nicht. Vieles, vor allem die Studioarbeit, ergibt sich kurzfristig. Momentan bin ich mit Sting so involviert, dass ich für zeitintensive Projekte gerade noch nicht verfügbar bin. Ich mache mir aber auch nicht mehr so große Sorgen um die Zukunft, weil ich über die Jahre auch Geld zurückgelegt habe. Die Vergangenheit hat mir gezeigt, dass Anrufe für große Projekte oder längerfristige Engagements aus dem Blauen einfach so passieren. Als mich mein damaliger Manager wegen Sting oder Nine Inch Nails anrief, kam das völlig unerwartet. Es kann aber auch durchaus sein, dass ein oder zwei Jahre einfach gar nichts Großes passiert. Dazwischen kommen aber viele kleine aufregende Sachen, und das ist gut so. Es wird aber für mich im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich live in Amerika weiter gehen. Ich habe gerade eine sehr konkrete Anfrage bekommen, leider kann ich den Künstler aber gerade noch nicht verraten.
Hast du bestimmte Genres, die du in der Zukunft gerne häufiger spielen würdest?
Ich würde gerne mehr leichtere, leisere Musik spielen. Ein guter Freund meinte neulich zu mir: „Stopf mal auf Tour nicht so viele Süßigkeiten in dich rein. Ich will dich noch als alter Sack Jazz spielen sehen.“ (lacht) Das klingt nach dem typischen Klischee, aber ich habe da echt Lust drauf. Ich muss jetzt langsam mal mit ein paar Leuten anfangen, damit ich besser werde und Spaß daran habe. Wahrscheinlich wird das spielerisch meine neue Aufgabe in den nächsten Jahren.
Vielen Dank für’s Gespräch!
- Drums: DW Collector’s Series Maple Drums in Silver Abalone
- Bassdrum: 22“x16“
- Toms: 10“x8“, 12“x9“, 16“x14“, 18“x16“
- Snare: 14“x6,5“ Copper over Steel Snare
- Timbales: LP Matador Chrome
- Becken: Paiste
- 14“ Signature Hi-Hat
- 16“ Signature Crash
- 17“ Signature Crash
- 18“ Signature Crash
- 8“ Signature Splash
- 10“ Signature Splash
- 22″ Dark Ride Twenty Masters
- 16“ PST X Swiss Thin Crash
- Felle: Remo
- Sticks: Vater Josh Freese Signature Stick