Selten sieht man Drummer, die sich scheinbar mühelos zwischen Genres bewegen können und dabei die Musik mit ihrem Spiel bereichern, ohne unauthentisch zu erscheinen. Matthias “Maze” Meusel hat die Fähigkeit eines solchen musikalischen Chamäleons und offeriert eine musikalische Bandbreite zwischen Jazz, Soul, Funk, Pop, Electro, Rock, Hip Hop und allem, was dazwischen liegt. Auf seinem bisherigen Weg vertrauten namhafte Jazzkünstler wie Roger Cicero oder Till Brönner, aber auch HipHop-Acts wie Afrob oder Samy Deluxe, Liedermacher Konstantin Wecker und viele nationale und internationale Popstars auf seine Kreativität und spielerische Eleganz.
Seinen musikalischen Facettenreichtum und die damit einhergehenden technischen Fähigkeiten nutzt Maze so geschmackvoll, dass jeder Schlag wie ein musikalisches Statement wirkt und eben auch jeder Schlag, den er nicht spielt. So beschränkt sich “viel spielen” bei Maze eher auf den Terminkalender, denn sein absolut songdienliches Spiel kommt auch mit wenigen Noten aus. Wir sprachen mit ihm am Rande eines Konzerts in der Berliner Mercedes-Benz-Arena über Vergangenes und Zukünftiges und was ihm als Musiker besonders wichtig ist.
Hinweis der Redaktion: Das Interview mit Maze Meusel wurde Anfang des Jahres vor dem Lockdown geführt.
Hallo Maze! Du bist einer der umtriebigsten Drummer Deutschlands. Viele kennen dich von deiner langjährigen Zusammenarbeit mit Roger Cicero. Wie ist das damals entstanden?
Roger hatte zu Anfang einen Steady Gig im „Angie’s Nachtclub“ in Hamburg. Zu der Zeit hatte ich mit Lutz Krajenski, Stefan Adel und Hervé Jeanne ein Jazzquartett und wir haben damals mit Roger als Gast eine Platte gemacht. Irgendwann hatte Lutz die Idee, mal Bigband-Arrangements zu schreiben. Parallel dazu hat Roger damals einen großen Management-Vertrag unterschrieben. Zu Anfang war Roger in der Band weiterhin „nur“ Gastsänger und irgendwann drehte sich das dann. So war ich mit ihm dann insgesamt fast 20 Jahre unterwegs.
Wie bist du mit dem plötzlichen Tod von Roger 2016 umgegangen?
Das kam alles total unerwartet. Es waren noch drei Tage bis zum Start der Tourproben, als Roger starb. Ich war anfangs noch ein bisschen abgelenkt vom eigentlichen Geschehen, weil ich mich um die ganzen organisatorischen Auswirkungen für die Band gekümmert habe. Ich war jahrelang quasi der Klassensprecher und habe mich um alle teilweise auch mal unangenehmen Sachen, wie Verhandlungen, gekümmert. Das fühlt sich natürlich krass an, wenn man in so einem Fall klären muss, was jetzt mit den Ausfällen und Gagen passiert, die die Musiker eigentlich bekommen hätten. Durch den kurzfristigen Ausfall hatte ich dann erstmal mindestens einen Monat gar nichts zu tun. Das hat sich aber auch nicht verkehrt angefühlt. Diese Zeit brauchte ich wirklich, um das alles zu begreifen.
War Roger all die Jahre dein Hauptprojekt?
Ja, schon. Roger hatte eine unausgesprochene Exklusivität. Ich habe nicht jeden Gig dafür abgesagt, aber natürlich wollte ich auch nicht oft fehlen. Jahrelang haben viele Musiker erst nach den Terminen auf Rogers Internetseite geguckt, bevor sie mich angefragt haben, was natürlich eigentlich Quatsch ist. Man kann ja immer irgendwie auch in mehreren Projekten agieren. Ich finde es auch wichtig, dass der Künstler ab und zu mal sieht, wie sich das anfühlt, wenn mal nicht die A-Besetzung dabei ist. Das habe ich aber natürlich nie extra gemacht. Roger zu begleiten war schon echt besonders und wir hatten eine ganz spezielle Verbindung. Nachdem ich mich einen Monat komplett zurückgezogen habe, kamen dann so viele Anfragen, dass es für mich das vollste Jahr bis dato war. Ich war dann wieder viel aktiver im Studio, was ja eigentlich auch während meiner Zeit mit Roger hätte laufen können, und war zusätzlich z.B. auch bei The Voice Kids und Let’s Dance dabei. Parallel dazu liefen dann auch noch verschiedene Orchesterproduktionen. Ich stehe sehr darauf, musikalisch breit gefächert zu arbeiten und auch gefordert zu sein.
Du hast mit „Munique“ deine eigene Band mit hochkarätiger Besetzung gegründet, mit der du auf Events und Galas spielst. Seit wann bist du damit am Start?
Ich habe auf einigen Tourneen die Erfahrung gemacht, dass man eigentlich eh oft Cover spielt und wollte nach dem notgedrungenen Ende der Zusammenarbeit mit Roger Cicero einfach etwas eigenes haben, bei dem ich selber mitentscheide und worauf ich mich verlassen kann.
Die Erfahrung aus so vielen unterschiedlichen Live-Produktionen ist ja sicherlich auch für’s Studio sehr zuträglich.
Ja, total. Bei vielen Live-Shows laufen ja auch Tracks mit, sodass es sich manchmal anfühlt, als würde man in einer Studioproduktion spielen. Das ist ja heute ganz normal. Auch bei den Cover-Gigs meiner Band war es mir wichtig, dass die Songs authentisch klingen, weshalb wir dafür extra Backingtracks produziert haben. Ich sehe das aber wirklich auch als großartige musikalische Möglichkeit. Wenn man ein Arrangement spielen soll, das Justin Timberlake mit 20 Leuten auf der Bühne gemacht hat, bist du ja auf Tracks angewiesen, damit es auch nur im Ansatz so klingt. Also habe ich alle rhythmischen Sachen und Effekte für die Songs gebaut, die Sänger haben Chöre eingesungen und der Keyboarder hat sich um alle tonalen Sachen gekümmert. Das war am Anfang und ist bis heute echt eine Menge Arbeit, aber mir war es wichtig, dass sich das auf der Bühne anfühlt wie ein reguläres Konzert. Häufig fühlt man sich ja als Musiker bei Cover-Gigs unwohl, weil man Songs aus aktuellen Produktionen spielt, diese aber zwangsläufig abspecken muss, weshalb das dann teilweise einfach keinen Spaß mehr macht.
Drehen wir das Rad mal zurück – Hast du damals mit dem Fokus auf Jazzschlagzeug studiert?
Ja, aber ich war wirklich sehr wenig in der Hochschule, muss ich leider zugeben. Deswegen bin ich da auch irgendwann quasi rausgeflogen. Wir haben uns damals an einen Tisch gesetzt und uns geeinigt, dass ich so viele verpasste Kurse und Scheine gar nicht mehr aufholen kann.
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Du hast eine große spielerische Bandbreite und bist sowohl im Jazz, als auch im Rock, Pop, Funk und Soul aktiv. Wie hast du dir so einen Facettenreichtum am Schlagzeug angeeignet?
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, da gab es natürlich keine Musikszene und ich hatte früher auch nicht das Geld, mir immer die aktuellsten Platten zu kaufen, also habe ich jeden Abend eine Stunde Songs aus dem Radio auf meinem Kassettenrecorder aufgenommen. Zu dieser Stunde Musik habe ich dann am nächsten Tag geübt. Außer der Plattensammlung von meinem Vater gab es eigentlich nichts. Ich stehe einfach auf so viel Musik und habe es immer gemocht, dazu zu spielen. Eine klare Time, auch im Jazz, ist mir immer wichtig. Deshalb würde ich mich nicht unbedingt als Allrounder im Jazz bezeichnen. Ich habe zwar gerne auch freie ECM-Platten gehört, aber im Leben nicht so viel wie z.B. das Oscar Peterson Trio. Später hatte ich das Glück, dass ich Musiker um mich herum hatte, die mit mir die Musik gespielt oder Gigs besorgt haben. Funk und Hip Hop kam dann erst relativ spät. Aber das war natürlich wahnsinnig motivierend, als die ersten Konzerte mal so richtig geschwungen haben oder ein Hip-Hop Gig mal so richtig gedrückt hat. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich ein Teil der letzten Generation war, die das noch unbeobachtet machen und sich einfach ausprobieren konnte. Heute wird ja alles dokumentiert und landet sofort im Netz. Vielleicht gehen deshalb viele junge Leute nicht mehr raus und spielen einfach, weil sie auch echt Angst davor haben, dann abgestempelt zu sein. Das verhindert leider auch viel Gutes. Viele junge Musiker verwenden stattdessen wahnsinnig viel Zeit darauf, sich in Videos zu inszenieren, die dann auch fantastisch aussehen und klingen. In einer Unterrichtsstunde merke ich dann aber auch manchmal, dass ich diejenigen eben lieber doch noch nicht als Sub anrufe, weil die Erfahrung im Zusammenspiel mit Musikern noch zu gering ist. Ich sehe das auch als wichtige Aufgabe eines Dozenten an, dem Schüler zu vermitteln, worauf es als professioneller Musiker wirklich ankommt.
Warst du schon zu Schulzeiten Jazz-begeistert?
Ja, ich habe irgendwie immer darauf gestanden, Sachen gut zu finden, die alle anderen total uncool fanden. (lacht) Ich habe ganz früh schon gesagt, dass ich Jazz total geil finde, obwohl ich noch keine einzige Jazzplatte hatte. Irgendwann muss man seinem eigenen Geschwätz mal nachforschen und gucken, ob man das wirklich mag. Dieser Umstand hat wahrscheinlich dazu geführt, dass ich auch heute einen Zugang zu ganz viel Musik finde, die ich vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so mag. Man kann Sachen lieben lernen und trotzdem später ein ehrliches Gefühl dabei haben.
Ich genieße es auch, die Musik weniger aus der Perspektive eines Schlagzeugers zu hören. Früher war Musik, bei der die Drums nicht spannend waren, erstmal grundsätzlich uninteressant. Heute ist das für mich genau das Gegenteil. Ich höre sehr viel Musik ohne Drums, und wenn ich Songs produziere, kommt das Schlagzeug oft erst als letztes Element dazu oder ist oft auch gar nicht dabei. Ich finde es toll, auch mit anderen Elementen Klangwelten zu erzeugen. Ich höre beispielsweise zu jeder Fahrt im Nightliner das Köln Concert von Keith Jarrett. Das konnte ich früher nie zugeben, aber ich höre auch gerne Smooth Jazz und liebe einige der Klischees. Ich finde das einfach alles geil und das überträgt sich auch auf die Bühne. Wenn ein Song nach einem großen Balladenfill verlangt und ich die Sängerin oder den Sänger damit supporten kann, dann mache ich das. Das fühlt sich großartig an.
Fällt es dir manchmal schwer, zwischen den verschiedenen Musikstilen hin- und herzuwechseln? Der Kontrast zwischen großer Arena und einem Jazzclub ist ja schon immens.
Nein. Dadurch, dass die Soundwelt der Musik so unterschiedlich ist und ich natürlich auch mein Setup anpasse, ist die Herangehensweise an die Musik eine völlig andere. Auch die Monitorsituation ändert sich. Ich würde nie ein Jazzkonzert mit In-Ears spielen und dadurch spiele ich automatisch leiser, weil mich beispielsweise laute Becken total nerven. Ich möchte eigentlich die Sängerin hören können, ohne dass sie verstärkt ist.
Du bist viel unterwegs, spielst in diversen Kombos unterschiedlichste Musik – bist du manchmal auch erschöpft und hast mal keine Lust auf Musik?
Ja, natürlich muss man auch mal durchatmen und sich regenerieren. Aber ich muss sagen, dass ich, seit ich sechs Jahre alt bin, genau das machen wollte, was ich heute machen darf. Und da überwiegt die Dankbarkeit und auch die Demut, deshalb kann ich mich gar nicht beklagen. Dass ich mit so einem bisschen Getrommel die Familie ernähren kann und nach Hause kommen kann und die Kinder im Garten spielen sehe, ist doch unfassbar.
Hast du Zukunftspläne?
Ich möchte auf jeden Fall noch mindestens zehn Jahre touren. Das macht mir einfach immer noch zu viel Spaß. Vielleicht habe ich nicht mehr ganz so viel Lust zu reisen wie vor 20 Jahren, aber ich bin gerne mit Musikern unterwegs und liebe die unterschiedlichen Musikrichtungen. Seit letztem Jahr habe ich auch als Lehrbeauftragter für Rock-Pop Drums an der Hochschule in Osnabrück eine neue Herausforderung. Eigentlich wollte ich sowas erst ab 50 machen, um mit der nötigen Selbstsicherheit und Erfahrung da reinzugehen, aber nachdem mich ein befreundeter Bassist ermutigt hat, habe ich mich da beworben. Das war das erste Mal, dass ich eine Bewerbung geschrieben habe. Ich habe mir ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen gemacht, auch weil ich mein Studium damals nicht beendet habe und deshalb keinen Schein habe. Ich habe aber schon in der Vergangenheit einige Workshops an Hochschulen gemacht und auch als externer Dozent gearbeitet. Das hat mir Spaß gemacht. Vor allem die mentale Arbeit finde ich sehr wichtig. Ich denke, dass es bei Studenten nicht unbedingt um Paraddidles geht, sondern eher um Konzepte für das Musikerleben in der Gesamtheit; dazu gehört natürlich auch, wo man die ganzen Licks vielleicht mal nicht abfeuern sollte, damit man musikalisch trommelt.
Vielen Dank für’s Gespräch!
- Drums: Tama Drums (Starclassic Maple)
- Bassdrum: 22“x16“
- Toms: 12“x7“, 16“x14“, 16“x16“
- Snare: 14“x5,5“ Starphonic Steel
- Hardware: Tama
- Felle: Evans, Emad Coated White (Bassdrum) ST Dry (Snare), EC2 Clear (Toms)
- Becken: Meinl
- 14“ Byzance Traditional Thin, 21“ Byzance Traditional Medium, 17“ Byzance Traditional Thin, 22“ Byzance Vintage Series
- Sticks: Meinl Drumsticks, Mallets & Brushes
- Electronics:
- Roland Electronics
- Cases:
- Ahead Amor Cases