Wer das selbsternannte “mobile Reggae-Sondereinsatzkommando” Seeed schon einmal live erlebt hat, wurde unvermeidlich vom pulsierenden Groove mitgerissen. Die zehnköpfige Band hat in den vergangenen 20 Jahren fünf Alben mit ihrem ganz eigenen Sound veröffentlicht und eroberte mit ihren fulminanten Live-Shows erst Berlin, dann den Rest der Republik, Europa und sogar Südamerika.
Rhythmisch wird die Band von Sebastian Krajewski, besser bekannt als “Based”, angetrieben. Er ist live und im Studio maßgeblich für den druckvollen Sound verantwortlich und sorgt dafür, dass der Schweiß von der Decke tropft und Handtücher und Klamotten wild über den Köpfen der Fans propellern. Wir trafen Based im Berliner Studio der Band und sprachen mit ihm über die Bandentstehung und seinen eigenen Werdegang, die Produktion der aktuellen Platte und wie er live seinen druckvollen Sound erzeugt.
Hallo Based, schön dass du dir Zeit nimmst. Wo sind wir hier?
Wir sind hier in unserem Berliner Studio. Hier arbeiten verschiedene Mitglieder von Seeed in unterschiedlichen Räumen zwischen anderen Studios und schrauben an neuem Material. Viele Sachen von der aktuellen Platte sind hier entstanden und dann im Studio des Produzententeams „The Krauts“ weiter ausgearbeitet worden.
Habt ihr hier auch Drums für die Produktion aufgenommen?
Ja, obwohl am Schluss wirklich wenig Live-Drums übrig geblieben sind. Ein Drumpart ist tatsächlich auch nur mit einem Telefon aufgenommen worden. (lacht) Das sollte ein bisschen komisch klingen, und mit ein paar Effekten und Verzerrern drauf war es genau das richtige Signal.
Bist du bei der Produktion in die ganze Beat-Ästhetik mit involviert oder siehst du dich eher als Bandmitglied und Live-Musiker?
Bei dieser Platte habe ich ziemlich viel mitgearbeitet. Gemeinsam mit Jérôme und Tobsen, dem Posaunisten und Bassisten von Seeed, habe ich viele Beats gebaut. Das macht mir total Spaß. Ich bin zwar eigentlich technisch sehr unbegabt, aber ich liebe programmierte Tanzmusik und kann mich da richtig vertiefen. Ich mag die Ästhetik und muss dann nicht zwangsläufig dazu Live-Drums spielen. Der konkrete Club-Sound wird durch Live-Drums häufig eher verwässert. Ich spiele dann eher am Ende über Beats eine Live-Hi-Hat ein, weil man die oft nicht gut programmieren kann. Aber die Grundästhetik von Programmings gefällt mir schon sehr.
Wie funktioniert bei euch das Songwriting in der Regel?
Bei uns entstehen Songs meistens aus einem Beat-Layout, also einem Instrumental, zu dem die Sänger dann im besten Falle was finden. Die Layouts entstehen meistens aus einem Sample, zu dem dann ein Beat entsteht. Ich fange selten mit Kick und Snare an, weil das nicht so zielführend ist. Ein Sample oder eine Akkordfolge und deren Stimmung gibt ja dann eher die Inspiration zu den Sounds für die Beat-Produktion.
Spielst du neben Drums noch andere Instrumente?
Nein, nicht wirklich. Natürlich bastel ich während der Produktion auch an Basslines oder Synth-Flächen mit herum, aber so richtige Fähigkeiten an einem anderen Instrument habe ich leider nicht. Das ist aber auch manchmal ganz gut, weil ich natürlich sehr unvoreingenommen an die Töne und Harmonien eines neuen Song gehen kann, quasi unschuldig wie ein Kind. Dass dann bei zwei Songs auf der Platte die Akkorde und die Keyboardsounds von mir aber tatsächlich überlebt haben, freut mich auch ein bisschen, wie einen Schuljungen.
Wer entscheidet bei Seeed, wann ein Song fertig ist?
An sich lösen wir alles basisdemokratisch, aber es gibt schon Meinungen, die unterschiedlich schwer wiegen, ohne dass es dabei böses Blut gibt. Die Meinung von Pierre, wann ein Song fertig ist, ist sicherlich am wichtigsten, aber auch wenn eigentlich alle zufrieden sind und mir der Beat noch nicht gefällt, gehen wir nochmal an den Song ran. Pierre ist schon immer so eine Art Chef der Band, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte. Das hat sich über die Jahre einfach ergeben, weil er auch den dementsprechenden Output hat und Respekt innerhalb der Band genießt.
Bist du neben Seeed noch in anderen Projekten aktiv?
Außer bei Seeed spiele ich eigentlich nur in kleinen Combos mit befreundeten Musikern in Berliner Bars oder Clubs. Ich habe eine große Familie und mittlerweile vier Kinder, die natürlich auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich würde wahrscheinlich mehr machen, wenn ich keine Familie hätte, aber so ist es ziemlich komfortabel, weil wir mit Seeed nicht so wahnsinnig viel unterwegs sind und ich eigentlich nur während Tour und Festival-Sommer nicht abends nach Hause komme. Die Produktionszeit findet ja auch eigentlich immer in Berlin statt. Wir haben nur in der Anfangszeit der Produktion der neuen Platte zweimal Songwriting in der Nähe von Osnabrück in der Fattoria Musica gemacht. Da waren wir am Stück alle dort und haben wahnsinnig viel geschafft.
Drehen wir das Rad mal zurück – wie kamst du zur Musik?
Meine Eltern sind schuld, sie haben das Musikmachen schon früh gefördert. Mein Bruder hat mit Klavier angefangen und ich mit sechs mit Trompete. Wir haben dann erst klassische Musik gespielt, und ich war mit meinen Geschwistern im klassischen Posaunenchor. Ich habe dann irgendwann meine Eltern genervt, dass ich Schlagzeug spielen wollte. Schon mit sechs Jahren habe ich den Drummer in einer Dixieland-Band beim Gemeindefest bewundert und das zuhause auf Pappkartons versucht nachzuspielen. Bei der musikalischen Früherziehung meinte wohl der Lehrer damals schon, dass ich Schlagzeug spielen sollte. Meine Mutter hat mich dann aber erstmal mit einem Waldhorn ausgestattet. Glücklicherweise war der Horn-Lehrer eine Katastrophe, und so kam ich in den Posaunenchor. Als ich elf oder zwölf Jahre alt war, hatte mein Bruder einen Klavierlehrer, der Jazzpianist und auch Drummer war. Ich durfte bei ihm dann Schlagzeug lernen, und er hat parallel dazu immer Klavier gespielt. Dadurch hatte ich natürlich mega Spaß und konnte direkt richtig Musik machen. Ich hatte dann erstmal nur ein Übungspad für zuhause und habe erst anderthalb Jahre später ein Schlagzeug bekommen, das ich dann im Keller zum Üben aufbauen konnte. Zu der Zeit hatte mein Bruder dann schon seine ersten Schülerbands. Unsere Eltern haben uns dabei immer sehr unterstützt und zu Gigs gefahren. Aus dieser Zeit in Berlin Zehlendorf Süd kenne ich eigentlich auch die meisten Mitglieder von Seeed. Meine ersten Jamsessions waren mit Rudy, unserem heutigen Gitarristen, und Tobi, unser Bassist, ist der vier Jahre jüngere Bruder von Rudys Drummer aus der Zeit. So haben wir natürlich wahnsinnig viel Musik gemacht, und irgendwann war mir dann klar, dass ich das eigentlich immer machen will. Ich habe früher während meiner Kindheit richtig viel gemalt, aber irgendwann war die Musik einfach stärker.
War für dich ein Musikstudium eine Option?
Nicht wirklich. Ich habe im Jahr, in dem ich Abitur gemacht habe, den Popkurs in Hamburg gemacht. Mein Bruder war zwei Jahre früher da gewesen, hat dort gute Bekanntschaften gemacht und auch direkt eine Band gegründet. Ich wollte eigentlich mit 17 schon hin, wurde aber bei der ersten Aufnahmeprüfung abgelehnt. Ein Jahr später bin ich dann mit Tobi, dem späteren Seeed-Bassisten, zusammen hingegangen. Das war für uns natürlich super, weil wir auch im Zusammenspiel mit verschiedensten Musikern aus Deutschland uns selbst besser kennengelernt haben. Man hat gemerkt, welche Stärken und Schwächen man hat und konnte sich einfacher positionieren. Mein damaliger Lehrer war sehr amerikanisch geprägt und hat mir ein Studium in Berklee nahegelegt, was ich aber nicht gemacht habe. Auch ein Jazz-Studium in Berlin kam für mich nicht so richtig in Frage. Ich habe aber zu der Zeit ganz viel mit Musikern von der Hochschule gespielt und so auch viel gelernt.
Für dich ausgesucht
Wie ging es dann für dich weiter?
Für mich war einfach klar, dass ich Musik machen wollte. Damals war das in Berlin aber auch wirklich noch einfacher. Da musstest du einmal in der Woche auf dem Bau arbeiten und hattest die niedrigen Fixkosten für eine Wohnung mit Ofenheizung wieder drin. Das ist heute natürlich völlig utopisch. Damals konntest du einfach zuhause ausziehen und irgendwie dein Ding machen. Deshalb sind ja auch so viele Kunstschaffende nach Berlin gekommen. Ich hatte damals aber auch eine Rockband, die relativ schnell einen Deal bekommen hat und mit der wir auch in England gespielt haben.
Nicht von Beginn an. Als meine Geschwister angefangen haben, Bob Marley zu hören, hat mich die „Softie-Mucke“ genervt. Ich habe damals noch viel AC/DC gehört und dazu getrommelt. Jimi Hendrix und Deep Purple fand ich auch mega, bis ich dann James Brown entdeckt habe. Da war ich total geflasht. Mit 19 war ich mit Kumpels in Frankreich. Dort haben uns ein paar Typen beim Trampen mit zu einem Reggae-Festival genommen. Da hat Israel Vibration, eine uralte Roots Band, gespielt. Dort habe ich zum ersten Mal wirklich gecheckt, was Bass und Drums im Reggae machen. Das hat mich umgehauen. Die Idee, dann Seeed zu gründen, kam von meinem Bruder. Das Konzept war, eine große Band zu gründen und Reggae und Dancehall zu spielen. Er jobbte damals im Plattenladen und war viel im Berliner Reggae-Club Yaam unterwegs. Ich musste mich anfangs noch ziemlich an den programmierten Dancehall-Sound gewöhnen. Und Rudy, unserer Gitarrist, hatte anfangs nur Bock auf die Leute und kam eigentlich aus dem Rock. „Off-Beats? Mach ich euch.“ (lacht) Die Band war also ein zusammengewürfelter Haufen von recht versierten Musikern, die sich dann auf Reggae und Dancehall eingeschossen haben.
Impressionen der aktuellen Live-Show von Seeed.
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Mehr InformationenReggae und Dancehall sind im Drumming ja auch ein sehr spezieller Style und ein besonderes Feel. Musstest du dich auch sehr umgewöhnen?
Eigentlich war es keine spürbare Umgewöhnung. Ich habe ja immer Musik gehört und dazu gespielt. So war es auch bei Reggae. Ich habe auf jeden Fall inzwischen gelernt, dass ich gar nicht so laut spielen muss, damit es gut klingt.
Das heißt, du spielst auch auf den riesengroßen Bühnen, auf denen ihr unterwegs seid, nicht besonders laut? Songs wie Molotov klingen ja schon auf Platte richtig brachial.
Das ist ein gutes Beispiel für einen Song, der geprügelt einfach nicht gut klingt. Der Song kann ganz schnell nach Punkrock klingen, und dann geht das eigentliche Feel des Grooves verloren. Das Ganze basierte damals eher auf dem Feel von Fats Dominos Songs „I’m Walkin’“ oder „I’m Ready“. Den Groove habe ich bestimmt fünf Mal eingespielt und noch ewig editiert. Am liebsten hätte ich den Song auch erst eine ganze Tour lang gespielt und dann aufgenommen. Ich spiele die Snare live im Vergleich relativ leise, sie ist mit Claps gelayert, und auch unser Tonmann mischt es so, dass der Groove eher luftig klingt als nach einem Rock-Brett. Grundsätzlich bin ich aber schon ein eher körperlicher Drummer, der auch reinlangen kann und will. Wir alle haben aber auch mittlerweile gemerkt, dass es wichtig ist, Songs nicht so zu „überpowern“, also nicht zu schnell und nicht zu laut zu spielen.
Spielt ihr die Songs deshalb auch live mit Klick?
Das hängt vom Song ab. Wir versuchen, möglichst viel ohne Klick zu spielen, gerade bei den Reggae-Songs, damit die Lebendigkeit nicht darunter leidet. Zum Glück können wir mit einer so großen Band auch relativ einfach viel live umsetzen.
Layerst du viele Drumsounds mit Triggern?
Ich habe eigentlich schon immer Kick und Snare für spezielle Sounds mit Triggern versehen, die sich dann mit dem akustischen Signal mischen lassen. Früher bestand mein Setup immer am liebsten nur aus Kick, Snare und Hi-Hat, später habe ich dann spezielle Tomsounds auf Pads gelegt und erst dann ab der dritten oder vierten Platte zwei und jetzt sogar drei Toms ans Set gehangen. Für diese Tour habe ich die Toms mit Roots EQ gedämpft, um einen spezielleren Sound zu bekommen. Mein Backliner Tammo hat mir den Tipp gegeben. Die sind wirklich total geil. Sie sind entspannt zu händeln, klingen eigentlich wie ein T-Shirt auf dem Tom, aber man muss sie nicht kleben oder festklammern. Der positive Nebeneffekt ist, dass die Tomfelle auch nach der Tour wie neu aussehen, weil sie komplett von Stoff bedeckt sind. Wir haben früher im Studio die Toms extrem mit Tape gedämpft und teilweise auch die Resonanzfelle abgenommen, aber mit den Roots EQ Dämpfern und dicken Fellen – ich benutze gerade Powerstroke 4 auf der Schlag- und Powerstroke 3 coated auf der Resonanzseite – klingen die Toms richtig tief und dick. Das hat total Spaß gemacht!
Vielen Dank für’s Gespräch!
Baseds Equipment:
- Drums: Sonor SQ1 (Custom-Folie von Schlagzeugbetreuung Pommerenke)
- Bassdrum: 22“x17“
- Toms: 12“ x 8“ Tom, 14“ x 13“ Floortom, 16“ x 15“ Floortom
- Snares: 14“ x 5“ Ludwig Supraphonic, 10“ x 5“ Sonor Select Force
- Becken: Meinl Byzance Cymbals
- 15“ HH Foundry Reserve Top, Extra Dry Top (als Bottom)
- 18“ Foundry Reserve Crash
- 21“ Medium Crash
- 18“ Jazz Extra Thin Crash
- 10“ Hi-Hat
- Felle: Remo
- Snare: Ambassador
- Toms und Bassdrum: Powerstroke 4 coated (Top), Powerstroke 3 Coated (Reso)
- Electronics: Roland SPDS-X, Roland PD-8 Pad, ddrum Trigger,
- Dämpfer:
- Roots EQ Solid Rings
- Sky Gel
- Sticks: Vater