Vinnie Paul zählt zu den bekanntesten und einflussreichsten Metal-Drummern aller Zeiten. Mit „Pantera“ hat er in den 1990er Jahren durch Alben wie „Cowboys From Hell“, „Vulgar Display Of Power“ oder „Far Beyond Driven“ den modernen Metal maßgeblich geprägt. Vinnie ist vor allem für sein ausgefeiltes Double Bass-Spiel und beinhartes Dampfwalzen-Drumming bekannt, das seit 2006 das Rückgrat seiner aktuellen Band „Hellyeah“ bildet.
Wir trafen Vinnie im März 2017 in Hamburg im Rahmen einer Europa-Tour von KoRn, bei der Hellyeah als Support Act mitreiste. An einem sonnigen Montagnachmittag warteten wir auf dem Parkplatz hinter der Alsterdorfer Sporthalle zwischen schwarzen Nightlinern auf die lebende Legende, während Chad Lee Gray, Sänger von Hellyeah (ehemals Mudvayne) direkt neben uns mit seinem täglichen Fitnesstraining beschäftigt war. Wenige Minuten später tauchte Vinnie auf und führte uns zum Gespräch in die klimatisierte Nightliner-Lounge, wo er sich als sympathischer Gesprächspartner und absolut professioneller Rockstar zeigte.
Hey Vinnie, wie läuft die Tour bisher?
Super! Wir waren mit Hellyeah schon ein paar Mal in Europa auf Tour. Bislang hatten wir aber noch nicht die Gelegenheit, mit den passenden Bands unterwegs zu sein oder allein so ein großes Publikum zu erreichen. Dagegen ist die aktuelle Tour einfach nur der Hammer! Die Hallen sind jeden Abend voll, und das KoRn-Publikum entspricht genau den Menschen, vor denen wir gerne spielen wollen – Metalheads eben!
Hast du auf Tour eigentlich auch Zeit für Dinge, die nicht speziell mit Musik zu tun haben?
Saufen! (lacht) Viel Alkohol, viele Kneipentouren… Gestern waren wir hier in einer ziemlich coolen Heavy Metal Bar auf der Reeperbahn. Wenn wir in den Staaten unterwegs sind und ich einen Tag frei habe, dann gehe ich Shoppen, oder auch mal Angeln. Da unternehme ich oft Dinge, die nichts mit Musik zu tun haben, es sei denn, ich habe die Gelegenheit, mir ein Konzert einer anderen Band anzuschauen.
Hast du auf Tour auch viel mit dem KoRn-Drummer Ray Luzier zu tun?
Oh ja! Wir sind schon seit Ewigkeiten gute Freunde. Ray ist nicht nur ein großartiger Schlagzeuger, sondern auch einer meiner Lieblings-Drummer. Wir kommen super miteinander klar, weil wir einfach so viel gemeinsam haben.
Für dich ausgesucht
Du hast auf dieser Tour Geburtstag gefeiert. Wie alt bist du geworden?
Oh Mann, das willst du wirklich wissen?! 29! (lacht) Ich bin einfach ein großes Kind! Nun ja, in Wirklichkeit bin ich 53 Jahre alt geworden. Tatsächlich fühle ich mich aber immer noch wie ein großes Kind. Ich steh einfach total auf Musik, und die Road Crew war schon immer meine Familie. Ich habe keine Frau oder Kinder. Unterwegs zu sein ist das, wofür ich jeden Tag lebe.
Du bist in Dallas, Texas aufgewachsen. Was genau hat dich zur Musik gebracht?
Also mein Vater war ein Country/Western-Musiker, was die Sache natürlich begünstigt hat. Ich wollte mal bei der Schulband mitmachen. Als in der ersten Stunde alle Instrumente verteilt wurden, bekam ich die Tuba zugeteilt – die Tuba! Das fand ich total super, weil es überhaupt nur eine Tuba in der Band gab. Als ich dann eines Morgens das erste Mal zuhause übte, kam mein Vater, der immer bis spät nachts Konzerte spielte, um die Ecke und fragte mich, was zur Hölle ich da grad tun würde. Ich sagte nur: „Ich werde der Tuba-Spieler in der verdammten Schulband, Dad!“ Er sagte daraufhin: „Nein, wirst du nicht, denn du wirst dein Leben lang nicht einen verdammten Penny mit diesem Instrument verdienen!“ Daraufhin hat er mich an das Schlagzeug gesetzt. Das hat mich natürlich erstmal ziemlich traurig gemacht, aber letztendlich war es das Beste, was mir passieren konnte. Immerhin hat mein Vater damit die Geschichte des Heavy Metal maßgeblich geprägt! Das Schlagzeug hat mir dann sofort Spaß gemacht, und ich war letztendlich sehr froh über die Entscheidung.
Wie alt warst du, als du angefangen hast Schlagzeug zu spielen?
Da war ich 14 Jahre alt.
Was hat dich denn dann zum Heavy Metal und Double Bass-Spiel gebracht?
Kiss – Alive! Das war die Platte, die mich total gepackt hat. Ansonsten wird Van Halen für immer meine absolute Lieblingsband sein. Dann bin ich irgendwann zum British Metal gekommen, also Bands wie Judas Priest, Motörhead und Iron Maiden. Das Erste, was mich in Bezug auf Double Bass umgehauen hat, waren die Songs „Fast As A Shark“ von Accept und „Live Wire“ von Mötley Crüe. Danach war klar, dass ich auf jeden Fall eine zweite Bass Drum brauche! Mein Vater fragte dann zunächst, was mit der Bass Drum, die ich bereits hatte, denn nicht stimmte. Ich sagte: „Nichts, ich brauche einfach zwei, Dad!“ und spielte ihm die beiden Songs vor, um ihm zu zeigen, was ich vorhatte. Als ich dann endlich eine zweite Bass Drum hatte, lernte ich viel von Tommy Aldridge (Anm. d. Red.: Drummer bei Whitesnake, Ozzy Osbourne u.a.), der für mich einer der besten Double Bass Drum Spieler aller Zeiten ist. Von da an hab ich mich einfach weiterentwickelt.
Du bist bekannt für dein sehr präzises Double Bass Drum-Spiel. Ist das auf spezielle Übungen zurückzuführen?
Mann, vielen Dank! Es gab keine spezifischen Übungen für mich. Ich hab mich schnell darauf konzentriert, mit meinem rechten Fuß schnelle Doppelschläge spielen zu können. Im Song „Becoming“ von Pantera spiele zum Beispiel mit dem linken Fuß die Down Beats und fülle die Lücke mit Doppelschlägen im rechten Fuß auf. Die meisten Drummer starten ja mit dem rechten Fuß, aber ich mache es genau andersrum. Das macht für mich total Sinn, da der linke Fuß ja normalerweise damit beschäftigt ist, mit Viertel- oder Achtelnoten auf dem Hi-Hat Pedal das Tempo zu halten, wenn man mit nur einer Bass Drum spielt. Das habe ich auch von Tommy Aldridge gelernt.
Lass uns kurz über dein Drumset sprechen. Was hat es eigentlich mit diesen monströsen Toms auf sich?
Das hat mehrere Gründe. Zunächst ist mir die visuelle Komponente sehr wichtig, und ich stehe total auf den Look dieser großen Trommeln. Ich mag aber auch, wie sie klingen! Meine Toms haben alle quadratische Maße: 14“x14“, 15“x15“ und 18“x18“ – große Trommeln, Mann! Diese Kessel kannst du etwas tiefer stimmen und kriegst immer noch viel Attack. Ich bin ein sehr männlicher Typ, spiele ziemlich hart, mit viel Power und stehe auf „donnernde“ Sounds. Kannst du dir mich etwa mit einem 8“ oder 10“ Tom vorstellen? Das würde einfach nicht nach mir klingen! Das wär nicht mein Style…
Benutzt du das gleiche Drum Set auch im Studio?
Ja! Die letzten beiden Hellyeah Platten sind in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Kevin Churko entstanden. Kevin hatte vorher noch nie mit dieser Art Kesselgrößen aufgenommen und wollte mich davon überzeugen, doch vielleicht etwas standardmäßigere Toms zu benutzen. Am Ende war er aber sehr angetan von der Art, wie meine Toms im Mix klangen.
Spielst du denn im Studio genau so hart wie auf der Bühne?
Oh ja! Wenn ich im Studio bin, spiele ich so, als wäre ich grad auf der Bühne. Da gibt es für mich keinen Unterschied.
Spielst du live zum Click?
Nein, kein Click, denn das soll alles natürlich bleiben. Die Musik muss in Bewegung bleiben. Ich befürchte sogar, dass ich live gar nicht zum Click spielen könnte, da das für mich gegen die Energie und die Interaktion mit dem Rest der Band gehen würde. Im Studio kommt es allerdings schon mal vor, dass wir einen Click benutzen. Zum Beispiel dann, wenn Kevin (Anm. d. Red.: Kevin Churko, Produzent) irgend etwas mehr „steady“ haben will. Aber an sich folgen wir da keinem Dogma und gehen immer danach, was für den jeweiligen Song am besten funktioniert.
Spielt ihr eure Takes auch mal gemeinsam ein?
Nein, nie! Oftmals spielt Tom (Anm. d. Red.: Tom Maxwell, Gitarrist bei Hellyeah) einen Guidetrack ein, zu dem ich dann meine Takes spiele.
Bist du eigentlich auch im Songwriting-Prozess und in der Produktion involviert?
Oh yeah, von Anfang an. Schon die Alben von Pantera habe ich co-produziert. Die ersten drei Hellyeah Platten habe ich sogar eigenständig produziert. Bei den beiden letzten Platten wollte ich mich einfach wieder mehr aufs Drumming konzentrieren. So hatte ich dann auch etwas mehr Abstand zum gesamten Geschehen und konnte Kevin mit einem objektiven Ohr zur Seite stehen. Was das Songwriting betrifft, geht es bei Hellyeah immer damit los, dass Tom und ich uns zum Jammen treffen. Das machen wir meistens bei mir zuhause in meinem Studio. Wir schneiden dann alles mit, und im Nachhinein bauen wir die einzelnen Parts so zusammen, dass ein Demo daraus entsteht. Damit gehen wir dann ins Studio, und Chad (Anm. d. Red.: Chad Lee Gray, Sänger bei Hellyeah) schreibt dann seine Lyrics. So entstehen unsere Songs normalerweise.
Hast du neben Hellyeah derzeit noch andere Projekte?
Ich arbeite derzeit an einem Kochbuch, das hoffentlich bis Ende 2017 veröffentlicht wird. Ansonsten betreibe ich noch ein paar Strip-Bars und Sports-Bars in den Staaten. Ich bin ein riesiger Dallas Cowboys Fan! Entertainment an sich ist einfach mein Ding. Ich liebe es zum Beispiel, mir andere Bands anzuschauen. Erst vor ein paar Tagen, nach unserem Konzert in Stuttgart, haben wir herausgefunden, dass Gojira gleich die Straße runter spielten, und sie waren einfach großartig. Ich liebe diese Band!
Hast du schon konkrete Pläne für die nächsten Monate oder Jahre?
Du kannst natürlich nicht allzu sehr im Voraus planen! Wenn wir mit der Support-Tour für KoRn fertig sind, touren wir noch alleine in UK, was sicherlich eine super Zeit wird. Im Anschluss spielen wir dann noch eine Headline/Festival-Tour in den Staaten im Juni und Juli. Danach gehts für uns dann weiter nach Australien und eventuell noch Südamerika. Im Oktober sind wir dann schon wieder im Studio und fangen an, an unserer nächsten Platte zu arbeiten. Staying busy!
Danke Vinnie für das Gespräch!
Vinnies Equipment:- Drums: ddrum Vinnie Paul Signature Series
- 24×24 Bass Drum (2x)
- 14×14 Tom
- 15×15 Tom
- 18×18 Floor Tom
- 14×8 Signature Snare Drum
- Becken: Sabian
- Modelle variieren von Mal zu Mal:
- 12″ Ice bell
- 14″ AAX Metal Hi-Hats
- 18″ Hand Hammered Rock Crash
- 20″ AA Chinese
- 19″ AA Rock Crash
- 19″ AA Metal-X Crash
- 22″ Hand Hammered Power Bell Ride
- 20″ AA Chinese
- 14″ AA Rock Hi-Hats
- 20″ AA Metal-X Crash
- Sticks: Vic Firth Vinnie Paul Model (umgedreht gespielt)
- Felle: Evans