Ob Modern Talking, Pet Shop Boys oder Purple Disco Machine: Italo Disco beeinflusste viele Producer und Künstler im Bereich des Synth Pops und der frühen elektronischen Tanzmusik. Das schillernde Genre bestimmte die europäische Musikszene der 80er.
Der Begriff „Italo Disco“ geht auf eine 1983 erschienene Compilation des deutschen Labels ZYX Music zurück. Firmengründer Bernhard Mikulski nannte sie einfach „The Best of Italo Disco Vol. 01“. Es ist ein Pool für elektronische Musik, die aus Italien schwappte und sich wie Souvenirs aus dem Rimini-Urlaub verkaufte. In der Überzahl sind es Songs, die zwischen den südlichen Alpen und Kalabrien produziert worden. Im Lauf der Zeit kamen originale Titel und Remixe im Italo Disco Stil aus anderen Ländern hinzu.
Vieles ist so bekannt wie die Pizza aus Napoli. Sehenswert ist der Dokumentarfilm „Italo Disco. Der Glitzersound der 80er“ von Alessandro Melazzini. Das Genre Italo Disco lässt sich noch aus einer anderen Perspektive betrachten: Keyboarder, Synthesizer-Fans und Producer erfahren in diesem Feature einige Basic Facts.
Eine parallele Bewegung zu Italo Disco: Keyboards aus Italien
In Italien entstanden in den 70er und 80er Jahren viele Tasteninstrumente – quasi zeitgleich zur Produktion des Italo Disco. Das italienische „Silicon Valley der Musikinstrumente“ liegt in den Marken über den Hügeln westlich von Ancona mit der kleinen Stadt Castelfidardo als Zentrum. Sie gilt als die Geburtsstätte der industrialisierten Herstellung von Akkordeons und elektronischen Heimorgeln. In dieser Region entwickeln noch heutzutage Korg, Studiologic, Ketron oder Fatar neue Produkte.
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Ein beinahe kurioses Instrument aus der Ära des Italo Disco: Der Solton Ketron Programmer 24 ist eine spezielle Arranger-Workstation aus dem Jahr 1985. Die Begleitautomatik triggert Drums (PCM-Samples) sowie Bass und Arpeggiator-Synth (beides analog). Bis zu 64 Patterns lassen sich programmieren. Alles ziemlich limitiert, aber es hat den echten Italo Disco Charme.
Solton Ketron Programmer 24 – Amazing Italo Disco Machine | 1985 |
So schön es auch klingen mag, der Einfluss der Region Marken auf Italo Disco ist kaum zu spüren. Die italienischen Produzenten schwörten auf teures Studiogear aus den USA oder Japan.
Italo Disco: Studio Equipment von damals
Die berühmten Italo Disco Hits entstanden meist mit exklusivem Equipment. Davon ist auch der norwegische 80s-Synth-Experte Espen Kraft überzeugt, der heute entsprechende Plugins für die DAW empfiehlt. Mehr dazu später.
Im Studio standen die bekannten Größen: Moog Minimoog, Roland Jupiter-8, Oberheim OB-X(a), Sequential Prophet-5, Elka Synthex oder PPG Wave 2.2 und das NED Synclavier. Als Sampler dienten E-mu Emulator 1 und 2 oder ein Fairlight CMI. Preiswertere Alternativen waren Korg Poly-61, Crumar BIT 01, Roland Juno-60 und auch der Yamaha DX7.
Der Disco-Beat kam aus den damals begehrten Drum Machines wie LinnDrum, Oberheim DMX, Roland TR-808, E-mu Drumulator oder auch Simmons Systems. Ohne die ebenfalls hochwertigen Effektgeräte wäre der Italo Disco Sound nicht perfekt. Der edle Reverb des Lexicon 224 und die kleinere Version PCM70 waren praktisch im Dauereinsatz. Für Delay was das Lexicon PCM41 eine passende Wahl.
Italo Disco: International bekannte Titel
Italo Disco führte zu einer Flut von Releases. Trotz unzähliger Songs lassen sich einige Hits benennen, die es international weit gebracht hatten. Wie anhand der Jahreszahlen zu sehen, feierte man die Hochzeit des Italo Disco von 1983 bis 1987.
Ryan Paris, Dolce Vita (1983)
Righeira, Vamos a la playa (1983)
Gazebo, I like Chopin (1983)
Raf, Self Control (1984)
My Mine, Hypnotic Tango (1984)
Baltimora, Tarzan Boy (1985)
Sabrina, Boys (1987)
Italo Disco Producer: Pierluigi Giombini
Einer der kreativen Köpfe ist der aus Rom stammende Musiker Pierluigi Giombini. Er schrieb drei international erfolgreiche Hits: Dolce Vita, I like Chopin und Lunatic. Wie sieht Giombini heute Italo Disco? Wir haben ihn gefragt:
“Leider gibt es kaum gute Remakes meiner Songs. Wenn ich eine Italo Disco Produktion nennen müsste, die mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, würde ich „Vamos a la Playa“ sagen. Sie scheint mir die Atmosphäre dieser Zeit sehr gut zu reflektieren und überzeugt auch klanglich. Wie zu jeder Ära gab es schöne als auch schäbige Produktionen. Was mich bei Italo Disco nostalgisch stimmt, sind vor allem die Unbeschwertheit und Fröhlichkeit.
Ich habe Oberheim und Moog verwendet, aber ich erinnere mich, dass der Elka Synthex auch nicht schlecht war. Heute ist technisch alles anders, der Computer beherrscht die Musikproduktion. Mit Plugins lassen sich unglaubliche Dinge erschaffen. Die Synthesizer, die ich damals benutzte, sind aber noch immer gut, um etwas Magisches zu kreieren.“
Lunatic (live)
Pierluigi and Ryan Paris having fun with their hit “Dolce Vita“
Italo Disco: Stilmerkmale
Nicht nur in Clubs, sondern auch im Radio liefen die Italo Disco Hits auf und ab. Man konnte sie schnell von anderer Mainstream-Musik unterscheiden.
Auffällig ist eine massive Synthesizer Action. Die Parts werden meist traditionell auf der Tastatur eingespielt – ohne Filtermodulationen und andere tempo-synchrone Automationen von Effekt- und Soundparametern. Solche Stilmittel kamen erst rund zehn Jahre später. Bei den Italo Disco Bässen rattern fast immer einfache Sequencer-Phrasen in Achteln. Delay und Reverb verdichten den Mix nicht zu knapp. Wie man Tracks heute mit Vintage Synths rekonstruiert, zeigt Luke Million in seine Video-Serie.
Italo Disco Classics Part 1 : Recreated on Synthesizers
Ein Arrangement basiert fast immer auf einem „Four on the Floor“ Disco-Beat in Tempi um etwa 120 bpm. Es sind keine loop-basierten Patterns wie später im Techno oder House, sondern eine Italo Disco Nummer lässt immer eine klassische Songform mit Intro, Strophe, Bridge und Chorus erkennen. Wie bei „Dolce Vita“ oder „I like Chopin“ gehen manche Songs über das “Four Chords“-Schema hinaus und bieten harmonisch so einige Facetten.
Typisch für Italo Disco sind eingängige vokale Hooklines mit internationalem Charakter. Das italienische Vokabular ist durch englischsprachige Lyrics und Künstlernamen ersetzt worden. Nicht wenige Arrangements im Genre Italo Disco verbinden Elektronik mit Romantik.
Italo Disco mit nur einem VST produzieren: VPS Avenger
Das leckere Fertiggericht für die aktuelle Produktion von Italo Disco hat einen Namen: Vengeance-Sound VPS Avenger 2 mit den drei Expansion Packs Italo Disco 1 bis 3. Alle drei Packs bieten nicht nur die typischen Synthesizerklänge, auch Arpeggio Patterns, Samples, Wavetables und Loops sind enthalten. Angerührt wurden sie von Manuel Schleis und Marcel Susenburger, zusätzliche Drum Samples produzierte Espen Kraft.
Vor allem die Rubrik SQ (Sequence) bietet amtliche Vorlagen zum Schnellstart. Wir spielen einige dieser Presets mit wenig Noten auf dem Keyboard an. Die Ergebnisse sprechen für sich.
Vengeance-Sound VPS Avenger 2 bei Thomann:
Das Flaggschiff VPS Avenger 2 glänzt nicht nur mit neuerem Look, sondern auch mit Features wie Spectral Granular- und Drum-Loop-Modul. Für Sounddesigner und Preset-User definiert er eine Liga für sich.
Italo Disco: Software Tipps
Keine Frage, der VPS Avenger 2 ist enorm praktisch und weitaus schmackhafter als der Cappuccino, der nördlich der Alpen serviert wird. Aber: Wer seinen eigenen Italo Disco Sound anrühren möchte, nimmt verschiedene Software-Instrumente beziehungsweise Effekt-Plugins und verzichtet weitgehend auf Presets. Pauschal zu empfehlen sind die Emulationen von Oberheim OB-X, Roland Jupiter-8 und Juno-60 und Sequential Circuits Prophet-5.
Arturia, Synapse Audio, Disco DSP und Sonicprojects – wer kommt dem analogen Flaggschiff Oberheim OB-X bzw. OB-Xa nahe? Alles wichtigen Features und Merkmale im Vergleich!
Der Roland Jupiter-8 wird dreifach in Bestform emuliert. Jedes Software-Instrument hat dabei seine eigene klangliche Stärke – so das Fazit unseres Vergleichs.
7 Software-Instrumente kommen einem Roland Juno-60 aus den 80er Jahren klanglich ziemlich nahe: Roland selbst, TAL-Software, Cherry Audio, Arturia oder u-he, wer macht das Rennen?
Der polyfone Analog-Synthesizer Sequential Circuits Prophet-5 begeistert mit einem warmen und kraftvollen Sound für Pads, Bässe oder Leads. Als Klassiker der früher 80ern lebt er heute als Software weiter. Wir vergleichen die besten Emulationen dieses Vintage Synthesizers mit über 50 einzelnen Stichproben.
Synthesizer
GForce OB-X
Drumcomputer
Effekte
Italo Disco: Hardware Tipps
Soll die Produktion wie in den 80er Jahren laufen, gönnt man sich klassische Hardware. Unter den Vintage-Synthesizern käme man mit einem gebrauchten Korg DW-8000 oder Poly-61, Roland JX-8P oder Crumar Bit One noch einigermaßen preiswert davon. Wer eine Synthesizer Reparatur vom Profi vermeiden möchte, nimmt aber besser aktuelle Hardware-Synthesizer mit Herstellergarantie. Man braucht keinen Ferrari, ein Fiat reicht. Wir nennen einige Budget-Tipps.
Fazit
Italo Disco lebt weiter mit melodischen Phrasen analoger Synthesizer, einfachen wie treibenden Beats aus der Drum Machine und harmonischen Gesängen. Der immense Erfolg dieses Genres ist einfach zu erklären: Letztlich sind es Songs, die trotz großer Maschinerie ebenso am Lagerfeuer mit der Gitarre oder zuhause am Klavier funktionieren.
Keyboarder und Producer fühlen sich heute wie in einem Schlaraffenland: Es wimmelt vor grandiosen Hardware-Synthesizern und auch erschwinglichen Plugins, mit denen sich Tracks á la Italo Disco spielen oder produzieren lassen. Andiamo – lasst ein neues Dolce Vita der Synthesizer antanzen. Grazie e Ciao!