PRAXIS
Die Installation klappte ohne Probleme. Als Lizensierungsoptionen kommen Challenge-Response oder iLok in Frage. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Steigen wir direkt in den Ring: Runde 1, Dynamics.
Dynamics ist mit das funktionsumfangsreichste Modul in Ozone 5. Durch die Zerlegung des Spektrums in bis zu vier unterschiedliche breite Teilbänder kann hier sehr detailliert und selektiv in das dynamische Frequenzgeschehen eingegriffen werden (Stichwort: Summenverdichtung bzw. chirurgischer Kunstgriff). Man kann allerdings auch mit nur einem Band arbeiten und mit diesem, wie mit einem normalen Kompressor umgehen. Obwohl das nicht ganz richtig ist, da jedes Band genau genommen schon einen Zweifach-Kompressor darstellt, also beide in Reihe verschaltet sind. Der erste Kompressor/Expander arbeitet mit einer Ration von 0,1 bis 30 und erlaubt einstellbare Attack-Zeiten von 0 ms bis 500 ms sowie Release-Zeiten von 0 ms bis 5000 ms. Man spricht bei Kompressoren von Upward-Kompressoren bzw. Expandern, wenn die Ratio kleiner als 1 gesetzt werden kann, was bedeutet, dass ein Signal beim Überschreiten des Thresholds noch lauter wird. Der zweite, Limiter genannte Kompressor, bietet ähnliche Settings und ist demnach ein vollwertiger, weiterer Kompressor/Expander.
Nicht ganz alltäglich sind die unterschiedlichen Detektions-Algorithmen zur Überschreitung des Thresholds. In der Standardversion gibt es zwar nur die Auswahl zwischen RMS und Peak, in der Anvanced Version wird allerdings auch ein „True Envelope” Mode geboten. Darüber hinaus gibt es auch eine Look-Ahead-Funktion, um die stetigen Gain-Veränderung zu glätten, sowie die Möglichkeit, ein High-Pass- und ein Tilt-Filter, ähnlich der API-Trust-Schaltung, in den Detektionsweg zu schalten, um weniger empfindlich auf Bass-Signale zu reagieren. Weiterhin gibt es jetzt auch Soft-Knee, in der Advanced Version sogar stufenlos regelbar. In der Standardversion muss man sich mit Hard- oder Soft-Knee begnügen. Im Übrigen kann man auch zwischen einer Einzelansicht pro Band oder Gesamtdarstellung wählen. Was ich allerdings noch immer vermisse, ist Sidechain.
Die Konfigurationsmöglichkeiten sind bei Ozone 5 dennoch sehr vielfältig und lassen viel Raum für die eigene Kreativität bei der effektvolleren Veredlungen von Spuren fernab von Stereo-Mastering. Mit den hier ausgewählten Audiobeispielen lässt sich der Funktionsumfang jedoch nur andeuten. Es folgt ein Beispiel einer vorher überkomprimierten Kickdrum, welche anschließend mit einer leichten, aber sehr effektiven Low-Pass Upward-Compression wieder angefettet wurde, sowie das Beispiel einer Nylon-Gitarre mit leichter Mittenkomprimierung zum Abfangen der starken Spitzen beim Picking. Presets habe ich nicht benutzt, die wichtigsten Settings entnehmt ihr bitte den Namen der Audiodateien.
Das Gate des Dynamics Module verfügt über die gleichen Parameter wie die Kompressoren und bereitete mir vor allem auf Drumloops große Freude. Die Möglichkeit, über Multi-Band-Gates eine Drum-Aufnahme spürbar trockner zu fahren und anschließend neu zu verhallen, möchte ich da besonders hervorheben.
Für dich ausgesucht
Ozone empfiehlt sich generell gut für Drums. Vor allem der Exciter trägt dazu bei. Deshalb gleich ein paar drastischere Beispiele der unterschiedlichen Exciter-Algorithmen auf ein paar Analog-Drums. Exciter sind beim Mastering oftmals verpöhnt, auf Einzelsignalen habe ich aber überhaupt keine Berührungsängste. Gerade der Tube-Mode klingt sehr gut, sofern er dezent eingesetzt wird, und gibt Mitten und Höhen entsprechend mehr Biss bzw. Glitzer. Tipp: Immer schön Oversampling an.
Im Zusammenhang mit den obigen Audiobeispielen fiel mir natürlich auch der verbesserte Reverb der Version 5 auf. Vor allem die optische Runderneuerung gegenüber Version 4 ist hier zu erwähnen. Alles sehr viel übersichtlicher und mit schön logisch vertikal angeordneten Fadern versehen. Deshalb ein kleines Video der Advanced Version und den groben Auswirkungen der Hall-Algorithmen am unkonventionellen Beispiel einer Kick Drum. In einem Mix würde ich so etwas nicht machen, aber um einen Reverb zu kitzeln, ist dieses Vorhaben durchaus gerechtfertigt. Achtet besonders auf den Early Reflection Parameter, welcher die ersten Reflexionen in Form einer Impulsantwort hinzumischt. Bei der Standard Version gibt es diesen Parameter nicht, man muss daher mit permanent hinzugemischten Erst-Reflexionen leben. Außerdem ist man bei beiden Versionen nicht in der Lage Erst-Reflexionen “solo” zu nutzen.
Klanglich bewegt sich der Reverb eher im Mittelfeld und kann nicht ganz an die nativen Premium-Lösungen wie Lexicon, Altiverbund TSAR-1heranreichen. Auf Einzelsignalen und nicht unbedingt als Hauptraum verwendet, kann er dennoch überzeugen, vor allem auf Grund der einfachen Bedienung. Wiederum schade ist allerdings die Begrenzung des Pre-Delays auf maximal 100ms. Sicherlich, im Mastering macht das keinen Sinn, aber wir haben ja bereits festgestellt, dass Ozone auch auf Sub-Mixen wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Die Auswirkungen von Cross-Mix empfand ich als marginal.
Besonders lobenswert sind hingegen bestimmte Details, welche an so mancher Stelle im Programm auftauchen. So empfand ich den Button „Solo Wet” des Reverbs schon als sehr praktisch, da ich beim groben Editieren eines Raumes gern das volle, pure Hall-Signal hören möchte. Das mache ich innerhalb eines Mischvorgangs sehr oft und finde es deshalb sehr gut, hier nur einmal klicken zu müssen, anstatt an zwei Fadern nacheinander zu agieren. Zur Feier des Features noch ein paar mehr Beispiele des Reverbs.
Viele, viele Spielereien! Genau wie die 250 Presets: Es gibt zwar eine Menge eindeutig adressierte Presets, in Verbindung mit meinen Test-Files konnte ich aber keine wirklich überzeugende Kombination finden. Am Ende war alles irgendwie „too much” und nicht auf den Punkt. Es mag für Lernzwecke sicherlich ganz nützlich sein, sich die Funktionsweise einiger Presets einmal genauer anzuschauen, am Ende gelangt man aber nur mit eigenem Fleiß zu guten und überzeugenden Ergebnissen.
Von viel größerer Bedeutung ist da für mich das Verhalten des Limiters, hier Maximizer genannt: Wie es auch schon auf vorhergehenden Audiobeispielen teilweise zu hören war, arbeitetet er unauffällig und sehr überzeugend, siehe speziell die Nature- und E-Drums. Das Maximizer Module zählt nicht unbedingt zu den Limitern, mit denen man „voll reinlangen“ kann, es ist eher ein Präzisionswerkzeug, mit dessen vielen Optionen man sich intensiv auseinander setzten muss, um die letzten paar dB zusätzlich aus einem Mix heraus zu holen.
Wenn man es richtig krachen lassen will, schaltet man demnach lieber das Dynamics Modul davor und setzt dann noch ein paar dB extra mehr mit dem Limiter oben drauf. Allerdings sollte man sich keine Illusionen über den CPU-Hunger des besonders unauffällig wirkendenden IRCIII-Algorithmus machen, dessen Klang in Verbindung mit der „Advanced Version only“ Transient-Recovery in meinen Ohren aber dennoch in fast allen Fällen am besten klang und deswegen auch hier so gut wie jedes Mal zum Einsatz kam. Man muss aber auch hier behutsam vorgehen, sonst klingt es schnell künstlich, harsch und flach. Ich habe fast immer mit 36% Transient Recovery gearbeitet. Auf meinem etwas betagteren MacBook Zweitgerät sprang der CPU-Load in Ableton dennoch von 22% auf 37%, als ich von IRC II zu IRCIII wechselte.
Hier noch ein paar Unterschiede zwischen den Algorithmen anhand der Kick-Drum, umgeschaltet wurde nur zwischen den Algorithmen, jedoch nicht zwischen dem Parametern wie Threshold, Release etc.
Wie Altkunden vielleicht schon aufgefallen sein mag, gibt es in Ozone mittlerweile gleich zwei Acht-Band-EQs – und das ist praktisch. Oftmals möchte man vor der Komprimierung bereits überbetonte Frequenzbereiche eliminieren, um das Pumpen eines nachgeschalteten Kompressors zu vermeiden. Anschließend möchte man meist wieder etwas breiter Eqen, um einhergegangene Verluste aufzufangen. Dieses Vorgehen beschreibt zumindest 70% meines Workflows. Hier ein “All-In” Szenario in etwas übertriebener Form:
Manchmal braucht man aber auch nur einen EQ vor dem Limiter bzw. Exciter, um die harschen Höhen abzufangen. Deshalb hier noch mal das Beispiel der Western-Gitarre in seinen einzelnen Schritten.
Die „analogen” EQs hatten für mich dennoch nicht genügend Charakter zu bieten, obwohl ich schon den Flavour spüren konnte. Vielleicht bin ich auch nur zu deutsch: Mir persönlich haben die digitalen Filter durch die Bank weg besser gefallen, gerade wenn es darum ging, chirurgische Eingriffe vor der Komprimierung zu vollziehen. Deshalb habe ich auch auf fast allen Audiobeispielen schon ein wenig Pre-EQed, um mal richtig abzu-nerden.
Möchte man dennoch einmal die Standard-Reihenfolge durchbrechen, kann man dies zu jeder Zeit tun, der kleinen graphischen Routing-Matrix sei Dank. Parallel-Mixing ist zwar nicht möglich, sollte man dies aber wirklich vorhaben, wird sich schon ein Weg mit mehreren Instanzen von Ozone in der DAW finden lassen.
Eine Besonderheit der Advanced Version ist die sogenannte Meter-Bridge, ein Real-Time-Analyzer, welcher auch mehrere Bus-Signale gleichzeitig darstellen kann. Das ist ideal für den Vergleich von Einzelspuren wie z.B. Bassdrum und Bass. Dazu wird einfach das Einzel-Plug-in „Meter Tap“ der Advanced Version auf die entsprechende Spur im Mix gezogen, und schon steht auch im Mutterschiff-Plug-in, was auf einer anderen Stereo-Spur insertiert ist, in einem Drop-Down Menü des Analyzers zur Verfügung. Alle Visualisierungen laufen sehr flüssig und stabil.
Aber auch in der normalen Version gibt es in jedem Modul einen Spektrum-Analyzer, wenn auch hier nicht ganz so detailliert und groß, sowie ein Vectorscope (Stereo-Wolke) im Imager. Hier ein kleines Video zu dem Demosong, welcher aus drei Stereo-Stems (Spuren) besteht. In nativer Auflösung sieht die Visualisierung natürlich etwas besser aus, als in unserem Video.
Es geht weiter mit Alleinstellungsmerkmalen: Der Imager der Advanced Version verfügt über einen monokompatiblen Stereo-Widther speziell für engere Panoramen bzw. Monosignale. Das klingt zwar ein bisschen künstlich, aber das muss ja nicht in jedem Fall schlecht sein. Die vier Bänder sind in beiden Versionen jedoch echter Luxus, meist reichen aber auch nur zwei Bänder, um beispielsweise den Bass bis 90 Hz auf mono zu reduzieren. In Version 4 gab es übrigens noch ein Delay pro Band, was aber durchaus mehr Phasenprobleme bereitete, als dass es nützte.
Im Großen und Ganzen kann man mit dieser prinzipiellen Ein-Fenster-Lösung schon recht autark arbeiten. Hinzu kommt, dass es eine A/B-Vergleichsfunktion und eine Undo-Historie gibt, die umfangreiche Vergleichsarbeiten zulassen. Das eigene Ohr gewöhnt sich bekanntlich schneller an sonderbare Klangeinstellungen als man denkt bzw. einem lieb ist.
Meiner Meinung nach macht der Reverb als Insert beim Mastering wenig Sinn. Wer ihn jedoch als Einzel-Plug-in in seine Sends insertieren will, muss zur Advanced Version greifen oder gegebenenfalls upgraden. Es kommt allerdings selten vor, dass man unbedingt weitere Plug-ins nachschalten möchte. Insofern kann man auch mit einem kleinen Workflow-Performance-Zuwachs rechnen, da das eine Fenster schön groß ist und einwandfrei arbeitet. Hier gab es beim Wechsel der Fensteransicht weder Hänger zu vermelden, noch spontane Fensterschließungen, wenn man einen Parameter zu lange mit der Maus bewegt hatte. Man merkt dem extrem umfangreichen Plug-in mittlerweile die lange Versionsreife an.
Im Vergleich zu Ozone 5 mag Ozone 5 Advanced teuer erscheinen. Man kann aber auch andersrum argumentieren und feststellen, dass Ozone 5 im Vergleich zu Ozone 5 Advanced immer noch einen sehr großen Funktionsumfang bietet – und das bei einem mehr als fairen Preis. Insofern kann die Standardversion mit einen mehr als günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen. Die Advanced Version hingegen liegt preislich im Mittelfeld und damit in etwa auf dem selben Niveau, wie die ähnlich ausgestatteten Suiten SSL Duende Native Bundle,VSL Vienna Suiteund Waves Gold Native Bundle. Wer über entsprechende finanzielle Mittel verfügt, kann sich ruhigen Gewissens den Vollausbau gönnen. Man sollte aber eine gewisse Zeit für Detailstudien einplanen, um die feinen Nuancen in den vielen Optionen zu erforschen.