PRAXIS
Worstcase Field Recordings mit iZotope RX 11 retten
Nehmen wir mal an, wir wollen ein Interview aufzeichnen und haben zwar unseren Field Recorder dabei, doch im Eifer des Gefechts tatsächlich vergessen, einzupegeln, wodurch das Ergebnis übersteuert ist. Und trotz Popschutz aka. „tote Katze“ gelangt auch leider ein bisschen Rumpeln vom Wind mit in die Aufnahme. Zudem ist das Interview so spontan entstanden, dass wir es an einer dichtbefahrenen Straße durchführen müssen. Egal, wir ziehen es trotzdem durch und schauen, was wir in der Nachbearbeitung mit iZotope RX 11 daraus zaubern können.
Die Ergebnisse sind wirklich gut geworden, wenn man bedenkt, wie kaputt das Rohmaterial klingt. Der Repair Assistant erkennt viele Probleme schon von allein und behebt sie dann auch. Das Resultat bessert man mit den überschaubaren Reglern schnell noch nach. Reicht der Assistant nicht aus, sollte man die präziseren Einzelmodule nutzen, etwa das Dialogue Module, um Nebengeräusche zu entfernen, oder De-Wind, um den Wind noch genauer zu eliminieren.
iZotope RX 11 vs. RX10
Um herauszufinden, ob die neuen Features und die verbesserten Module auch wirklich für brauchbarere Resultate sorgen, vergleiche ich RX 11 direkt mit dem Vorgänger RX 10. In den folgenden Klangbeispielen hört ihr zuerst das Modul aus RX 10 und direkt im Anschluss das deutlich besser klingende Resultat von RX 11. iZotope RX 11 klingt tatsächlich hervorragend. Selbst beim Stresstest, bei dem unmittelbar neben dem Mikrofon ein Staubsauger läuft, schafft es die KI von RX 11, ein recht sauberes Signal daraus zu zaubern.
Die Qualität der Ergebnisse ist für ernstgemeinte Produktionen tatsächlich zu gebrauchen. Bei RX 10 kommt das Signal bei Extremeinstellungen hingegen schneller zu einem MP3-mäßigen „Geblubber“. Ob Repair Assistant, Dialoge Isolate oder De-Hum – die Resultate klingen mit RX 11 einfach viel besser, weil sich nur noch wenig hörbare Artefakte reinschleichen – je nach Ausgangsmaterial, versteht sich. Hört selbst:
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Bei Spotify so laut sein wie die Major Artists
Wer schon mal Songs bei Spotify veröffentlicht hat, wird festgestellt haben, dass die Tracks der Major Artists laut klingen, ohne aufdringlich oder aufgeblasen zu wirken. Die absolute Lautheit in Vollaussteuerung, also LUFS (Loudness Unit Full Scale), ist hier der entscheidende Faktor, den es zu berücksichtigen gilt. Für Spotify muss man eine LUFS von -14 dB LUFS mit einem maximalen TP (True Peak) von -1 bis -2 dB einhalten. Mit iZotope RX 11 bringt ihr eure Master auf genau diese erforderliche Lautheit.
Alles schön und gut, aber leider gibt es die beiden neuen Module Loudness Optimize und Streaming Preview nicht als DAW-Plugin, sondern „nur“ für den RX 11 Editor. Außerdem sind auch viele DAWs, wie beispielsweise Logic Pro, mit LUFS Meter ausgestattet. Doch geht es ja nicht nur um das Tracking, sondern auch darum, die Lautheit anzuheben, was mit RX 11 hervorragend funktioniert.
Stem Separation mit RX11
Das Separieren von Stems ist in aller Munde und auch iZotope hat mit Master Rebalance schon in der Vorgängerversionen von RX eine Möglichkeit eingeführt, Musik in die vier Bestandteile Vocals, Drums (Percussions), Bass und Other aufzusplitten. Das RX 11 Editor Modul hat man mit einem Export-Button erweitert, der jede Datei aufsplittet und in vier extra Files im Editor öffnet. Klanglich ist das Modul nach wie vor gut genug, um eine Instrumentalversion aus einem Song zu machen – allerdings weiterhin nicht artefaktfrei! Bedeutet, die Stems klingen auch hier meist wie ein schlechtes MP3-File.
Auch das neue Apple Logic Pro 11, das ich erst kürzlich im Test hatte, ist mit einem Stem Splitter ausgestattet. Lassen wir die beiden gegeneinander antreten, hört man deutlich, dass der Logic-Algorithmus hier die Nase vorn hat. Als Logic-User kommt man also mit der kostenlosen DAW-Funktion zu besseren Ergebnissen.
Überarbeiteter Dialoge Isolate
Mit Dialogue Isolate filtert ihr in RX 11 Vocals, ihren Nachhall sowie Nebengeräusche heraus. Dazu hält das Modul, das ihr auch als Plugin in eurer DAW nutzen könnt, nur drei Regler bereit. Hier können selbst Laien nichts falsch machen. Nach dem Update auf RX 11 bekommt ihr Dialoge Isolate nun nicht mehr nur in der Advanced, sondern auch in der Standardversion. Einen Unterschied gibt es allerdings: Die Advanced-Version kommt zusätzlich mit Multiband-Bearbeitung und einem HQ Mode, der nochmals bessere Ergebnisse erzielt.
Durch die Multibandbearbeitung stürzt man sich nur auf die Frequenzbänder, die wirklich betroffen sind, was zu den besseren Resultaten führt. Dadurch verbraucht er aber auch mehr Ressourcen, was nicht wirklich viele Instanzen in einem Projekt zulässt. Viele Nebengeräusche, wie das Grundrauschen von Mikrofonen eliminiert der Dialogue Isolate gut. Weniger gut geht der Algorithmus beispielsweise mit Vogelgezwitscher um. Unerwünschten Nachhall oder auch das Surren eines Netzteils könnt ihr hingegen sehr gut herunterregeln.
Dialogue Contour
Mal abgesehen von Fehlern in der Audioqualität, wie Knacksern, Rauschen etc. kann natürlich auch die Performance eines Sprechers weniger Ausdrucksstark sein als gewünscht. Hier helfen wir mit RX 11 neustem Modul Dialoge Contour nach, mit dem wir Tonhöhenunterschiede, Formanten und Variation verändern können.
Um noch präziser zu arbeiten, könnt ihr den gewünschten Tonhöhenverlauf in die visualisierte Wellenform einzeichnen, was eine ziemliche Fummelarbeit ist. Bis zu einem gewissen Punkt, klingt das auch einigermaßen authentisch. Übertreibt man es hiermit, wirkt das Audio dann aber doch sehr künstlich.
Um mal einen kleinen Teil einer langweiligen Aufnahme spannender zu gestalten, mag das Tool okay sein. Aber bevor ich damit ernsthaft eine einstündige Dokumentation ausbessern müsste, würde ich lieber gleich den Sprecher wechseln. Und die Ergebnisse klingen auch nicht gerade überragend.