Die Enttäuschung über die Einstellung von iZotope Trash 2 im Herbst 2022 war fast so herb wie bei Absynth 5. Der Hersteller hatte seit dem Erscheinen des Verzerrungseffekts 2014 zwar einige Updates nachgeschoben, kündigte dann aber schließlich das „End of Life“ des Plugins an. Doch scheinbar hat man das Flehen der Community unterschätzt: Hier ist das alte neue iZotope Trash – bei uns im Test!
Checkliste zum Kauf von Trash
- Vielseitiger Audioeffekt für Verzerrung
- überarbeitete Benutzeroberfläche
- Distortion-Engine im „Trash“-Modul mit 60 verschiedenen Verzerrungstypen
- Convolution-Engine mit über 600 Impulsantworten und Import von eigenen IRs
- X/Y-Pads bei Trash und Convolution zum stufenlosen Mischen von je vier Modellen
- Multiband: Unterschiedliche Verzerrung und Modulation in drei Frequenzbereichen
DETAILS & PRAXIS
Was hat sich in iZotope Trash verändert?
Das Auffälligste beim Start von iZotope Trash war in diesem Test die komplett überarbeitete Benutzeroberfläche. Die hellen Grautöne und der leichte Industrial-Vibe von Trash 2 sind einer anthrazit-pinken Optik und einem Layout, wie man es von Nectar 4 kennt, gewichen. Die im unteren Bereich des Vorgängers aufgereihten Effektmodule haben einer Modulations-Engine mit Envelope FollowerPlatz gemacht. Es bleibt der Multiband-Bereich im oberen Drittel.
Wo es beim Original zwei Filter gab, findet man hier nur noch ein Filtermodul. Auch die Module für Kompressor und Delay fehlen gänzlich, aus zwei Verzerrungsstufen wurde eine. Weiterhin dabei, dafür mit größerem Fokus auf dem Workflow sind die Trash-Engine zum Verzerren und die Convolution-Engine mit Impuls-Antworten. Man scheint sich auf das Wesentliche konzentrieren zu wollen: Verzerrung und ein schnellerer Workflow.
Dazu gibt es in iZotope Trash 222 neue Presets für unterschiedlichste Einsatzgebiete und Verzerrwünsche. Außerdem hat der Hersteller noch ca. 110 „Trash and Convolve Legacy“ Presets beigelegt, die sich an gleichnamigen Presets aus Trash 2 orientieren. Wer sich bei der Auswahl nicht entscheiden kann, greift auf den Random-Button zurück, der zufällig eines der Presets lädt.
Für dich ausgesucht
Presets zwischen sanft und brachial
Wer meine Reviews und Workshops vielleicht schon eine Weile verfolgt, weiß, dass ich einen Hang zu extremen Effekten und Soundzerstörern habe. Und Trash 2 war für mich eines der ersten Plugins, das aus Samples, langweiligen Drumloops und Ambientflächen Sounds geholt hat, die komplett außerirdisch klangen. Das neue alte iZotope Trash gibt sich da etwas zahmer. Aus den Presets der zehn Kategorien kreischt, zwitschert und pfeift es zwar hin und wieder ordentlich, doch ist das alles weit weg vom manischen Zerstören des Vorgängers.
Dafür bringt Trash viele Presets mit, die schneller zum Ziel führen, wenn es nach kaputtem Telefon, krachigem Autoradio oder einem Verstärker kurz vorm Tod klingen soll. Trash 2 musste man da meist noch etwas „zähmen“. Auch wenn es eher um subtiles Anwärmen à la Soundtoys Decapitator geht, klingt das neue Trash da eine ganze Ecke besser. Was mir aber im Preset-Browser fehlt, auch weil es mittlerweile wirklich Usus ist: eine Möglichkeit, einzelne Presets als Favoriten zu markieren. Gerade bei dieser schon recht stattlichen Menge an Voreinstellungen wäre das wirklich wünschenswert.
Die Trash-Engine mit über 60 Verzerrern und Morph-Pad
Vier Verzerrungsarten lädt man aus den über 60 mitgelieferten in die vier Ecken des X/Y-Pads von iZotope Trash. Die kann man auf dem Pad dann stufenlos miteinander mischen und so zu vollkommen neuen Zerrcharakteristiken kombinieren. Von sanften Sättigern mit Bandmaschinencharakter über verschiedene BitCrusher-Geschmäcker hin zu komplett zerstörenden Fuzz/Overdrive-Monstern gibt es hier viele Abstufungen und Zerrarten.
Der riesige „Drive“-Parameter im Modul bestimmt die Intensität, der Mix-Regler darunter den Anteil. Über „Tone“ Links unten im Modul verschiebt man den Fokus der Zerre entweder auf den Frequenzbereich über oder einen unter dem eingestellten Schwellenwert. Worin das Plugin sich wirklich vorbildlich verhält, ist die Tiefe der Automationsmöglichkeiten. Ich kann hier zum Beispiel vier Zerrmodi laden und über das X/Y-Pad eine Automationsfahrt damit aufnehmen.
Dazu kann ich in jeder Ecke des Pads den Zerrmodus selbst per Automation wechseln, also beispielsweise von einem Bitcrusher in Takt 1 zu einem Overdrive in Takt 2 springen. Zusätzlich bringen einige der Verzerrer noch einen „Style“-Parameter mit, wie den erwähnten Bitcrusher zum Beispiel. Auch ihn kann ich automatisieren. Dieser Style-bereich ist, wie man vielleicht auf dem Bild sehen kann, etwas versteckt. Außerdem fällt es schwer, in der Hauptansicht oder im Preset-Browser für die Trash-Algorithmen zu erkennen, welchen Verzerrer man noch mit dem Style-Parameter verändern kann und welchen nicht. Leicht konfus diese Entscheidung.
Verzerrung ein Zuhause geben – die Convolution-Engine
Die Convolution-Engine war bei Trash 2 sowohl immer eins der Highlights als auch der Alleinstellungsmerkmale. Hatte man mit dem Trash-Modul das Eingangssignal schön angekratzt, konnte man das Ganze dort wie aus einem Telefon, einem Stahlrohr oder unter Wasser klingen lassen. Hier hat man bei iZotope Trash, zumindest was die Zahl der Impulsantworten betrifft, eine ganze Schippe draufgelegt. Über 600 (!) IRs liegen bei, bei Trash 2 waren es gut 100.
Diese ungewöhnlich hohe Zahl ergibt sich allerdings auch daraus, dass man ähnlich wie beim Vorgänger bei einigen Kategorien der Impulsantworten zwischen Versionen mit zusätzlicher EQ-Kurve wählen kann – so wie bei einem Großmembran-, einem Dynamik- oder einem Bändchenmikrofon. Wie im Trash-Modul legt man auch hier vier Impulsantworten in die vier Ecken eines X/Y-Pads und „fährt“ dann zwischen ihnen herum.
Neben verschiedenen Verstärkern, Faltungshall-Impulsantworten und dem obligatorischen Küchenradio sind auch eine ganze Reihe ungewöhnlicher IRs dabei. So plätschert es im Signal mit Wasserimpulsantworten, es saugt und pfeift bei den Reverse-IRs und sogar einige Impulsantworten tierischer Laute sind dabei. Wem das nicht reicht, der kann auch eigene Impulsantworten importieren.
Auch hier gibt es drei Regler: einen großen „Mix“-Regler für den Signalanteil, einen „Width-Regler für die Stereobreite und einen „Stereoize“-Regler, der Signale, die zu schmal und mono klingen, verbreitert. Genau wie im Trash-Modul ist die Menge an Parametern, die man automatisieren kann, schwindelerregend: Jede Impulsantwort kann man wechseln, jedes Mikrofon, natürlich auch „Mix“, „Width“ und „Stereoize“.
Multiband, Filter und Limiter in iZotope Trash
An der Multiband-Funktion, mit der man drei Frequenzbereiche separat verzerren kann, hat sich grundsätzlich nichts geändert. Drei Bänder, tiefe, mittlere und hohe Frequenzen können komplett verschieden verzerrt und mit Impulsantworten bearbeitet werden. Auch die erwähnten detaillierten Automationen sind pro Band möglich. Ein Beispiel: Ihr könnt durch 12 verschiedene Verzerrer im Bass wechseln, während die Höhen in jedem Takt vier neue Impulsantworten abbekommen und in den Mitten sachte durch die vier geladenen Trash-Algorithmen morphen – alles kein Problem. Sogar die Frequenzübergänge selbst lassen sich automatisieren.
Beim Filter fällt ein weiteres Mal auf, wie sehr iZotope diese Version heruntergestutzt hat. In Trash 2 gab es zwei Filter- und EQ-Module, die man innerhalb der Signalkette an beliebige Stellen setzen konnte. Jedes EQ-Modul kam damals mit jeweils sechs Bändern und jedes Band beherbergte über zwanzig Filtertypen. Im neuen iZotope Trash ist ein einzelnes Lowpass-Filter am Ende der Effektkette übriggeblieben. Auch vom mächtigen Dynamics-Modul, das auf bis zu vier Bändern komprimieren konnte, ein Gate samt Sidechain-Funktion und sogar einen Expander dabeihatte, ist nur die AutoGain-Funktion geblieben. Diese kompensiert dafür die durch die Verzerrung hervorgerufene Lautstärke. Beim Limiter ist alles gleichbelieben: Per Knopfdruck verhindert man Clipping am Signalausgang.
In iZotope Trash mit dem Envelope Follower modulieren
Die neben der Oberfläche einzige wirkliche Neuerung in iZotope Trash ist für mich das Highlight des Tests: ein Envelope Follower. Dieser nutzt den Eingangspegel als Modulationsquelle. Beim Vorgänger gab es LFOs und Hüllkurven für jedes Band im EQ/Filter-Modul. Eine Möglichkeit, im Trash-Modul zu modulieren, fehlte bei Trash 2 gänzlich. Für den Envelope Follower im neuen Trash gibt es genau drei Modulationsziele: den globalen Filter-Cutoff, den Drive-Anteil und das X/Y-Pad im Trash-Modul.
Damit wechselt man dynamisch zwischen den vier geladenen Verzerrungsalgorithmen und lässt das Filter im Rhythmus auf- oder zuschnappen. Aber allein, dass es hier keine Möglichkeit für ein Sidechain-Signal als Modulationsquelle gibt, was mittlerweile mehr oder weniger Standard bei Envelope Followern ist, zeigt schon, wie sehr die Idee ihr Potential verpulvert. Obendrein ist es sehr gewagt, keinen LFO, keinen Step Sequencer und keine anderen Modulationsziele zu integrieren – zumal das genau der Bereich ist, in dem neue Distortion-Tools wie Rift und Coldfire bereits seit Jahren zeigen, wie kreativ Verzerrung sein kann. Auch das ließe sich in ein Plugin wie Trash einsteigerfreundlich integrieren. Schade.
FAZIT: iZotope Trash
Das, was iZotope Trash macht, klingt richtig gut. Das VST bringt hervorragend klingende Distortion-Algorithmen und eine extrem große Bandbreite and Impulsantworten mit. Und per Envelope Follower drei Bänder separat zu modulieren, birgt eine Menge Sounddesign-Potential.
Ist man aber Besitzer von Trash 2, müsste man lange im Gedächtnis graben, um ein derart zusammengestutztes VST-Update zu finden. Zwar gibt es neben der normalen Version von Trash in diesem Update noch das kostenlose Trash Lite, aber angesichts der vielen fehlenden Funktionen müsste diesen Titel eigentlich schon die große Version tragen. Fast schon ein Downgrade.
- Morphing-Funktion beim X/Y-Pad bringt vollkommen neue Distortion-Arten
- Verzerrungsalgorithmen im Trash-Modul klingen hervorragend
- Sehr tiefgreifende Automationsmöglichkeiten
- Dynamische Modulation durch Envelope Follower
- Viele Funktionen aus Trash 2 fehlen
- Destruktiver Klangcharakter aus Trash 2 fehlt
- Im Vergleich zu anderen aktuellen Distortion-Plugins sehr eingeschränkte Modulation
- Presets können nicht als Favoriten markiert werden
Features
- Kreativer Distortion-Effekt
- Trash-Modul mit 60 Verzerrungsalgorithmen und X/Y-Pad zum Morphen zwischen vier Algorithmen
- Convolver-Modul mit über 600 Impulsantworten und X/Y-Pad zum Morphen zwischen vier Impulsantworten
- 222 neue Presets, ca. 110 Presets aus Trash 2
- AutoGain-Funktion zur automatischen Lautstärkekompensation
- Limiter zum Schutz vor Übersteuerung
- PREISE:
- iZotope Trash: EUR 86,- (Straßenpreis am 18.03.2024)
- Update: 29,- Euro für Besitzer von Trash 2