Schaut man sich die Diskografie des in L.A. lebenden Musikers Jay Graydon an, liest sich diese wie ein Who’s who der amerikanischen Musikszene der 70er- und 80er-Jahre. Darunter finden sich Namen wie Barbra Streisand, Marvin Gaye, Al Jarreau, Diana Ross, Dolly Parton und viele mehr, für die Jay im Studio Gitarre spielte, Songs arrangierte und komponierte, als Produzent arbeitete oder für den Audiomix zuständig war. Oft lässt sich seine Rolle in Produktionen aber nicht nur auf eine einzelne Tätigkeit beschränken. Jay Graydon ist ein wahres Multitalent und doch hat dieser Mann bis heute meist mehr hinter den Kulissen gearbeitet und ist daher immer noch für viele Musiker ein Unbekannter. In diesem Workshop will ich für euch sein Gitarrenspiel bzw. sein Talent, Gitarrenparts für einen Song schlüssig zu arrangieren, näherbringen. Dabei soll es zum einen um seine markante Art gehen, wie er Rhythmusgitarre spielt, zum anderen sollen aber auch Jays solistische Fähigkeiten mithilfe einer Solotranskription genauer beleuchtet werden.
Jay Graydon Biografie
Jay Graydon kam als Sohn des berühmten amerikanischen Bigband-Sängers und Fernsehmoderators Joe Graydon zur Welt und hatte schon im Alter von zwei Jahren seinen ersten Gesangsauftritt in der Fernsehshow seines Vaters. Seine instrumentale Laufbahn startete er auf dem Schlagzeug, stieg jedoch recht schnell auf die Gitarre um. In den 60er und 70er Jahren wirkte Jay als Sessionmusiker in unzähligen Produktionen mit. In Gitarrenkreisen hat dabei vor allem sein Solo auf dem Song “Peg” der Gruppe Steely Dan größere Bekanntheit erlangt, schon allein, weil zuvor sieben weitere Gitarristen, darunter auch Robben Ford, mit ihren Soli im Studio vom Duo Becker/Fagan abgelehnt wurden.
Ab Ende der 70er-Jahre trat Jay auch immer mehr als Songwriter und Produzent in Erscheinung – häufig in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen und engen Freund David Foster. In diesem Zusammenhang wird er oft als Mitbegründer des Westcoast Sounds bzw. der AOR Music (Adult Oriented Rock, der sich in erster Linie an erwachsene Hörer richtet) erwähnt, was nicht verwunderlich ist, denn Jays Produktionen zeichnen sich meist durch einen sehr smoothen Charakter aus. Zu größerer Bekanntheit und einigen Grammy-Nominierungen führte seine Zusammenarbeit mit dem Sänger Al Jarreau, auf dessen Platten er in den 80er Jahren in verschiedenen Positionen zum Einsatz kam. Aber auch seine Band “Airplay” gemeinsam mit David Foster sowie seine Zusammenarbeit mit Bill Champlin (Chicago) aus dieser Zeit sollten nicht unerwähnt bleiben. Wie seine nicht enden wollende Diskografie zeigt, war Jay besonders in den 70er- und 80er-Jahren ein absolutes Schwergewicht der Studioszene in Los Angeles, machte sich nebenbei aber auch als Lehrer und Equipment-Tester einen Namen.
Das Equipment von Jay Graydon
Die Gitarre, die Jay bis heute wohl am meisten im Studio eingesetzt hat, ist eine rote Gibson ES 335 aus dem Jahre 1963, die auch auf der berühmten Steely Dan Aufnahme zu hören ist. Interessanterweise stammen die sehr “stratigen” Sounds auf den von ihm produzierten Al-Jarreau-Alben ebenfalls meist von ihr. Für die Rhythmusgitarrensounds setzt er beide Pickups ein und nimmt die Gitarre sehr gern direkt über eine von Eddy Reynolds designte DI-Box ins Pult auf, bearbeitet später dann das Signal mit einem EQ. Wenn bei Jay Amps zum Einsatz kommen, sind es meist Riviera Verstärker oder von Paul Riviera modifizierte Fender Amps, die häufig einfach nur mit einem SM 57 mikrofoniert werden. Die verwendeten Boxen variieren zwischen 2×12 und 4×12. Häufig sieht man ihn auch mit einer Tele und einer Strat der Firma Valley Arts. Inzwischen spielt Jay eine auf ihn zugeschnittene Solidbody-Gitarre, die den Namen “Bossa Guitar” trägt und sehr vielseitig einsetzbar ist – sie kam z.B. auch für sein Bebop-Album (gemeinsam mit Dave Weckl) zum Einsatz. Als weiteres Gitarren-Equipment für eine Recording Session dient standardmäßig ein Vintage Dan Armstrong “Orange Squeezer” Compressor sowie ein Ernie Ball Volume Pedal. Außerdem schwört er auf seinen Eventide GTR 4000 Harmonizer sowie auf sein TC Electronic 2290 Delay, das er über seine Neve V2 Konsole einschleift.
Der Jay Graydon-Workshop: Teil 1 – Rhythm Guitar
Für die folgenden Beispiele habe ich hauptsächlich Teile aus verschiedenen Al Jarreau Songs transkribiert, da diese einen wichtigen Meilenstein in Jay Graydons Karriere darstellen, außerdem zeigen sie Jay sowohl als Gitarristen wie auch als Songwriter und Arrangeur. Mit anderen Worten: Hier wird sehr schön seine typische Handschrift im Produktionsprozess sichtbar.
Al Jarreau “Mornin'”
Typisch für Gitarrenarrangements aus dem Hause Graydon sind Single Note Lines die sozusagen in der Rhythm Section das i-Tüpfelchen darstellen. Hört man die Alben von Al Jarreau aus den 80er Jahren, sind Single Note Gitarren ein häufig auftretendes Merkmal. Einer der wohl berühmtesten Songs aus dieser Phase ist der Hit „Mornin’“ von dem 83er Album „Jarreau“. Die Single Note Line in der Strophe des Songs ist, ebenfalls für Jay Graydon typisch, zweistimmig (Jay hat in der originalen Produktion sogar jede Gitarrenstimme zwei Mal aufgenommen) und dürfte an der Eingängigkeit des Songs nicht ganz unschuldig sein. Das harmonische Gerüst der Strophe besteht aus einem D Major7 Akkord im ersten Teil und wechselt im zweiten Teil die harmonische Farbe bzw. Skala. Hier erklingt ein Am7 und ein G/A Akkord, den man auch als Asus2sus4 bezeichnen könnte. Diese Akkorde verraten schon eine etwas komplexere Harmonisation, die dennoch in einen sehr poppigen Kontext eingebunden ist – ein wichtiges Merkmal für die Jarreau-Platten unter Jay Graydons Leitung.
Wichtig bei Single Note Lines ist deren melodische Einfachheit. Große Intervallsprünge und komplexe melodische Muster sollten dabei eher vermieden werden. Außerdem ist es meist förderlich, wenn die Melodie sich möglichst häufig auf elementare Töne des Akkordes stützt. Auch die Rhythmik sollte, einmal vorgestellt, nicht variiert werden, sondern eher von einem wiederkehrenden Muster geprägt sein. Die erste Gitarrenstimme bewegt sich im ersten Teil zwischen der Septime und dem Grundton des D Major7 Akkordes. Die zweite Stimme ist in Terzen nach unten versetzt und deckt somit die Quinte und Sexte des Akkordes ab. In der zweiten Akkordverbindung verschwindet das c# aus der Skala (Grundtonart ist hier G Dur). Jay passt jetzt die erste Stimme entsprechend melodisch an und variiert das Ende. Die zweite Stimme bleibt im Grunde genommen fast gleich. Auch hier wird nur der letzte Ton verändert.
Der Groove zu “Mornin'” ist ein sogenannter Half Time Shuffle, der Sechzehnteltriolen in der Microtime beherbergt. Shuffle Grooves sind bei Al Jarreaus Platten aus dieser Zeit häufig anzutreffen und werden auch in diesem Workshop noch häufiger auftauchen. Wenn in den 80er Jahren in L.A. diese Art von Groove den jeweiligen Song untermalte, kam eigentlich immer nur ein Schlagzeuger in Frage. Die Rede ist vom großartigen Jeff Porcaro! Da der Groove, wie schon erwähnt, auf Sechzehnteltriolen aufbaut, sind die notierten Sechzehntel also als Shuffle Feel (erste und dritte Triole) zu verstehen. Der Anschlag der rechten Hand läuft ganz einfach in einem “binären” Muster auf jeder Zählzeit ab, da immer nur die erste oder dritte Sechzehntel erklingt. Wichtig für den Sound ist, dass die Töne im Palm Muting gespielt werden. Es kann auch nicht schaden, wenn man die vorangegangenen Zählzeiten mit ein paar Ghost Notes “anschiebt”. Ich habe die Playalongs so bereitgestellt, dass man jeden Gitarrenpart stummschalten kann. Im Solo-Beispiel ist auch das Verhalten der Ghostnotes noch einmal etwas genauer wahrzunehmen. Ich persönlich finde es auch für den Sound sehr wichtig, möglichst weich anzuschlagen. Wie schon im Equipment-Teil erwähnt, benutzte Jay damals überwiegend seine 335. So auch bei Mornin’. Da der Charakter interessanterweise aber sehr nach Singlecoils klingt, lässt sich dieser Ton auch gut mit einer Strat realisieren. Ich habe, genauso wie Jay damals, die Gitarre direkt aufgenommen. Nachträglich wurde das Signal komprimiert, außerdem hab ich mit einem EQ die Höhen angehoben.
Und die Audios in unterschiedlichen Konfigurationen:
Al Jarreau “Breakin’ Away”
Ein ebenso schönes Beispiel für eine schlüssige Single Note Line ist der Strophenpart des Songs “Breakin’ Away”, der zwei Jahre zuvor auf dem gleichnamigen Al Jarreau Album erschien. Der Groove ist ebenfalls wieder ein Halftime-Shuffle. Die HiHat liegt hier deutlich mehr auf den Achtelzählzeiten und betont nur sehr gering die vorangegangene dritte Triolen-Sechzehntel jeder Zählzeit. Der eigentliche “Motor” in diesem Groove ist also die Gitarre, die damit sehr entscheidend ist und auch den markanten Part der Strophe darstellt. Ich habe sie der Übersicht halber in Achteltriolen notiert:
Auch hier haben wir wieder Audio-Clips in unterschiedlichen Konfigurationen am Start:
Auf der Zählzeit 1 und 3 spielt Jay alle drei Triolen in Ghostnotes, auf den Zählzeiten 2 und 4 jeweils die erste und die dritte. Die Linie ist in der ersten Hälfte der Strophe aufsteigend und er benutzt auch hier zum größten Teil Akkordtöne des jeweiligen Vierklangs. In der zweiten Hälfte steigt die Linie erst ab und dann, genau wie der Bass, wieder auf. Diese Art von Groove – der Bass spielt eher nur kurze Akzente zusammen mit der Bassdrum, das Piano spielt sehr klar in geraden Achtel- bzw. Viertelnoten – werden wir noch einmal in einem Jay-Graydon-Song finden. Dazu später mehr. In der Wiederholung ist der Schluss etwas komplexer harmonisiert. Um mit den Single-Notes der Harmonisierung nicht in die Quere zu kommen, vereinfacht Jay diese hier und bleibt mit seinem Pattern auf einem Ton. Auf der Originalaufnahme ist die Gitarre sehr stark komprimiert und vermittelt auch wieder den Eindruck eines direkten, ohne Amp aufgenommenen Signals. Ich habe versucht, im Hörbeispiel den Sound ebenfalls in diese Richtung zu bringen. Generell lässt sich sagen, dass ein Kompressor für Single Note Begleitungen ein sehr attraktives Tool sein kann!
Al Jarreau “Save Me”
Der Song “Save Me” stammt ebenfalls von der Platte “Jarreau” und startet mit einem längeren balladesken Intro bestehend aus Gesang und Fender Rhodes. Die Strophe des Songs läutet die Band mit einem binären Funk-Groove ein, der es wirklich in sich hat. Hier zunächst die Noten als PDF.
Und natürlich die Audio-Clips:
Der erste Teil beinhaltet einen Major Akkord (Amaj7) und eine sogenannte 2-5 Verbindung, bestehend aus den Akkorden G#m7 und C#7. Die Dominante wird noch etwas mit einem Vorhalt gewürzt, bei dem über den C# Bass zuvor ein G-Dur Dreiklang erklingt. Wenn man diesen Sound für den C#7 Dominantakkord deutet, erklingt die kleine Septime, die b9 und die #11 – also ein alterierter Dominantklang. Wir finden auch hier wieder eine harmonische Konstruktion, bei der Jays Jazz-Background deutlich zu hören ist.
Der Aufbau des Grooves gestaltet sich so, dass die Bass-Akzente auf der Bassdrum um die Zählzeit 1 und 3 stattfinden. Die Gitarre nimmt die Snare auf der vorgezogenen 2 mit und spielt darauf folgend noch die zweite Sechzehntel der 2. Der andere Anlaufpunkt im Takt für die Gitarre ist die gemeinsame 4 mit der Snare. Vor der 4 kommen entweder zwei oder drei Sechzehntel zum Klingen und bereiten damit den Akzent auf der 4 vor. Für den sehr knackigen, tighten Sound der Gitarre sind zwei Faktoren sehr wichtig: Zum einen baut Jay seine Akkord-Voicings so, dass diese immer nur dreistimmig sind. Der Grundton kann an den meisten Stellen z.B. weggelassen werden, was auch nur schlüssig ist, da er ja mindestens im Bass auftaucht. Schauen wir uns das Notenbild an, wird klar, dass Jays Stimmführung zwischen den Akkorden sich in möglichst kleinen Tonschritten bewegt und damit absolut klar agiert. Der zweite Faktor ist die gewisse Dynamik, die er in seine Akzente legt. Die zwei oder drei vorangegangenen Sechzehntel vor der 4 bekommen z.B. immer ein leichtes Crescendo, um die 4 deutlicher herausstechen zu lassen. Durch dieses kleine, aber wichtige Merkmal wirkt die Gitarre auch pulsierender und lebendiger. Auch hier bietet es sich an, vor die Sechzehntel immer mal wieder eine Ghostnote zu spielen. Absolut vermeiden sollte man hingegen, typische Sechzehntel Funk-Ghostnotes in jede freie Sechzehntel-Zählzeit zu legen. Die Harmonisierung beinhaltet noch eine weitere 2-5 Verbindung und endet ganz unerwartet auf dem EbMoll7 Akkord. Bei diesen etwas vertrackten Grooves ist es enorm wichtig, dass jeder seine sehr schmale Position im Takt genau ausfüllt, jedoch möglichst nicht daraus ausbricht.
Al Jarreau “Black and Blues”
Saß eben für die Originalaufnahme von “Save Me” noch Steve Gadd am Schlagzeug, muss dieser für “Black and Blues” schon wieder seinen Platz für Jeff Porcaro räumen: Es ist wieder Zeit für einen Shuffle Groove!
In den vorangegangenen Beispielen verhielt es sich so, dass das Rhodes bzw. die Keys und die Gitarre für verschiedene Bereiche zuständig waren. Gerne ordnet Jay Graydon in seinen Arrangements aber auch der Gitarre und den Keys dieselbe Aufgabe zu, um einen möglichst breiten Sound zu erzeugen. Das gewisse Etwas kommt hier jedoch durch die triolischen Ghostnotes der Gitarre auf der Zählzeit 1 zustande und sorgt für den smoothen, leichtfüßigen Charakter des Songs. Die Akkorde in diesem Song drehen sich um das Zentrum der Tonart (A-Moll). Für einen flüssigen Groove ist es sehr wichtig, dass sich die rechte Hand nach den Triolen richtet. Das hat zur Folge, dass die Anschlagsbewegung auf jeder zweiten Hauptzählzeit in die entgegengesetzte Richtung läuft. Die Akzente in Takt 8 gestalten sich durch diesen Umstand eventuell etwas tricky.
Airplay “Nothin’ You Can Do About It”
Ebenfalls in die erste Hälfte der 80er Jahre fällt auch das schon erwähnte Projekt Airplay, das Jay Graydon gemeinsam mit David Foster ins Leben rief. Der Song “Nothin’ You Can Do About It” von ihrem einzigen Album ist ein absoluter Ohrwurm und darf natürlich in diesem Workshop nicht fehlen. Für den Rhythmusgitarrenpart habe ich den ersten Teil der Strophe ausgewählt, der zum einen harmonisch sehr interessant ist, zum anderen auch schon mehrere Merkmale aus vorangegangenen Songs in sich trägt.
Der Groove ist ähnlich aufgebaut wie bei Al Jarreaus “Breakin’ Away”. Außerdem übernehmen in diesem Song auch, wie wir es schon bei “Black And Blues” kennen gelernt haben, die Keys und die Gitarre dieselbe Funktion und präsentieren hier zudem ein absolutes Musterbeispiel zum Thema “Chord Melody”! Vereinfacht gesagt finden wir hier im ersten Abschnitt die Akkorde Cm und Fm, die mit einer ab- und später wieder aufsteigenden Basslinie unterlegt sind. Die beiden aufsteigenden Basstöne zurück zum Cm7 Akkord sind dabei noch einmal separat harmonisiert. Auf dem Bb finden wir einen grundtonlosen C7 Akkord, auf dem B (H) einen alterierten G7 Akkord. Am Ende moduliert der Change ganz elegant über zwei Sus-Akkorde nach Ab-Dur. In den Akkorden ist, wie eben schon erwähnt, eine kleine Melodie enthalten, die das harmonische Gerüst viel beweglicher erscheinen lässt. Für das Feel ist es wichtig, die vorgezogene 2 sowie die sonstigen zweiten und vierten Zählzeiten ein wenig mehr zu betonen. Auch schadet es dem “Swing” nicht, wenn man immer mal wieder die geschwungenen Achtel zwischen den Hauptzählzeiten ganz leise als Ghostnotes betont. Im Solobeispiel der Gitarre kann man das ganz gut hören.
Der Jay Graydon-Workshop Teil 2 – Solo Guitar
Jay Graydon ist nicht nur ein absolut fantastischer Rhythmusgitarrist, sondern auch ein sehr versierter Solist. Außerdem versteht er es, wie z.B. auch sein Kollege Steve Lukather, Gitarrensoli im Pop-Kontext in 16 Takten klar auf den Punkt zu bringen. Diese Tatsache will ich für euch an dem Solo zum Airplay Song “Nothin’ You Can Do About It”, den wir ja eben schon kennengelernt haben, genauer beleuchten. Wir finden hier ganz typische Merkmale eines Pop-Gitarrensolos, das in den 80er Jahren beheimatet ist. Das Solo ist, wie so oft, als Fill In gedacht, bevor es in den Schlussteil des Songs geht. Jay zeigt hier ein gutes Gefühl für Ausgewogenheit zwischen eingängigen Melodiebögen, wiederkehrenden Motiven und dem gewissen Maß an “Sportlichkeit”, das einem gelungenen Gitarrensolo auf jeden Fall immer förderlich ist!
Das Solo beginnt nach einer Modulation, die in der Begleitung für etwas frischen Wind sorgt. Der Akkordablauf besteht aus einem Zirkel aus sus2sus4-Akkorden (Dur-Dreiklang über Sekundbass), der sich nach der Hälfte der Form einen Halbton tiefer wiederholt. Aufgrund dieser Struktur ist eine modale Betrachtung des Skalenmaterials erforderlich. Das heißt, jedem Sus-Akkord lässt sich die mixolydische Skala (Durtonleiter mit kleiner Septime) zuordnen (B-mixo / D-mixo… usw.). Jay beginnt das Solo mit einem schönen melodischen Motiv, das er in Takt 3-4 gleich noch einmal aufgreift und eine Oktavlage tiefer leicht abgewandelt verarbeitet. Es folgt eine aufsteigende Linie, die ihren Höhepunkt mit einem langen Ton auf dem Bbm7 Akkord findet und damit auch den Abschluss der ersten Hälfte des Solos markiert. In dieser aufsteigenden Linie ist ebenfalls sein gekonnter Umgang mit rhythmischen Motiven gut erkennbar. Die den Rhythmus anschiebende Sechzehntelrhythmik (im ersten Teil in Triolen) wiederholt sich vor Takt 6 in normalen Sechzehnteln, um diesen Effekt noch einmal herbeizuführen. In Takt 8 begegnet Jay dem Fill In und der gleichzeitigen Modulation mit einem Pattern, hauptsächlich bestehend aus Dreiklängen, das seine Schwierigkeit vor allen Dingen in dem Sprung in der letzten Triole hat. Die Triolen in Takt 8 bestehen zum großen Teil aus Hammer-Ons und Pull-Offs. Die Schwierigkeit liegt hier in der kurzen Überstreckung zum c” (13. Bund, B-Saite), da sich diese Phrase nur auf einer Saite realisieren lässt. Danach geht es weiter in ein Repeating Pattern, gespickt mit Bendings, die auch aus dem Hause Lukather stammen könnten und für die gehörige Portion Dramatik im Solo sorgen. Die den zweiten Teil bestimmende schnelle Triolenrhythmik wird bis zum Schluss fortgeführt und sorgt für ein pompöses Finale, das, vielleicht beim ersten Mal etwas überraschend, sehr abrupt durch das Bläser Fill In im 3/4 Takt unterbrochen wird.
Ich habe auch das Solo noch einmal aufgenommen und hierzu ebenfalls einen Backing Track bereitgestellt. Das Solo lässt sich hervorragend in einzelne Parts aufteilen und gibt einem so die Möglichkeit, schwere Stellen systematisch zu erarbeiten. Auf Youtube findet ihr eine tolle Liveversion des Songs, bei der man Jay auf die Finger schauen kann. Lediglich den Takt 10 hat er hier etwas vereinfacht.
Ich hoffe, ich konnte Euch mit diesem Workshop die musikalische Welt von Jay Graydon ein Stück näher bringen und wünsche Euch viel Spaß beim Üben!
Slashgad sagt:
#1 - 18.08.2014 um 12:00 Uhr
Sehr guter Workshop!!! DANKE! Kein so großer Name, kein so auffälliges Spiel und dennoch ein Top-Gitarrist und für die Songs unverzichtbar!
doeni2 sagt:
#2 - 19.02.2017 um 12:39 Uhr
ich bin zwar Schlagzeuger, möchte mich aber dennoch dafür bedanken, dass sich jemand mit dieser großartigen Musik mit dem nicht minder großartigen Jay Graydon beschäftigt!Viele Grüße
Daniel