PRAXIS
Das JZ Microphones Vintage 11 darf sich schon einmal warmlaufen. Es wird schon bei der Platzrunde deutlich, dass Spritzigkeit und Agilität hier die falschen Attribute sind. Mein erster Blick geht in die technischen Daten… tatsächlich: Das Elfer verfügt über eine massive Bassüberhöhung leicht unterhalb von 100 Hz. Für einen derartigen Bauch würde jeder Spieler unverzüglich zur Sonderbehandlung beim Fitnesstrainer geschickt. Natürlich ist der Frequenzgang eines Mikrofon Geschmackssache und von den Gegebenheiten und Wünschen abhängig, doch hat die Überhöhung auch Auswirkungen auf der anderen Seite: Normalisiert man den Pegel dieses und anderer Mikrofone, fällt auf, wie leise es klingt, da ja im Bassbereich viel Energie verbraten wird: Das Mikrofon wirkt höhenarm und muffig, geradezu lustlos und behäbig. Das ist für Mikros mit besonders großer Membranfläche generell nicht unüblich, doch ist das hier eindeutig zu viel. Außerdem ist “vintage” meiner Meinung nach mehr als das annähernde Nichtvorhandensein von Frequenzen über 10 kHz. Um es auf den (Elfmeter-)Punkt zu bringen: “Wenig Höhen” in dieser Art kann auch mein Equalizer.
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Durchaus angenehm ist aber im Zusammenhang mit dem extraordinären Frequenzgang die durchaus angenehme Kompression, die besonders in den Tiefmitten zu beobachten ist. Sollen Stimmen tieffrequent stark unterstützt werden und sind Dumpfheit und Dichte im Mix sowieso gewünscht, nimmt das V11 diese Signale volley und verfrachtet sie mit Vollspann ins lange Eck: Tor!
Besonders bei starkem Nahbesprechungseffekt durch geringen Abstand ist es aber schlicht und einfach ein klassisches Eigentor, dass das Mikrofon nicht mit einem Low-Cut ausgestattet ist. Wirklich: Hier wird ein derartiges Filter zwingend benötigt, am besten mehrstufig und mit unterschiedlichen Flankensteilheiten! Noch etwas fällt mir auf: Durch den recht offenen Korb und die große Membran ist das Mikrofon recht anfällig für Popplaute – Poppschutz oder disziplinierte Vokalisten müssen also vorausgesetzt werden.
Trotz der allgemeinen Behäbigkeit werden Konsonanten zwar ordentlich übertragen, mit den schnellen Dribbelkünsten der beiden Vergleichsmikrofone kann das Vintage 11 jedoch nicht mithalten. So fehlt mir für viele Stimmen und Mixes die gewisse Spritzigkeit, die in Zweikämpfen mit der Snare, der Hi-Hat oder sonstigen Signalen für gutes Sprachverständnis sorgt. Doch auch hier gilt: Es ist durchaus möglich, dass das JZ genau die Anforderungen erfüllt, die man in einer Produktion benötigt, beispielsweise für einen bewußt belegten Klang oder bei stark zischelndem Signal. Möglicherweise ist man in derartigen Situationen mit einem Shure SM7B genauso gut bedient – einem dynamischen Mikrofon wohlgemerkt.
Es ist mir nicht ganz klar, was ich von diesem Mikrofon halten soll. Auch nach längerer Zeit mit dem Mikrofon habe ich immer das Gefühl, dass die Auswechseltafel in die Höhe gehalten werden müsste. Die Rote Karte ist es nicht, die gezückt werden muss, denn an und für sich macht das 11 seinen Job solide, ist sehr rauscharm und zerrt sehr spät. Von einem Allrounder ist das Großmembranmikrofon aber so weit entfernt wie Griechenland von einem WM-Sieg. Das Mikro kostet gut 500 Euro; in dieser Preisklasse kann man deutlich vielseitigere Spieler auf dem Markt finden. Doch wie ist es noch gleich im Fußball: Es zählt immer das, was die gesamte Mannschaft leistet, vielleicht gliedert es sich ja doch gut ein und harmoniert mit Stimme, Instrument und Soundvorstellungen.