Wer ein Instrument spielen lernt, der kennt es: Sobald dieses Instrument irgendwo zu hören ist, kann man nicht anders, als ihm zu folgen.
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Was spielt der Musiker da? Wie ist es in Komposition und Arrangement untergebracht? Wie klingt es, wie wird artikuliert? Vielleicht auch: Welche Fehler lassen sich erkennen? Und dann nicht zuletzt Vergleiche: Könnte ich das selber so spielen? Oder was würde ich anders machen? Kaum ist man in diesem Gedankenkarussel gefangen, verliert man den Blick für das Ganze.
Beim Hören von kompletten Musikproduktionen geht es Tontechnikern und Producern oft nicht anders. Schon geht die große Analyse los. Wie ist die tonale Balance, wie wurde komprimiert, wie ist mit dem EQ und anderen Effekten umgegangen worden? Was „leistet“ der Musiker, wie sind Räume eingesetzt, gibt es Fehler, Auffälligkeiten, Besonderheiten? Was das wohl für ein Vocal-Mikro war? Und ist das nicht recht eindeutig ein patschiger 1176 auf der Snare? Hand auf’s Herz, viele werden Mischungen schnell „professionell“ hören, ganz so, als würden sie innerlich den Artikel Nach diesen Kriterien beurteilst du (d)einen Mix durchgehen. Je mehr man weiß, je länger die Hörerfahrung, desto besser werden auch die Analysefähigkeiten.
Vielleicht ist dieser Artikel ein Denkanstoß: Es lohnt sich, einfach mal zwei Schritte zurückzugehen, zu entspannen und einfach nur ein komplettes Werk in seiner gesamtheit wahrzunehmen. Analysemodus aus, Genießen an. Denn: Wer das kann, kann den „Consumer“-Blickwinkel einnehmen. Und genau dieser ist wichtig, denn Musikproduktionen werden vor allem für Hörer gemacht und nicht für uns paar Tontechniker. Wirklich, es ist ein gutes Zeichen, wenn man sich nach dem Hören die Frage stellt, ob die Snare ein eigenes Reverb bekommen hat und ob die Gitarren wohl gedoppelt waren – aber die Antwort nicht weiß. „Keine Ahnung, habe da nicht so drauf geachtet. Aber der Song ist einfach total klasse!“ ist die zuerst wahrscheinlich beste Reaktion.
Aber ist bei Laien anders? Schließlich wird ein Musikfreund einen neuen Song mit dem vergleichen, was er bereits kennt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. Und je besser er eine Musikrichtung kennt, desto stärker werden diese Fähigkeiten.
Jeder Profi sollte in der Lage sein, eigene wie fremde Produkte so neutral wie möglich beurteilen oder schlichtweg nutzen zu können. Es wäre ja fürchterlich, wenn der Koch jedes Mal, wenn er zubereitete Speisen, Lebensmittel oder Gastronomien sieht, seine „Berufsbrille“ aufziehen würde. Und für Maler, Friseure und Bekleidungsverkäufer gilt das genauso wie für Automechaniker, Gärtner, Pädagogen, Architekten, ja sogar Sexualtherapeuten.
Es gibt viele Techniker, die Fähigkeit zum unbedarften Musikhören erst verlernt, dann aber wiedergefunden haben. Also keine Panik, falls die Magie der Musik auseinanderbricht und man nur noch Geräte, Plug-ins, Pegelverhältnisse, Stereoverteilungen, Edits und Melodyne-Vocals hört – meist kommt es wieder.
Wie ist das bei euch?