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Karriereaufbau für Bands immer schwieriger

Die Bedingungen für einen erfolgreichen Karriereaufbau von Musiker/innen mit „handgemachter“ Musik verschärfen sich immer mehr. In der Musikindustrie im Ganzen wird mehr Geld umgesetzt denn je – es kommt jedoch nicht unbedingt mehr davon an der bescheidenen breiten Basis der Musikindustrie, also bei kleinen und mittelgroßen Künstler/innen, an. Der Karriereaufbau für Bands wird immer schwieriger.

Teaserfoto: Shutterstock, kondr.konst
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Die Kosten steigen, das Feld wird gedrängter

Gagen und Deals steigen nicht proportional zu den steigenden Kosten für Unterbringung, Reisen und Verpflegung, Showcase Festivals arbeiten zum Teil sogar ohne Gagen, während Streamingeinnahmen nicht mal annähernd ausreichen, um die entstehenden Einkommenseinbrüche zu kompensieren. „Laptop-Acts“ haben es leichter, ihren logistischen wie personellen Aufwand stark zu reduzieren, um dem steigenden finanziellen Druck hinter Produktionen und Konzerten beizukommen. Bands und Einzelkünstler/innen, die auf eine vollständige Bandbesetzung nicht verzichten können, schauen derweil blöd aus der Wäsche. Dieser Eindruck entsteht zumindest bei uns in der Redaktion, bestehend aus aktiven selbstständigen Künstler/innen, die als Acts, von Produktion und Songwriting über Instrumentaltätigkeiten bis hin zu Labelarbeit und Kulturförderung in verschiedenen Bereichen der Branche tätig sind.

Nostalgie der Scheiternden oder bittere Realität?

Aber ist das alles wirklich so? Bloß ein nostalgie-gefüttertes Gefühl derjenigen, die es in diesem schon immer kompliziert gewesenen Business nicht dahin schaffen, wo sie sich erträumen, zu landen? Welche Strategien gibt es, um auch für „handgemachte“ Musik noch einen finanziell tragbaren Karriereaufbau im Live-Geschäft zu gewährleisten?

Wir haben von Till aka Tiflis Transit gefragt, der seit Jahren als Künstler, DIY-Booker im Indie-Bereich und Mitarbeitender des in Berlin ansässigen Labels Listen Records ist:

Ihr tragt sicherlich kein nostalgie-gefüttertes Gefühl mit euch herum, diese Entwicklungen lassen sich doch viel eher gut unterfüttert einordnen in das eifrige, weiterhin entfesselte Schneisenschlagen des Turbokapitalismus, der vor allem die Wege frei und breiter macht für die ohnehin schon Großen und Mächtigen. Dazu gibt ja beispielsweise die wirklich empfehlenswerte Dokureihe Dirty Little Secrets, insbesondere für Außenstehende, Aufschluss.

Dirty Little Secrets: Doku-Serie deckt unangenehme Geheimnisse der Musikindustrie auf Artikelbild
Dirty Little Secrets: Doku-Serie deckt unangenehme Geheimnisse der Musikindustrie auf

Die Doku-Serie „Dirty Little Secrets“ des Bayrischen Rundfunks stellt solche fast schon allgemein gültigen Narrative, Halbwissen, Zahlen und Annahmen auf den Prüfstand.

07.09.2023
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Aber fangen wir mal kleiner an: Die Aufbauherausforderungen für handgemachte Musik im Live-Bereich sind immens, wenn nicht sogar zerstörerisch groß und erfordern wenigstens ein großes Opfer, um die Projekte überhaupt auf die Bühne bringen zu können, solange sie nicht rentabel sind, sollten sie es jemals werden. Wo ich anfange die Problematik aufzuzäumen, ist mehr oder weniger egal, denn es hapert an allen Ecken und Enden. Wenn ich von vielen meiner befreundeten Independent-Acts ausgehe, oft Einzelkünstler/innen mit Live-Band, gelangt man immer schneller zu der Frage: Wie soll ich das bezahlen?

Selbst kleinste DIY-Produktionen, zum Beispiel ein Trio ohne weitere Begleitpersonen, können schlecht von 500 Euro Gage pro Show über die Runden kommen, wenn sie von Show zu Show täglich 300 km fahren, ggf. einen Mietwagen finanzieren müssen etc. Und in dieser Bandkonstellation ist genau das noch am wahrscheinlichsten, rechnen wir wirklich alle Einnahmen (Merch, GEMA, Gage, weitere indirekte Einnahmen) mit ein. Das ist aber die Realität und fußt nicht einmal auf einem Beispiel der großen zahlenmäßigen Erfolglosigkeit in diesem Bereich. Ich als jemand, der seit etwa acht Jahren auf selbst- oder indiegebuchten Touren unterwegs ist, komme eigentlich immer wieder zu dem Schluss: ohne Förderung geht es kaum oder gar nicht, wenn man mit Band unterwegs ist. Im Bandkonstrukt muss immer jemand verzichten und das ist fast immer der oder die Künstler/in, was wiederum ein hohes Maß an Leidenschaft bzw. Leidensfähigkeit sowie eine gewisse selbstausbeuterische Ader oder ordentlich Taschengeld voraussetzt. Um diesen Schluss aber nun in etwas Konstruktives zu wandeln, folgt der obligatorische, gebetsmühlenartige Appell: Clubs, die kleinere und independent Acts veranstalten und über die entsprechende Infrastruktur verfügen (die Liste dieser ist in Deutschland glücklicherweise erstaunlich lang, bspw. div. Soziokulturelle Zentren), müssten zu jeder Zeit über eine Grundförderung von sagen wir einmal 1000 Euro Gage pro Newcomer-Show und -Acts verfügen dürfen, ohne große bürokratische Hürden:

Punkt 1: Die Mittel, die hier vom Staat ausgegeben werden müssten, sind so verschwindend gering im Vergleich zu anderen Subventionen oder auch im Vergleich mit der Hochkultur-/E-Musik-Sparte, dass es einer weiteren Argumentation aus meiner Sicht nicht bedarf. Für die Qualität der Konzerte würden ja die erfahrenen Clubs sorgen.

Punkt 2: Jetzt zurück ins Haifischbecken der freien Wirtschaft, mit der wir Independent-Künstler/innen ja so oder so schon hadern: es liegt ebenso in der Hand von den großen Playern wie übergroßen Streamingdiensten, Veranstaltenden, Ticketing-Anbietern und auch der GEMA, dass in der breiten Masse so wenig ankommt, denn: Die Verteilmechanismen all dieser Unternehmen sind schlicht und ergreifend grundlos ungerecht und intransparent, ganz zu schweigen von den weiteren Ungleichheiten, die dieser Status Quo erzeugt.

In der breiten Masse aber ist ein Euro ja viel mehr wert als bei den Klaus-Peter Schulenbergs (Eventim) und Daniel Eks (Spotify) dieser Welt, denn er macht einen viel größeren Teil der Gesamtumsätze am Ende der Nahrungskette aus.
Solange sich aber auf diesen monopolitären Ebenen nichts ändert, hilft nichts anderes, als sich auf den Hosenboden zu setzen und sich in akribischer Kleinstarbeit Lösungen für all die Probleme, die mit dieser Welt voller Barrieren einhergehen, auszudenken, immer auf die Gefahr hin zu scheitern. Sprich: sich auf geeignete Fördertöpfe bewerben, Kosten einsparen, Extraschichten schieben oder – aufhören. Pessimistisch? Vielleicht. Realistisch? Vermutlich leider schon. Wie geht es euch mit dieser Thematik? Lasst es uns in den Kommentaren wissen…

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Profilbild von Gunter

Gunter sagt:

#1 - 01.03.2024 um 12:36 Uhr

1

Die im Artikel genannt „lange Liste mit Clubs, die kleinere und independent Acts veranstalten und über die entsprechende Infrastruktur verfügen (bspw. div. Soziokulturelle Zentren) - die hätte ich gern. ;-)

    Profilbild von paule

    paule sagt:

    #1.1 - 07.03.2024 um 15:49 Uhr

    0

    gab vor jahren eine zusammenstellung aus dem dunstkreis des plastic bomb, eines der größten und wichtigsten punk-fanzines der linken undergroundkultur namens "buch dein eigenes beficktes leben". hier ein interview des ox-fanzines mit einem der macher von- schlag mich tot, ich hab kein datum entdeckt: https://www.ox-fanzine.de/interview/buch-dein-eigenes-beficktes-leben-444 ich hab jahrelang mit viel getoure in semi-pro-bands genau dieses klientel bedient und hab eben innerhalb von bandkollektiven aus der ecke punk/reggae/ska/mod/garage/soul zumindest ein amtliches zubrot gehabt. und konnte manchmal auch ausschließlich überdem hartz-niveau davon leben. wir haben aber auch platten, merch, management, booking etc. selbst gemacht und eben keine geier dazwischen gehabt, die für ein wenig sesselfurzen einen haufen geld abzwacken. auch da kann man durchstarten, wenn man es richtig macht und ein gehöriges stück glück hat, siehe combos wie beatsteaks- die kommen aus genau dem selben sumpf- aber mir war es immer lieber, n geiles lockeres semi-pro-leben mit ergänzenden einnahmen aus anderen bereichen zu führen, als meine komplette energie in den unsicheren aufbau von starruhm zu investieren; es gab durchaus ein paar bands, wo alle inkl. freunde mit den nötigen drähten alle register gezogen haben, um ein paar wirklich gute bands zu pushen, was aber leider trotz gigantischen zeit- und nervaufwands nicht funktioniert hat.

Profilbild von Hans-Joerg

Hans-Joerg sagt:

#2 - 06.03.2024 um 21:19 Uhr

0

Staatliche Förderung, weil zu wenig Leute zu den Konzerten kommen und die auch noch zu wenig Eintritt bezahlen. Clubs kriegen unbürokratisch (Steuer-)Geld, wenn die irgendeine Versagertruppe rumplärren lassen. Oper/Theater wird ja auch gefördert, dann machen wir das mit Clubs auch. Super Idee.

    Profilbild von Amos omb

    Amos omb sagt:

    #2.1 - 07.03.2024 um 15:46 Uhr

    0

    Nun ja grad im Theaterbereich wird ja auch Müll ohne Ende aufgeführt und als grosse Kunst verkauft. Ausziehen und in Pampe rumwälzen ist meiner Meinung nach auch nicht grad Förderungswürdig. Und nicht jede Gruppe ohne Erfolg ist eine Versagertruppe. Ich habe in kleinen Clubs schon Bands gesehen wo man sich klar fragt was machen die denn hier, warum kennt die keiner?

    Antwort auf #2 von Hans-Joerg

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Profilbild von Derschulz

Derschulz sagt:

#3 - 07.03.2024 um 11:28 Uhr

0

Ist schon interessant zu sehen, dass viele bereit sind für sehr Bekannte Künstler viel Geld bei Live Veranstaltungen auszugeben. Zurzeit befindet sich die Musikkultur im Wandel. Viele besuchen nur noch Mega Konzerte und kleine Veranstalter bleiben auf der Strecke, weil das Publikum fehlt. Die großen Player haben es geschafft alles platt zu machen. Nun kann man sich fragen, wie dieses das Jahrzehntelang immer weiter ausbauen konnten, ohne dass es wirklich mal eng für die geworden ist. Fast alle großen und bekannten Musiker haben da mitgezogen und sich dem angepasst. Ein zusammen tun unter Künstlern, um sich zu wehren zwischen groß und klein ist scheinbar nicht gewollt oder noch nicht angeregt worden? Wenn alle Künstler sich verbünden würden. Dann wäre das eine Gruppe, die auch die großen Global Player nicht übersehen und übergehen könnte. Da wäre aber dann eine Gemeinschaft gefragt, in der auch die großen und bekannten Künstler , die kleinen Unterstützen, was aber nicht annähernd zu sehen ist.

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