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Kawai ES120 Test

Praxis

Das Kawai ES120 ist zunächst einmal sehr einfach bedienbar. Einschalten, spielen und Spaß haben. Wer ein wenig in die Tiefe gehen möchte, wird sehr schnell mit einer unübersichtlichen Bedienung á la „bei gedrückter Taste eine Klaviertaste betätigen“ konfrontiert. Am besten notiert man sich persönlich häufige benutzte Tastenkürzel auf einem kleinen Zettel.

Das Schichten (Layer) zweier Klänge geht einfach. Man drückt und hält einfach zwei Klangtasten. Schnell erstellt ist die beliebte Kombination aus Klavier und Streichern. Bei den Keyboard-Splits muss man sich auf einen festen Splitpunkt bei C4 einstellen. Insgesamt vier Speicher für Registrationen sind zwar nett gemeint, aber für die Praxis zu knapp bemessen. Wer live spielt, kann immerhin seine vier Lieblingsklänge zum schnelleren Aufruf ablegen. Ansonsten ist die Soundauswahl im Live-Betrieb eher umständlich.

Ein weiteres typisches Beispiel für die Bedienung mit dem Kawai ES120: Man muss die Transpose- und Piano-Taste gedrückt halten und eines der Schlagzeugmuster mit einer Klaviertaste zwischen C6 und E7 anwählen. Welchen Groove man gerade hört, ist nicht ersichtlich. Ums Tastendrücken und Probieren kommt man nicht herum. Leider vermisst man beim Abspielen der Schlagzeug-Grooves und Benutzung des Metronoms einen Regler für die Justierung des Tempos. Letzteres wird auch über die Tastatur des ES120 eingestellt.

In Klartext: Der günstige Preis setzt bei der Bedienung eindeutig Grenzen. Wer häufig und viele Einstellungen am Gerät treffen und sie speichern möchte sowie eine visuelle Kontrolle benötigt, muss einfach mehr investieren und sich für ein Piano mit Display entscheiden. Für denjenigen, der einen Sound wählt und damit lange spielt, passt das ES120 prima.

Virtual Technician App

Interessant wird das ES120 für den Technik-affinen Tablet-User. Besitzer eines Apple iPad können mithilfe der App „Virtual Technician“ tief in das Innenleben des ES120 eingreifen. Mit ihr erhält man über Bluetooth direkten Zugriff auf viele weitere Parameter und Funktionen des Instruments, die von außen nicht zugänglich sind.

KAwai ES120: Virtual Technician App
Mithilfe der Virtual Technician App von Kawai hat man Zugriff auf recht viele interne Parameter des ES120. (Quelle: Kawai)

Wie klingt das Kawai ES120?

Bei diesem attraktiven Preis ist man positiv überrascht: Das Kawai ES120 klingt sehr gut und auch vielseitig. Eine Auswahl prominenter Klänge spielen wir der Reihe nach an. Den Anfang machen die akustischen Pianos. Sie gefallen durchweg mit einem brillanten und artikulationsreichen Klang über den gesamten Tonumfang. Authentische Pianos für sehr weiche romantische Stimmungen oder gar das trendige „Felt Piano“ sind wie auch die semiakustischen Vintage-Klaviere (Kawai EP-608, Yamaha CP-70) nicht vertreten. Die gebotenen Klavierklänge treffen aber wunderbar den Mainstream aktueller Klassik- und Popliteratur.

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Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Concert“ Kawai ES120 „EX Concert Grand Piano Concert“ Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Mellow“ Kawai ES120 „Upright Piano“ Kawai ES120 „EX Concert Grand Piano Pop“ Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Jazz“

Die E-Piano-Klänge des Kawai ES120 konzentrieren sich auf Rhodes (Tine Electric Piano) und Wurlitzer (Reed Electric Piano), ein Clavinet ist nicht im Angebot. Wie auch das klassische FM-Rhodes (Modern Electric Piano) sind diese Sounds passabel. Jazz- und Blues Organ sowie eine leicht digital klingende Kirchenorgel runden die Sparte „E.Piano“ des Kawai ES120 ab.

Audio Samples
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Kawai ES120 „Tine Electric Piano“ Kawai ES120 „Reed Electric Piano“ Kawai ES120 „Modern Electric Piano“ Kawai ES120 „Jazz Organ“ + „Blues Organ“ Kawai ES120 „Church Organ“

Für sinnvolle Split- und Layer-Kombination gibt es beim Kawai ES120 schließlich noch die Rubrik „Other“. Hier stehen zwei Streicher-Presets, ein Chor, ein digitales Synth-Pad, Akustik- und E-Bass sowie Cembalo und Vibraphon bereit. All diese Klänge sind solide und bereichern die klanglichen Möglichkeiten des Digitalpianos.

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Kawai ES120 „Choir“ + „Slow Strings“ Kawai ES120 „New Age Pad“ Kawai ES120 „Wood Bass“ + „Electric Bass“ Kawai ES120 „Vibraphone“ + „Harpsichord“

Das Aufgebot kann man insgesamt qualitativ als überdurchschnittlich bezeichnen, wenn man vergleichbare Digitalpianos heranzieht.

Welches Gesamtgefühl kommt auf?

Beim Kawai ES120 fühlt man sich sofort wohl. Vor allem die akustischen Klaviere sind gut und differenziert über die Tastatur spielbar. Das Dynamikverhalten kann man zwar individuell regulieren, man wird diese Option in der Praxis aber kaum nutzen. Die Klaviatur ist eher leichtgängig (auch im Vergleich zum Kawai ES8, das neben dem Testgerät steht). Sie fühlt sich mehr als ein „Allrounder“ für Klavier, E-Pianos und Orgeln als ein dediziertes Spielmanual fürs Klassik-Piano an.

Kawai ES120 Tastatur
Die Tastatur des Kawai ES120 vermittelt ein angenehmes Spielgefühl. (Quelle: Bonedo)

Das Lautsprecher-System arbeitet ordentlich, auch wenn bei einer Leistung von 2 × 10 Watt noch Luft nach oben ist. Es lohnt sich übrigens, den Equalizer für die Lautsprecher zu probieren. In vielen Situationen reicht die Gesamtlautstärke. Bei Auftritten mit einer Band wird man sowieso einen separaten Verstärker und dafür den Stereo Line-Ausgang nutzen. Alternativ lässt sich ein Bluetooth-Lautsprecher verwenden.

Pädagogisch macht das Kawai ES120 auch eine gute Figur. Es verfügt über ein Metronom und die Recording-Funktion kann zur Selbstkontrolle beim Üben dienen. Mit den Schlagzeug-Grooves kommen gerade Spieler aus dem Pop-/Rock-Bereich auf ihre Kosten. Man kann an seinem Timing arbeiten und sich schon aufs Spielen in der Band besser vorbereiten. Aber selbst für den Hausgebrauch macht es Spaß, damit zu arbeiten.

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Profilbild von Wost

Wost sagt:

#1 - 19.10.2022 um 09:39 Uhr

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"Wir haben uns den Nachkömmling einmal genau angeschaut." Der Autor hätte auch einen Blick in die von Kawai bereitgestellten Informationen werfen sollen: Bluetooth Audio dient beim ES120 nicht der Verbindung mit Lautsprechern. Das ES120 kann Bluetooth-Audio empfangen und somit als Bluetooth-Lautsprecher dienen. Der kritisierten unhandlichen Bedienung am Gerät hätte man die mit dem ES120 nutzbare PianoRemote App von Kawai, die für Android und iOS verfügbar ist (auf Smartphones und Tablets) gegenüber stellen sollen. Damit lassen sich Sounds anwählen (auch Dual, Split), Einstellungen vornehmen (Transpose, Reverb, u.a.), die Funktion des Virtual Technician steckt ebenfalls darin. Wenn sie sich die App nochmal in Verbindung mit dem ES120 anschauen würde mich interessieren, ob die unter Metronom in der App auswählbaren Rhythmen den 100 im ES120 enthaltenen entsprechen (dann wäre auch diese Kritik aus dem Artikel entschärft), oder ob die App eine eigene Auswahl abspielt.

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