Das Kemper Power Kabinet füllt die Lücke, die sich auftat, als im März 2020 das Kemper Kabinet ausgeliefert wurde. Zwar war die Freude bei den Profiler-Usern groß, dass es endlich die passende Lautsprecherbox gab, aber darunter mischten sich auch lange Gesichter, denn das Kabinet war passiv, benötigt also eine Endstufe.
Vor allem die Eigentümer des Profiler Stage schauten in die (nicht vorhandene) Röhre. Nun ist das Warten vorbei, denn die aktive Variante mit der Bezeichnung Power Kabinet ist endlich erhältlich und auch dieses Modell haben wir unter die Lupe genommen.
Details
Bis auf ein paar Details sind Kabinet und Power Kabinet identisch. Die Größe ist die gleiche, auch das Power Kabinet kommt mit den Maßen 510 x 420 x 230 mm (B x T x H) und wiegt gerade einmal 300 Gramm mehr als das passive Pendant – ein extrem erfreulicher Fakt! Die Box ist mit grünem Tolex überzogen und auf dem schwarzen Bespannstoff strahlt das Kemper-Logo in Weiß. Tragegriff und Eckenschoner aus braunem Leder sind ebenfalls an Bord und vier Gummifüße sorgen für rutschfesten Stand. Hier ist allerdings die erste Veränderung zum passiven Kabinet zu vermelden, denn auf der Unterseite befinden sich zwei ausklappbare Metallbügel, mit deren Hilfe man das Power Kabinet leicht gekippt positionieren kann. Das ist eine sehr simple, aber extrem hilfreiche Möglichkeit, die Box in Richtung Spielerohren zu kippen, damit bei der Positionierung auf dem Bühnenboden nicht zu viel Schall durch die Hosenbeine flattert. Ein weiterer Unterschied ist dann auf der Front oben rechts sichtbar. Hier ist ein dreieckiges Bedienfeld mit einem Chickenhead-Regler (Volume) und einem kleinen Power-Schalter mit integrierter Status-LED. Ebenfalls simpel, aber praktisch, dass die Bedien- und Kontrollelemente von vorne zugänglich sind. Bei vielen Fullrange-Cabs befindet sich alles auf der Rückseite, und will man schnell mal lauter oder leiser drehen, muss man hinter das Cab steigen. Wie gesagt, das ist kein Weltwunder oder die Neuerfindung des Rades, aber einfach mal an die Praxis gedacht. Die Anschlüsse sind an der Rückseite geparkt, einmal die Buchse für das Kaltgerätekabel und der Input mit 6,3 mm Monoklinke. Einen Ausgang zum Durchschleifen gibt es nicht, aber da der Kemper Profiler genügend Anschlüsse zur Verfügung hat, ist das auch nicht notwendig. Das Power Kabinet ist sehr gut verarbeitet und macht einen soliden Eindruck. Damit das gute Stück auch beim Transport entsprechend geschützt ist, gibt es ab Werk noch eine grüne Schutzhülle gratis dazu.
Endstufe/Speaker
Unser Testkandidat ist mit dem 12″ Kemper Kone Speaker (Belastbarkeit 200 Watt) bestückt, der von Kemper gemeinsam mit Celestion entwickelt wurde und der auf den Profiler abgestimmt ist. Dazu können im Profiler noch diverse Feineinstellungen vorgenommen und sogenannte Speaker Imprints geladen werden. Das funktioniert mit der Profiler-Software 7.2 und höher. Mehr Details zum Kemper Kone und den Speaker Imprints erfahrt ihr im Test zum passiven Kemper Kabinet.
Die Verstärkung übernimmt eine Class D-Endstufe, die auch ordentlich Dampf machen kann. Im Profiler besteht zudem die Möglichkeit (auch bei den Ausführungen ohne Endstufe und Profiler Stage), die Power Amp Boost-Funktion zu aktivieren und damit zusätzlich bis zu 12 dB mehr Pegel auf die Endstufe zu schicken. Die verkraftet das locker und ohne unerwünschte Verzerrungen, sodass man mit dem Cab auch für den Einsatz in der Band und auf der Bühne sehr gut gerüstet ist. Natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen zum Thema Leistung und wie viel Watt ein Amp braucht. Aber soviel sei gesagt: Wer mit einem Fender 1×12″ Combo die Bühne betritt, wird wenig Probleme beim Umstieg auf das Power Kabinet haben. Wer ein Marshall Fullstack gewohnt ist, dem wird naturgemäß ein 12″ Speaker nicht ausreichen. Aber das liegt – abgesehen von den Eigenheiten und den Unterschieden zwischen Transistor- und Röhrenendstufen – weniger an der Leistung des Amps, sondern eher an der Größe der Membranfläche.
Da viele Fullrange-Cabs mit sehr hohen Wattleistungen hausieren gehen, haben wir diesbezüglich bei Christoph Kemper nachgefragt und sein persönliches Statement zum Thema Leistung von Gitarrenverstärkern ganz speziell mit Blick auf den Kemper Kone Speaker eingeholt:
Peaks ohne Verzerrung benötigen eine viel höhere Wattzahl, sodass sich alles aufheizt. Aber diese Peaks sind zu kurz, um zu viel Wärme zu sammeln. Eine 100-Watt-Glühbirne kann problemlos mit 200 Watt belastet werden, jedoch sollte man dies nicht länger als einige Millisekunden tun. Und dann sollte man die Birne noch einige Millisekunden abkühlen lassen, bevor sie erneut mit 200 Watt konfrontiert wird. Genau das macht der Pick-Attack mit dem Lautsprecher. Dies gilt nicht nur für das Kemper Power Kabinet, sondern für alle aktiven und passiven Lautsprecher anderer Hersteller.
Das Power Kabinet liefert in der Spitze mehr als 600 Watt und die Endstufe des Kemper Power Head und Power Rack mehr als 1200 Watt, und der Kone-Lautsprecher kann damit umgehen, solange die Dauerleistung von 200 Watt nicht überschritten wird.
Um die entscheidende Dauerleistung zu visualisieren, hat der Profiler ein Wattmeter, das die Strombelastung des Kemper Kone anzeigt. So bekommt man einen Eindruck davon, wie wenig Dauerleistung benötigt wird, um eine hohe Lautstärke zu erhalten. Das Wattmeter ist auch bei den Profilern ohne Endstufe zu sehen, damit man die Leistung am angeschlossenen Power Kabinet ebenfalls beobachten kann.
Bassfrequenzen verbrauchen normalerweise am meisten Watt – sehr heftig sind dabei Riffs auf den tiefen Saiten mit Palm Mute gespielt. Auf der “Kemper Kone”-Seite im Output-Menü des Profilers gibt es einen “Bass Boost”-Schalter. Dieser dient zum Ausgleich des Bassverlustes, wenn das Kabinet nicht auf dem Boden platziert ist (z. B. auf einem Ständer oder Case), und dies ist der einzige Zweck! Wenn man das Gefühl hat, dass das Kemper Kabinet zu wenig Bässe liefert, dann sollte man es auf den Boden stellen und den “Bass Boost” ausschalten – die Reflexionen des Bodens sorgen für die Bässe. Dies funktioniert seit 70 Jahren Gitarrenverstärkung und bringt vor allem das System auf etwa die Hälfte der Wattleistung. Wenn man das aber auf eine Dauerleistung von 200 Watt (nach Watt-Meter im Profiler) fährt, könnte es passieren, dass der Sänger die Band verlässt, weil der Gitarrist zu laut spielt und der Bassist genervt ist, weil die Gitarre zu viel Bassfrequenzen produziert … 🙂
Es kann auch vorkommen, dass durch die harten Pick-Attacks die Spitzenleistung überschritten wird, also der saubere Headroom der Endstufe. Es ist bekannt, dass Solid State Power Amps bei Übersteuerung ein hartes Clipping erzeugen. Der Kemper Profiler allerdings nicht – an allen Ausgängen wird weiches Clipping erzeugt, sogar weicher als jede Vakuumröhre. Das Kemper Power Kabinet ist perfekt auf dieses weiche Clipping abgestimmt. Eine cleane Gitarre in dieses Softclipping zu fahren, ist für viele Dezibel kaum wahrnehmbar, aber ab einem gewissen Pegel fängt es an, sehr schmatzig zu klingen. Allerdings hat man da schon einen recht hohen Schallpegel erreicht … Wer hohe Lautstärken benötigt und den Headroom voll ausnutzen möchte, der sollte den Lautstärkeregler am Kabinet voll aufdrehen. Die eigentliche Lautstärkeregelung wird dann ausschließlich am Monitor Volume des Profilers gemacht. Für Zimmerlautstärke ist der Regler am Kabinet jedoch kein Problem.