Praxis
Viele Gitarristen sind gezwungen, für ihren Job eine ganze Menge Sounds bereitzuhalten und dafür jede Menge Equipment mit auf die Bühne zu schleppen. Zum Beispiel der Gitarrist der Rockband, der die Sounds des letzten Albums, das im Studio mit vielen unterschiedlichen Verstärkern eingespielt wurde, auch auf der Bühne relativ originalgetreu reproduzieren möchte. Oder die Coverband, die von ihrem Saitenmann erwartet, dass er die authentischen Sounds der Hits aus den letzten vier (und mehr) Jahrzehnten im Gepäck hat. Möchte man alles richtig machen, müsste man schon für diese beiden Situationen mehrere Amps und Boxen auf die Bühne schleppen, was aus diversen Gründen kaum machbar ist. Und genau hier kommt der kompakte Kemper Profiling Amplifier PowerRack als Geheimwaffe ins Spiel. Wer vorher im Studio Profile der benutzten Amps mit spezieller Mikrofonierung erstellt hat, kann beim Gig problemlos über diese Sounds verfügen – das Ganze sogar in Zimmerlautstärke, wenn es sein muss. Das ist bei einem 100 Watt Marshall, der erst bei ohrenbetäubendem Lärm richtig zu zerren beginnt, nicht möglich. Profile vom Marshall Plexi Um einen vernünftigen Vergleich zu erhalten, habe ich meinen Marshall Plexi genommen und ein studiogerechtes Profil mit dem Kemper Profiling Amplifier PowerRack erstellt. Der Profiling-Vorgang funktioniert bestens und nach gut einer Minute und etwas Feinjustierung ist der Marshall in der Kiste. Die Signalkette sieht dabei folgendermaßen aus: Der Marshall SLP100 läuft über eine Vintage 4×12 Box mit Greenback-Speakern. Die werden von einem Neumann TLM103 Mikrofon abgenommen, danach geht es in einen Neve Preamp (neutrale Klangeinstellung) und von dort in den Kemper.
Jetzt werden die Sounds verglichen und ihr hört neben dem Original-Amp unterschiedliche Einstellungen des Marshall-Profils aus dem Kemper Profiling Amplifier PowerRack. Der hat in seiner Stack-Sektion die Möglichkeit, das Cabinet und den EQ des Amp-Profils gesondert zu schalten. Wenn wir den Kemper nun an eine Gitarrenbox anschließen, sollte dort das Cabinet ausgeschaltet sein, denn sonst hätte man die Lautsprecherbox samt Mikrofonierung doppelt im Signalweg. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass bei manchen Ampsimulationen diese doppelte Gitarrenbox mitunter nicht schlecht klingt, daher habe ich auch diese Variante mit aufgenommen. Hier sind die unterschiedlichen Einstellungen/Konfigurationen:
Original Marshall | Les Paul – Marshall Plexi – 4×12 Box – Mikrofon – Preamp |
---|---|
Profile 1 | Les Paul – Kemper Amp (EQ on / Cabinet on) – Marshall 4×12 – Mikrofon – Preamp |
Profile 2 | Les Paul – Kemper Amp (EQ on / Cabinet off) – Marshall 4×12 – Mikrofon – Preamp |
Profile 3 | Les Paul – Kemper Amp (EQ off / Cabinet off) – Marshall 4×12 – Mikrofon – Preamp |
Profile 4 | Les Paul – Kemper Amp (EQ on / Cabinet on / direkt aus dem Master Out)- Preamp |
Dynamische Ansprache
Hierzu muss aber gesagt werden, dass die Ansprüche an das dynamische Reaktionsverhalten bei jedem Gitarristen unterschiedlich sind. Wer viel im HiGain-Bereich unterwegs ist, dem kann das relativ egal sein, denn hier muss es zerren und sägen, und die Lautstärke spielt eine große Rolle. Bei den Crunch- und Mid-Gain Freunden aus der Vintage-Ecke sieht das generell anders aus, denn dort wird der Verzerrungsgrad gerne über den Anschlag geregelt. Der Amp steht normalerweise auf mittlerer Zerre und bei sachter Saitenbetätigung sollte ein nahezu unverzerrter Ton das Resultat sein. Für diese Spielart ist der Marshall Plexi ein guter Kandidat, bei entsprechender Zerrgrad-Einstellung und leichtem Anschlag mit den Fingern bleibt der Ton clean, bei härterer Betätigung nimmt die Verzerrung entsprechend zu. Das Ganze ist sehr fein aufgelöst und der Amp greift jede dynamische Veränderung auf und gibt sie gnadenlos an die Box weiter. Das sollte der Kemper Profiling Amplifier PowerRack natürlich ebenfalls auf bzw. im Kasten haben.
Hier sind die Resultate: Der Marshall über die 4×12 Box mit Mikrofon abgenommen.
Der Kemper Profiling Amplifier PowerRack (Cabinet Off) über die 4×12 Box, ebenfalls mit dem Mikrofon abgenommen.
Der Kemper Profiling Amplifier PowerRack (Cabinet On) aus dem Master Out direkt in den Recording-Preamp.
Prinzipiell ist die dynamische Ansprache gut rekonstruiert. Beim Fingeranschlag ist der Ton etwas weicher, dann wird er heller, wenn mit dem Pick angeschlagen wird, und nimmt auch an Verzerrung entsprechend zu, wenn man härter anschlägt. Aber auch dabei bleibt der Sound über die Box etwas schwächer und ist nicht so klar wie das Original oder das Signal aus dem Master-Out, und dafür gibt es prinzipiell zwei Erklärungen: Der Kemper Profiling Amplifier PowerRack muss den Klanganteil des Cabinets vom Amp trennen. Beim Profiling wird aber ein Gesamtgebilde “aufgenommen”. Dabei geht etwas an Klangqualität im Vergleich zum gesamten Profil verloren, weil die Box nicht hundertprozentig genau herausgerechnet werden kann und es ergibt sich ein Soundunterschied, auch wenn man wieder über die gleiche Box spielt. Außerdem verhält sich eine digitale Transistorendstufe, wie sie hier zum Einsatz kommt, in Ansprache und Klang anders als ein Röhrenamp. Man hat zwar die Möglichkeit, beim Kemper Profiling Amplifier PowerRack einen Power-Amp Boost hinzuzufügen, der auch das Kompressionsverhalten der Röhrenendstufe simuliert, aber das Klangergebnis wird dadurch nur minimal verändert. Ich habe jetzt noch einmal einen weiteren Anlauf genommen und den Kemper Profiling Amplifier PowerRack aus dem Monitor Out (ohne Endstufe) an eine Röhrenendstufe und die 4×12 Box gehängt, und siehe da, das Klangergebnis wird besser, vor allem in Sachen Spielgefühl, und der Druck nimmt dabei wesentlich zu.
Für dich ausgesucht
Zugegeben, in so einem Test bewegt man sich naturgemäß im Erbsenzählermodus und viele Gitarristen sind bei Weitem nicht so pingelig. Zumal diese feinen Nuancen für manche Musikrichtungen kaum eine Bedeutung haben. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, den Kemper an eine Fullrange-Box anzuschließen und das komplette Profil mit Cabinet abzufeuern. Das bringt in der Regel einen satten Sound und gute Dynamik, aber man ist natürlich von der Güte der Box abhängig und das kann schwierig für Gitarrensounds werden, denn viele Hochtöner sorgen für extremen Sägesound. Aber einen Versuch wäre auch das wert.
Für den Einsatz im Bühnenbetrieb sollte man sich auf jeden Fall noch einen Fußschalter zulegen, um die Rigs (gesicherte Amp-Profile mit Effekten) umzuschalten. Schön wäre eine spezielle Fußleiste des Herstellers, die genau auf die Möglichkeiten des Amps abgestimmt ist. Wer weiß, vielleicht kommt sie noch. Jetzt muss man erst einmal mit den MIDI-Schaltfunktionen (bis zu 128 Rigs können mit der entsprechenden MIDI-Nummer aufgerufen werden) und den beiden Standard-Fußschalteranschlüssen (zuweisbare Funktionen, z.B. Ein- und Ausschalten von Effekten) vorliebnehmen. Die Leistung des Verstärkers ist absolut bühnentauglich, obwohl man vor den hohen Angaben keinen allzu großen Respekt haben sollte. Im 16-Ohm-Modus bei 300 Watt war der Kemper Profiling Amplifier PowerRack voll aufgedreht in etwa so laut wie der Marshall mit Volume auf 10 Uhr. Aber da muss man die Kirche im Dorf lassen, das reicht vollkommen aus! Der Vorteil des Kemper Profiling Amplifier PowerRack ist nämlich, dass er den Marshall-Sound auch leise produzieren kann, der Plexi selbst ohne Powersoak nicht.
FN sagt:
#1 - 20.06.2013 um 11:07 Uhr
Schade, dass die Variante mit Power-Amp leichte Defizite zu haben scheint. Da hat das Axe FX mit Matrix Endstufe einen gewissen Vorteil. Könnte man ggf. bessere Ergebnisse mit einer anderen Endstufe erzielen?
Andreas Grunwald sagt:
#1.1 - 25.05.2017 um 14:17 Uhr
Ritter Amps ! greets & rock on, Andreas
Antwort auf #1 von FN
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenZwo5eins sagt:
#2 - 20.06.2013 um 12:49 Uhr
Warum hat man keine Fullrange PA-Box an die Endstufe angeschlossen ?
Thomas Dill sagt:
#3 - 20.06.2013 um 17:12 Uhr
Hallo Zwo5eins,
der Test ist auf den überwiegenden Einsatz im Bühnenbereich mit Gitarrenboxen ausgelegt. Hier kann man auch mit einer mikrofonierten Box das Klangergebnis aufnehmen und in den Audio Files entsprechend zu Gehör bringen. Mit einer Fullrange Monitorbox ist die Darstellung des Sounds in so einer Form nicht repräsentativ. Ausserdem, das hatte ich ja erwähnt, gibt es viele unterschiedliche Typen, dass es einfach den Rahmen des Testes sprengen würde. Schöne Grüße, Thomas
Philipp sagt:
#4 - 04.10.2013 um 11:14 Uhr
Wenn man die Gitarrenbox über den Monitor Out speist, wozu gibts dann eigentlich den Speaker Out?
Mibo sagt:
#5 - 15.10.2013 um 13:48 Uhr
Leider ist in diesem Test ein rudimentärer Fehler enthalten: Eine Gitarrenbox ist denkbar ungeeignet, um den Kemper wiederzugeben, da dieser die Charakteristik des entsprechenden Cabinets schon enthält. Eine möglichst lineare Box ist hier die Wahl der Stunde. Man schickt doch auch einen "normalen" Amp nicht durch zwei Boxen hintereinander.
Thomas Dill sagt:
#6 - 15.10.2013 um 14:28 Uhr
Hallo Mibo, lies mal den Praxis-Teil, zweiter Abschnitt, da habe ich nämlich alle Möglichkeiten aufgeführt und aufgenommen. Schöne Grüße. Thomas
Controll sagt:
#7 - 19.12.2013 um 20:43 Uhr
Also ich kann die Unterschiede bei meinem Powerhead nicht feststellen. - Alle geprofilten Amps klingen durch den Kemper Poweramp mit deaktiviertem Cabinet genau das original ... - Kann man ja schön vergleichen, wenn man das Mikro einfach da lässt, wo es ist. Ich verstehe auch nicht ganz, wie der Autor hier zu diesen Differenzen gekommen ist.
Christian sagt:
#8 - 20.12.2013 um 13:40 Uhr
Super Test, erst mal ein großes Lob Thomas!Ich habe leider befürchtet das die Endstufe nicht so klingt wie die Vorstufe. Daher ist die bessere Benotung für die Vorstufen-Version eigentlich auch klar.
Aber warum muss denn unbedingt eine Gitarrenbox hinter einem stehen? Man kann doch live auch den Kemper (Vorstufenversion) mit einer aktiven Monitorbox betreiben. Preislich ist es das gleiche und man hat genau den Sound den man auch an die PA schickt...Ich bleibe bei meinem Vorstufen-Profiler :-)
Gauselmaen sagt:
#9 - 22.12.2013 um 18:23 Uhr
Die eingebaute Endstufe hat meiner Meinung nach keinen spürbaren Einfluß auf die Profiles. Die angeschlossene Box sehr wohl, eine 4x12er kann man doch nicht mit einer Fullrange vergleichen.
Wer einen Kemper besitzt und die Rigs über ein Fullrange System ausgibt (egal ob über Monitor oder Main Output), wird sicherlich schon bemerkt haben, daß der größte Unterschied im Klangbild dann entsteht, wenn man die geprofilten Cabinets per Wahlschalter wechselt - sofort ist das Rig nicht mehr wiederzuerkennen.
Behält man das eingestellte Cabinet bei, aber wechselt ein paar geprofilte Topteile durch (bei ähnlichen Einstellungen natürlich) wird man feststellen, daß die Röhrentechnik bei den ganzen Herstellern wohl doch sehr ähnlich sein muß ;-)
Aber schon der Wechsel zwischen zwei 4x12ern samt Mikrophonierung, z.B. Marshall 1960 und Engl 4x12 V30 bringt erhebliche Unterschiede im Klangbild.
Das ist aber dennoch nicht realitätsfremd, oder ?Ich betreibe im Proberaum eine passive E-Voice 15er Box
direkt mit dem Kemper Power-Rack. Was mir dabei wirklich auffällt sind zwei Dinge.
Bei einer echten 4x12er flattern die Hosen mehr.
Die Höhen, bei zunehmender Lautstärke, werden bei der Fullrange Box auch zunehmend spitzer, da hilft nur nur runter drehen des Presence Potis, oder etwas Tape vor das Hochton-Hörnchen.
Für eine wirklichkeitsnahe Wiedergabe der Profils "Amp samt Speaker" ist eine Fullrange Box aber Pflicht, die 4x12er färbt hier zu sehr.
Thomas Dill - bonedo sagt:
#10 - 04.09.2015 um 09:05 Uhr
Hallo Rainer,
Danke für das Lob - freut mich!
ich würde auf jeden Fall den Monitor Out EQ dafür nehmen. Der ist sehr effektiv und damit kannst Du eigentlich die Sounds gut auf die 4x12 Box anpassen. Jede Lautsprecherbox braucht da immer noch etwas Finetuning. Mit meiner 2x12 Creamback Box habe ich generell die Höhen und Presence minimal abgesenkt. Da gibt es aber keinen Regelwert, ich stelle das Ganze bei Gigs meistens immer neu ein, weil jeder Raum anders klingt. Da kann es auch passieren, dass die Bässe weit zurück genommen werden.
Schöne Grüße, Thomas
Thomas Kruck sagt:
#11 - 17.06.2017 um 06:08 Uhr
Hallo Thomas,
Sehr guter Test (wie immer).
So wie ich das gelesen (verstanden) habe wurde mit dem Marshall nur ein Studioprofil erstellt und dann bei dem Test mit dem Cab einfach die Cabsimmulation ausgeschaltet.
Ich glaube bei einem Direkt-Profile ohne Box sind die Unteschiede zwischen dem Kemper und dem Plexi nicht so gross da die Box vom Kemper nicht rausgerechnet werden muss. Ein Teil des Cab- Parts in einem Studio Profile bleibt, auch bei ausgeschalteter Cab Simulation, immer erhalten und verfaerbt den Sound.
Gruss
Thomas
Thomas Dill - bonedo sagt:
#12 - 17.06.2017 um 07:27 Uhr
Hallo Thomas,
Du hast recht. Der Test ist schon etwas älter, zu dem Zeitpunkt gab es die Möglichkeit eines Direktprofils noch nicht.