Klavierbegleitungen vom Leadsheet spielen ist nicht so schwer. Wie man lernt eine ansprechende Klavierbegleitung mithilfe von Leadsheets umzusetzen, erklären wir detailliert in unserem Workshop.
Viele Tastenmenschen kennen die Herausforderung bereits aus dem Unterricht: Vorgelegte Noten möglichst schnell umsetzen, die Königsdisziplin. Aber keine Angst, es geht hier nicht um einen vom-Blatt-lesen-Marathon gehen. Es geht darum, eine vorgegebene Melodie vom Papier zu lösen und sie mit Akkorden und einem Rhythmus anzureichern. Das Ziel ist es musikalische Ideen in die Praxis umzusetzen und ihnen „Leben“ zu geben. Die meisten Leadsheets bieten nur wenige musikalische Informationen – der Rest muss vom Spieler improvisiert werden. Was man dann mit beiden Händen berücksichtigen muss, ist manchmal nicht ganz ohne. Andersherum bieten Leadsheets natürlich auch eine Menge Freiheiten für die kreative Gestaltung.
Dieser Workshop richtet sich an Einsteiger, die bereits über grundlegende Notenlesefertigkeiten verfügen. und mit einem Piano vertraut sind. Anhand verschiedener Beispiele erklären wir, wie man mithilfe eines Leadsheets und einfachen Tricks eine ansprechende Klavierbegleitung zaubert.
- Das Leadsheet als Ausgangsbasis
- Melodie üben
- Die richtige Haltung für Arme und Hände
- Akkordsymbole richtig umsetzen
- Akkorde im Viertelnoten-Rhythmus unter der Melodie
- Ergänzung der Basstöne
- Melodie und Akkorde zusammenspielen
- Der Viertelnoten-Rhythmus kommt wieder hinzu
- Synkopen / Offbeat
- Rhythmus in die Basstöne bringen
- Schlusswort
- Quellen für Leadsheet-Apps, Literatur und PDFs
Das Leadsheet als Ausgangsbasis
Für diesen Workshop habe ich einen Popsong im Balladentempo skizziert und ihn als Leadsheet notiert. Das Leadsheet bietet somit nur eine Melodie und die zugehörigen Akkordsymbole. Den Rest werden wir dann dazu improvisieren. Typischerweise stammen Songs solcher Leadsheets aus einem Bandkontext und wurden für mehrere Instrumente wie Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards und Gesang vorbereitet. Hier ist es wichtig, alle diese Elemente mit einzubeziehen und auf das Piano zu übertragen. Wir unterteilen den Song deshalb in Melodie, Akkorde und Rhythmus. Mit zwei Händen ist ein Pianist zwar manchmal limitiert, allerdings gibt es ein paar einfache Tricks, um den Song am Klavier richtig zur Geltung zu bringen.
Betrachten wir den Song etwas genauer: Die Tonart A-Moll (oder C-Dur als parallele Dur-Tonart) bietet den Komfort nur weiße Tasten zu benötigen. Die Melodie bewegt sich in einem überschaubaren Umfang und lässt sich gut mit Akkorden zusammenspielen. Die Harmonien dazu stehen jeweils über der Melodie, in Form eines Akkordsymbols. Bei diesem Song kommen wir mit gängigen Moll- und Dur-Akkorden aus, die man bereits kennen sollte.
Für dich ausgesucht
Rhythmisch bewegt sich die Melodie in Viertel- und Achtelnoten. An einigen Stellen wird sie durch das Überbinden von Achtelnoten synkopisch, d. h. entgegen der Zählzeiten 1, 2, 3 und 4. Das ist klanglich interessant und wird als „Offbeat“ bezeichnet. Auch für die Begleitung ist das wichtig, denn die zugehörigen Akkorde, die man beispielsweise als Viertelnoten spielt, bewegen sich dann entgegengesetzt zur Melodie. Alternativ dazu kann die Begleitung auch passend zur Melodie „vorgezogen“ werden.
Schauen wir das Leadsheet genauer an: Es zeigt eine einfache Melodie in einem Notensystem mit darüber platzierten Akkordsysmbolen für die Begleitakkorde. Das folgende Audiobeispiel beschreibt wie der Titel klingt (Melodie mit Pianoklang, Akkord/Bassbegleitung mit einem Pad). Wie man vorgeht, um mit dem Klavier daraus eine adäquate Klavierbegleitung zu formen, beschreibt dieser Workshop mit unterschiedlichen Themenbereichen.
Melodie üben
Um es zu Beginn nicht zu schwer zu machen, verzichten wir zunächst auf einen Rhythmus. Hier konzentrieren wir uns zunächst nur auf die Melodie und spielen sie langsam an. Das empfiehlt sich immer, denn, wenn die Melodie einmal verinnerlicht ist, lässt sich der Rest schneller umsetzen. Sie kommt mit wenigen Tönen aus und liegt daher schön „griffig“ unter den Fingern. Der Fingersatz ist im ersten Schritt nicht relevant, da wir die Melodie später mit Akkorden ausstatten. Dann ergibt er sich fast automatisch.
Die richtige Haltung für Arme und Hände
Einen guten Pianisten erkennt man nicht nur an seinem spielerischen Können – auch die richtige Haltung beim Spielen macht’s! Damit sich hier keine Fehler einschleichen welche auf Dauer den Spielspaß dämpfen, gibt es hier nochmal ein paar Tipps, die man sich ganz einfach merken kann.
Den Rücken gerade halten!
Als Keyboarder und Pianisten sitzt man schnell mit gekrümmten Rücken am Keyboard/Klavier. Das sollte man unbedingt vermeiden. Ein guter Klavierhocker lässt sich in der Höhe verstellen und sollte so angepasst werden, dass der Spieler dabei gerade sitzt. Das schont nicht nur die Wirbelsäule, sondern sieht ganz einfach besser aus!
Rechter Winkel im Arm
Auch die Armhaltung, respektive der Winkel der Arme macht sich beim Spielen bemerkbar. Es wird beim langen Spielen recht unangenehm, wenn man nicht auf die korrekte Armhaltung achtet. Um sich das zu ersparen passen wir auf, dass der Winkel zwischen Ober- und Unterarm etwa 90° beträgt – das schont auch die Handgelenke.
Die richtige Handhaltung
Bei der Handhaltung ist darauf zu achten, dass die Hände so auf der Tastatur zu liegen kommen, dass sie mit den Unterarmen eine Linie bilden. Die Kraft zum Spielen der Tasten muss aus den Fingern von oben kommen, die wie kleine Hämmer zum Anschlagen dienen. Mir hat es immer geholfen, mir vorzustellen, dass sinnbildlich gesprochen noch ein kleiner Tennisball unter der Mittelhand Platz findet.
Akkordsymbole richtig umsetzen
Der nächste Schritt befasst sich mit den Akkorden, die über der Melodie stehen. Bei vielen Leadsheets stehen die Akkorde über den Noten und man kann davon ausgehen, dass sie entweder in ganzen, halben oder Viertelnoten passend zur Melodie gehören. In vielen Fällen ist bereits aus der Melodie ersichtlich, um welchen Akkord es sich handelt, denn die Melodie macht sehr oft von den Tönen des Akkords Gebrauch. Im ersten Takt sehen wir einen A-Moll-Akkord, bestehend aus den Tönen A, C und E. In der Melodie erklingen diese Töne auch immer wieder. Für die Begleitung selbst erkannt man schnell: Pro Takt haben wir es immer mit jeweils einem Akkord zu tun. Als Vorbereitung zur Begleitung verwenden wir diese Akkorde und spielen sie zunächst ohne Melodie im Viertelnoten-Rhythmus. Die linke Hand übernimmt die zugehörigen Basstöne und die rechte Hand die Akkorde in einer beliebigen Umkehrung. Das Ganze klingt dann so:
Akkorde im Viertelnoten-Rhythmus unter der Melodie
Jetzt haben wir sowohl die Akkorde als auch die Melodie getrennt voneinander betrachtet. Als Nächstes bringen wir die beiden Elemente zusammen. Die Melodie beginnt recht hoch und deshalb versuchen wir, die Akkorde in einer passenden Umkehrung eine Oktave unter der Melodie zu spielen – das Ganze wieder im Viertelnoten-Rhythmus. Pro Takt spielt die linke Hand jetzt den Akkord in einer passenden Umkehrung genau vier Mal. Ich habe mich für eine Umkehrung entschieden, die aus meiner Sicht besonders gut klingt. Es sind natürlich auch andere Umkehrungen möglich!
Ergänzung der Basstöne
Soweit so gut. Was uns für eine gut klingende Klavierbegleitung noch fehlt, das ist die richtige Aufteilung der beiden Hände. Die linke Hand spielt häufig nur den Basston. Sowohl Akkorde als auch Melodie werden typischerweise von der rechten Hand übernommen. Das ist schon recht viel auf einmal. Wir nähern uns dieser Aufteilung also ganz langsam und lenken den Blick deshalb erstmal auf den Bass. Der Bass spielt die Grundtöne der jeweiligen Akkorde – mehr nicht! Zur Übung bringen wir zunächst den Bass und die Melodie zusammen – jedoch ohne Akkorde! Zum Glück kommt der Bass oft mit Liegetönen aus, weshalb wir ihn pro Takt genau einmal anspielen. Das klingt dann zwar sprichwörtlich „eintönig“, aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Melodie und Akkorde zusammenspielen
Wie setzt man jetzt die Melodie mit den Akkorden zusammen? Das ist sicherlich der schwierigste Teil einer Klavierbegleitung, denn hier ist eine gute Akkord-Kenntnis unerlässlich. Die Melodie wird in der Musik immer als höchster Ton eines Akkords wahrgenommen und dieser besteht wiederum aus mindestens drei Tönen (Grundton, Terz und Quinte). Für unsere Begleitung heißt das also: Wir haben einen vorgegebenen Melodieton und müssen ihn mit zwei darunterliegenden Akkordtönen auffüllen. Das machen wir an dieser Stelle exemplarisch für die erste Zeile.
Vorgehensweise
Der Popsong beginnt mit einem A-Moll-Akkord, welcher aus den Tönen A, C und E besteht. Der Melodieton C im ersten Takt ist schon vorgegeben und er muss der oberste Ton des Akkords sein. Suchen wir also noch die restlichen Töne des Akkords und füllen ihn deshalb mit einem A und E auf. Um es einfacher zu gestalten, spielen wir den Akkord des jeweiligen Taktes immer zu Beginn und halten ihn dann einen ganzen Takt lang aus. Dieses Schema ist sozusagen der Kern unseres Workshops, denn das „auskleiden“ der Melodie zu einem vollen Akkord ist genau der Schritt, welcher der Spieler beim Lesen des Leadsheets selber gehen muss.
Nächster Schritt
Im zweiten Takt geht es dann weiter: C ist wieder der Melodieton, jedoch steht er jetzt im Kontext des F-Dur-Akkords. Dieser besteht aus den Tönen F, A und C. Wir müssen die Melodie deshalb noch mit den beiden Tönen F und A „untermauern“. Auch hier bleibt der Akkord einen ganzen Takt liegen. Das Schema lautet also immer: Erst drei Akkordtöne finden, dann die Melodie dazu ins Verhältnis setzen. Die fehlenden Töne werden immer daruntergesetzt! In vielen meisten Fällen ist der Melodieton bereits ein Ton des Akkordes und deshalb lassen sich die fehlenden Töne schnell finden und müssen nur noch hinzugefügt werden.
Tipp:
Es lohnt sich an dieser Stelle, das Haltepedal jeweils für einen Takt herunterzudrücken, um den Akkord noch besser zu halten. So kann man sich als Spieler schon auf die nächsten Melodietöne vorbereiten. Am Ende des Taktes sollte man das Pedal dann immer loslassen, sonst wird der nächste gespielte Akkord klanglich verwischt.
Der Viertelnoten-Rhythmus kommt wieder hinzu
Bisher haben wir die Begleitakkorde immer einen ganzen Takt liegenlassen. Jetzt machen wir es rhythmisch etwas interessanter und spielen die Begleitakkorde im Rhythmus von Viertelnoten. An dieser Stelle wird es dann bereits komplizierter, denn nun muss mit jeder Viertelnote neu untersucht werden, welcher Melodieton vorliegt, und welche Akkordtöne darunter ergänzt werden. Um heftiges Springen zu vermeiden, lassen wir manchmal einen Ton weg, wenn es klanglich passt.
Vorgehensweise
Im ersten Takt bleibt die Melodie beispielsweise bei Viertelnoten und der Rhythmus erklingt ebenfalls in Viertelnoten. Das vereinfacht die Arbeit dort. Schauen wir auf die Melodietöne: Sie lauten C, A und H. Zweimal besteht die Melodie also aus Akkordtönen und nur einmal muss ein akkordfremder Ton mit dem Akkord zusammengesetzt werden.
Im oberen Beispiel hatten wir bereits den ersten Ton mit einem Akkord verbunden. Der zweite Ton, das A, wird folglich mit den beiden Tönen E und C zu einem weiteren A-Moll ausgestattet. Allerdings müssten wir hier mit der Hand springen, was wir uns ersparen. Das untere C lassen wir einfach weg. Der Vorteil ist recht simpel: Die Hand kann ganz einfach so liegenbleiben und für die Dauer einer Viertelnote ist das vollkommen in Ordnung.
Umgang mit akkordfremden Tönen
Was machen wir allerdings mit dem H, sprich dem akkordfremden Ton auf der letzten Viertelnote? Hier gibt es eine einfache Lösung: wir verwenden das E und das A aus der vorherigen Viertel und setzen das H ganz einfach oben „drauf“. Es erklingt somit ein Asus2, d. h. ein Akkord ohne Terz. Dafür aber mit einer Sekunde. Lassen wir uns aber nicht mit zu vielen Begriffen verwirren und merken uns: Bei akkordfremden Tönen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es empfiehlt sich hier auszuprobieren was am besten klingt.
Synkopen / Offbeat
Die Melodie hat es an ein paar Stellen in sich: Durch die Achtelbewegung und entsprechende Haltebögen kommt es dort zu Synkopen oder „Offbeats“, d. h. Schlägen auf unbetonten Zählzeiten. Spielt man einen Viertelnoten-Rhythmus mit der linken Hand durch, zeigen sich diese Synkopen an verschiedenen Stellen in der Melodie. Blicken wir jetzt auf das Ende des zweiten Takts: Dort wird die letzte Achtel „vorgezogen“, d. h. der Melodieton C wird dem folgenden Takt schon vorweggenommen. Dadurch entsteht ein schöner Effekt. Die Begleitung wird gleichmäßig beibehalten (Viertelnoten) und die Melodie erklingt dazu dann im Wechsel (synkopisch). Das folgende Beispiel zeigt den zweiten und dritten Takt mit dem „Vorzieher“ bei gleichmäßiger Viertelnoten-Begleitung:
Auch die zweite Hälfte bietet Synkopen an mehreren Stellen. Das absteigende Motiv in der dritten und vierten Zeile endet in jedem Takt mit einem solchen „Vorzieher“. Die Begleitung ist jedoch ganz gleichmäßig im Viertelnoten-Rhythmus gespielt – dann klingt es besonders reizvoll.
Rhythmus in die Basstöne bringen
Bisher hat die linke Hand gegenüber der Rechten nur wenig zu tun. Das lässt sich jedoch schnell ändern, um ein bisschen Bewegung in den Bass zu bringen. Tonal empfiehlt es sich zwar, immer nur den Basston zu spielen, aber das kann man rhythmisch auflockern, indem er nicht mehr als ganze Note, sondern auch halbtaktig angeschlagen wird. Ebenfalls bietet es sich an, ihn in mehreren Oktavlagen zu spielen oder aber gleich als Oktave (mit kleinem Finger und Daumen) zu greifen. Damit bekommt der Song mehr Schub!
Schlusswort
Dieser Workshop dient als kleine Einführung in das Thema „Klavierbegleitung vom Leadsheet“. Bei der Umsetzung ist es vor allem wichtig, Spaß an der Sache selbst und etwas Geduld mitzubringen. Nur wer langsam beginnt und zunächst Melodie und Akkorde getrennt betrachtet, der wird auch erfolgreich beides zusammenführen. Mit jedem zu spielenden Song und jedem neuen Leadsheet beginnt die Herausforderung von Neuem. Hier empfiehlt es mit einfachen Stücken zu beginnen und sich langsam an anspruchsvollere Titel heranzutasten. Im Internet gibt es eine Menge frei verfügbarer Leadsheets und es lohnt sich solche Suchbegriffe wie z. B. „free leadsheet music“ in die Suchmaschine einzugeben. Dort findet man bereits eine ganze Menge. Grundsätzlich heißt es wie immer: Übung macht den Meister.
Quellen für Leadsheet-Apps, Literatur und PDFs
- MUSECORE: Kostenloses Programm zum Erstellen von Leadsheets (Open Source)
- OPENSONG: Kostenloser, textbasierter Editor für Chords, Lyrics und Leadsheets
- EPDF: PDFs und Notenmaterial
- REAL BOOK Vol. 1: 400 Titel, arrangiert für C-Instrumente
- REAL BOOK Vol. 2. Sammlung von 400 Jazz-Klassikern für C-Instrumente
- REAL BOOK Vol. 3: Enthält neben klassischen Jazz-Standards auch Motown- und Pop-Stücke
- New REAL BOOK: Das New Real Book ist das bestverkaufte legale Fake Book aller Zeiten
- Ultimate FAKE BOOK: Ausgabe mit über 1.200 Songs
- Ultimate Pop Rock FAKE BOOK: Sammlung an 600 Pop/Rock Hits
Heike Oberhoff sagt:
#1 - 09.09.2024 um 13:48 Uhr
Hallo, ich habe mal eine Frage zu dem Workshop "Klavierbegleitung vom Leadsheet". Soweit ist alles klar, ich fand es auch super erklärt - aber wenn man jetzt in einer Band mit Sänger eine Keyboardbegleitung spielen will, wird man die Melodie doch nicht dazu spielen, oder? Gibt es Tips, wie man die Akkorde dann interessant spielen kann? Und spielt man tatsächlich die Basstöne, obwohl es ja einen Bassisten gibt?