Praxis
Mit seinen 20 Watt ist der Koch Studiotone nicht gerade ein Muskelpaket, aber für Leute, die eher moderat proben oder für den kleinen Club-Gig zwischendurch völlig ausreichend. Im Studio sieht es kraftmäßig anders aus, denn hier spielt die Lautstärke keine Rolle. Bestes Beispiel dafür ist der Fender Deluxe, der zwar auf unzähligen Produktionen zu hören ist, mit seinen 22 Watt jedoch kaum im Live-Betrieb auftaucht. Abgesehen von der Leistung dieses Combos offenbart sich der Koch Studiotone als ein wahres Klangwunder. Beginnen wir mit dem Clean-Kanal. Klar und ausdrucksstark, fast Fender-mäßig tönt meine Stratocaster wunderbar brillant und leicht schmatzend, so wie es sein sollte. Ausgewogen und satt mischen sich impulstreue Bässe und beseelte Mittenanteile ins Klanggeschehen. Der Ton ist straffer als der meines alten Princeton, der mir sowieso viel zu schnell ins Clipping geht. Mit der Klangregelung sind von Country bis hin zu Bebop alle Stilistiken sehr gut reproduzierbar.
Für eine schöne Blues-Zerre muss man den kleinen Brüller sehr weit aufreißen, soll die Endstufe in die Sättigung fahren. Lautstärkenmäßig kann man damit bei einer Blues-Session glänzen und einen satten Stevie Ray Sound zum Besten geben. Die Overdrive-Sektion bietet ebenfalls überdurchschnittlich gute und vielseitige Sounds. Bereits im gemäßigten Overdrive-Kanal kann man von einer geschmackvollen leichten Anzerrung bis hin zu AC/DC und Van Halen-Sounds alles realisieren. In Gain-Einstellungen um die 10 Uhr lässt sich auch bei Zimmerlautstärke eine geschmeidige Blues-Zerre erzeugen. Ab dann nimmt jeder Millimeter feinfühlig Einfluss auf die Zerrintensität und die Obertonstruktur des Tons, der immer geschmackvoll und dynamisch aus dem Speaker tönt. Der maximale Gain dieses Kanals ist allemal ausreichend für klassischen Hardrock und bietet bei Bedarf einen gepfefferten Marshall-Growl. Erklärte Highgain-Lead-Sounds bietet der OD+ Kanal. Klar hat er nicht so viel Gain wie z.B. ein Rectifier, aber was der Koch bietet, ist schon klasse. Im OD+ Modus greift eine weitere Zerrstufe ins Klanggeschehen ein, die auch Metal-Herzen höher schlagen lässt. Gleichzeitig mit der höheren Verzerrung stellt sich ein sehr angenehmes Spielgefühl ein. Der Ton ist zwar etwas undynamischer als der des ersten Overdrive-Kanals, klingt aber immer noch ausgesprochen definiert. Der Amp arbeitet übrigens auch bei Vollgas-Gain sehr sauber und Nebengeräusche sind ein absolutes Fremdwort. Einzig der Hall will mich nicht so recht überzeugen. Um ein wenig Tiefe zu schaffen, reicht es natürlich, aber einen Fender-mäßigen California-Sound bekommt man mit ihm nicht hin.
olaf sagt:
#1 - 30.12.2021 um 21:31 Uhr
"... der mit zwei 12AX7 und einer ECC83 Röhre in der Vorstufe [...] aufwarten kann" - bisher war ich ja davon ausgegangen, dass das die gleichen Röhren sind.
Alex sagt:
#2 - 13.03.2024 um 12:57 Uhr
Ich habe selber die XL-Version und kann auf jeden Fall bestätigen, dass der Amp äußerst vielseitig ist. Der Mid Shift und die dritte Stellung beim Bright-Schalter (statt nur ein/aus) bringen im Zusammenspiel mit dem deutlich zupackenden EQ sehr viele Varianten. Vor allem klingen die für mich alle auf ihre Art sehr gut, und nicht nur an dem einen "Sweet Spot" wie bei vielen Röhrenamps. Ein paar Sachen aus dem Text muss ich aber doch korrigieren: Der Schalter für den OD+ hat NICHT die Funktion, "zusätzlich den Low-, Mid-, oder High-Bereich zu featuren", sondern er ersetzt quasi einen zweiten Gain-Regler. Es ist also ein geringer, mittlerer oder starker Gain Boost vorwählbar. Der Classic-Rocker dürfte mit "M" gut bedient sein. Hat man schon eher Metal-Gain im OD-Kanal, lässt sich mit "L" ein Overkill vermeiden, und spielt man nur angezerrt-bluesig, ermöglicht die "H"-Einstellung schon noch einen richtig singenden Leadsound im OD+. Zum XL darf ich noch sagen, dass der nicht exakt die gleichen Features hat, sondern zusätzlich einen eigenen Volumeregler für den OD+. Das war mir tatsächlich auch wichtiger als die Extra-Leistung, denn so kann man gerade Soli halt doch feiner in der Lautstärke anpassen. Auch das etwas größere Gehäuse tut dem Sound gut, das klingt gleich etwas erwachsener, weniger "boxy". Wer viel Headroom braucht, etwa für glasklare Cleansounds und runtergestimmten Metal, ist sicher mit der 40 Watt-Version besser aufgestellt. Die Anmerkung "der Fender Deluxe, der zwar auf unzähligen Produktionen zu hören ist, mit seinen 22 Watt jedoch kaum im Live-Betrieb auftaucht" halte ich allerdings für ein Gerücht. Nach dem, was ich jedenfalls so auf Bühnen sehe, ist das einer der meistgespielten Live-Amps überhaupt. In Sachen Lautstärke wird man von Behörden und Veranstaltern ja eh immer mehr eingebremst.