Kolumne: Daniel Wants To Talk To You About Your Future! #1

Freddy war der Manager von Undercroft, einer exquisiten Metalkapelle aus Chile – mit einem komplett von Satan besessenen Sänger, der für sein Leben gern mit seinem durch aufgesticktes Pentagramm veredelten Kittel auftrat. Alvaro schien immer wie der Hase im Schafspelz – stellte sich dann aber als der Fuchs im Wolfskostüm heraus: Der aus dem erzkatholischen Santiago de Chile stammende Sänger erzählte mir an einem bierseligen Abend, dass er sich für Satan entschieden habe, als er das erste mal einer frisch geköpften Ziege das Blut direkt aus der Kehle trank (äh, ja – genau so!).

Wie gesagt, Undercroft war mein genau zweites (2.) Signing bei Tiefdruck – aber was bedeutet es schon, bei einem Label unter Vertrag zu sein, das gerade mal eine (1) Veröffentlichung hatte. Tja – für Freddy bedeutete es offensichtlich einiges. Fast zwei Jahre hatte er die Jungs nun bereits begleitet, die Jungs bei sich zuhause aufgenommen, sie durchgefüttert und sein eigenes hartverdientes Geld geopfert. Er war den bösen Buben sogar bis in ihre Heimat gefolgt, und hatte mit denen in Chile getourt.

Freddy war einer „dieser“ speziellen Manager. Der Typ „Kumpelmanager“ zeichnet sich oft durch kompetentes Achtelwissen, einer Liebesbeziehung zur Leadsängerin oder seiner Erfahrung bei der erfolgreichen Realisation des lokalen Dorffestes aus. Diese Attribute treten natürlich gerne auch in Kombination auf (weitere Managertypen – später!).

Nun zum Tag des Geschehens: An diesem lauschigen Sommernachmittag brutzelte ich unter der Dachpappe im Büro. Ich war an diesem Tag ganz allein. Flo, mein Helfer der ersten Stunde, war mit seiner Band Mad Doggin’ gerade auf Tournee mit Soulfly.

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Undercroft sollte heute „Doom-Metal“ Legende Crowbar bei deren Konzert in der Hamburger Markthalle supporten. Es sollte der bisher größte Auftritt in der deutschen Geschichte von Undercroft werden. Zuhause hatte die Band bereits diverse Festival geheadlined, und die verkaufsfördernde Legende besagt, dass die sogar mal Metal-Acts des Jahres in Chile waren…
Der Veranstalter Ovid ist unter anderem Vater des Fuck Christmas Festivals, und bis heute eine treibende Kraft des Hamburger Undergrounds – ein ewiger Kämpfer des Rocks.

 Es war ca. 14:30h, als mein Telefon schellte – Freddy war dran:

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„Hey Daniel, ich wollte Dir nur kurz sagen, dass Undercroft heute doch nicht spielen!“
Meine nervöse Ader am Hals begann direkt zu pumpen.

„Was meinst Du mit: ‚Undercroft spielen nicht’?“

„Na ja, Ovid hat die Jungs gerade rausgeschmissen.“

„Freddy, das kann ich fast nicht glauben. Was ist denn da vorgefallen?“, denn ich kannte ja Ovid. „Ich glaube Ovid hätte mich angerufen, wenn es Probleme gibt!“

„Hmmm, ja – OK – also es war so: Ovid wollte den Jungs keine Gästeliste für ihre Mädels geben, und dann haben die Jungs halt gesagt, dann spielen wir nicht…“ Undercroft gab es nämlich immer im Paket mit ihrem weiblichen Gegenpol.

„Freddy, so läuft das nicht. Ich rufe jetzt Ovid an, und frag’ ihn mal, was da los ist. Sag den Jungs bitte, dass ich dafür sorgen werde, dass sie heute spielen!“

„Eeeeh, das wird glaube ich schwierig. Die sind schon losgegangen, wieder nach Hause…“, druckste Freddy.

„Du machst Witze!“, sagte ich geschockt. „ Pass auf – ich rufe jetzt Ovid an, und Du holst schon mal die Jungs zurück. Ich schwing mich jetzt in ein Taxi, und dann sehen wir uns gleich alle an der Markthalle und sprechen das mit allen Parteien durch.“
Ich rief direkt bei Ovid an. Natürlich verstand er die Welt nicht mehr: „So ein Quatsch! Die Jungs wollten noch 10 Leute auf die Gästeliste setzen. Ich hatte Freddy schon vor Tagen gebeten, mir seine Gäste zu schicken – dass hat er nicht gemacht, und nun ist die Liste einfach voll! Ich hab ihm angeboten die Frauen reinzuschmuggeln, aber mehr geht halt nicht.“. Irgendwie fand ich Ovids Erklärung gut nachvollziehbar.

In der Zwischenzeit war Thomas, mein Kompagnon und bester Kumpel seit immer, angekommen (er wollte auch auf das Konzert, und dank rechtzeitiger Anmeldung war das natürlich kein Problem). Wir schnappten uns vor der Tür unseres Büros schnell ein Taxi – allzu weit war die Fahrt ja nicht…

Kaum auf dem Beifahrersitz platz genommen, griff ich zu meinem Handy: „Hey Freddy, Daniel hier wieder – Ovid sagt, die Mädels können rein. Hast Du die Jungs erreicht?“
„Ja, die waren zum Glück noch vor der Tür, weisst ja, wie die Latinos sind.“ (Unser Freddy nannte Undercroft immer seine „Latinos“.)
„Du, die wollen jetzt aber los…“

„Freddiiiiiie“, wenn ich wütend bin, beginnen fast alle meine Sätze mit einem Namen, „sag der Band, die sollen gefälligst die 15 Minuten auf mich warten.“

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„Ja, ich versuche es mal.“ Freddy murmelte was auf englisch, denn neben ihrer Muttersprache spanisch sprachen die Jungs nur schwedisch.

„Neeee, ich glaube, die wollen jetzt echt los. Alvaro hat auch keinen Bock mehr, weil Ovid denen gesagt hat, sie könnten sonst ja gerne gehen, wenn ihnen das mit der Gästeliste nicht passt.“

„FREDDIIIIE!!!“, mein Kopf leuchtete bereits knackig wie eine reife Tomate, „sag der Band, wenn die jetzt nicht warten, und mir zumindest eine Chance geben das zu klären, sie ihr Album vergessen können. Sag ihnen das – JETZT!“

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„Hey guys“, druckste er. „ I have Daniel on the phone. He wants you to wait. He wants to talk to you.”

Ich hörte Alvaro aus dem Hintergrund fragen: „But, why can’t we talk on Monday in the office?“
Mein Tonfall bekam eine neue Schärfe: “Freddiiie, sag den Jungs jetzt sofort: wenn die nicht warten, können die sich und ihr verdammtes Album sofort gehackt legen!”

„But Daniel wants to talk to you, now“, hörte ich Freddy förmlich flehen.

„SAG ES!!!“, mir lief bereits Geifer aus dem Mund.
Ich war zum Bersten bereit.

„Daniel says he really needs to talk to you now“ (oh Mann – er brachte es einfach nicht übers Herz).

“SAAAAAAAAAG ES! Freddy, ich warne Dich, wenn Du es jetzt nicht sagst, schmeiße ich die Band nicht wegen des Gigs, sondern Deinetwegen raus.“

„Daniel wants to talk to you about the band.”

“SAAAAAAAG ES!”, erschütterte mein Schrei den Wagen (Thomas und der Fahrer hatten Tränen in den Augen vor Lachen, denn mein Handy war längst auf Freisprechen geschaltet).

Und dann fiel er, der Satz, der mein Leben verändern sollte:
„Daniel wants to talk to you about your future!“

Grotesk – die war einer meiner seltenen sprachlosen Momente. So politisch korrekt kann also ein drohender Rausschmiss auf englisch klingen.

Die Band wartete. Überflüssig zu erwähnen, dass es keine 5 Minuten dauerte, bis alle einwilligten, das Konzert zu spielen. Ovid ließ natürlich alle Gäste durch die Hintertür rein, und ich war glücklich endlich den definitiven Titel meiner Autobiografie gefunden zu haben – sollte ich sie irgendwann mal schreiben.

Bis demnächst auf der Welle Wahnsinn!!!

D.
Labelboss

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