„Ungefähr 1 Million kostet die Laseranlage.“ Ich schluckte. Frank fuhr fort: „Hinzu kommt die Reinigung des Backstage- Raums. Und um eine neue Einrichtung werden wir wohl auch nicht drum rum kommen.“ – „Äh, meinst du, wir könnten da am Preis noch was drehen?“
Meine erste Tour überhaupt absolvierte ich als Tourmanager für Love Gun – und die Band schien sich vorgenommen zu haben, mir zu zeigen, wie cool das Rockstardasein ist. Die ersten zwei Shows waren in Holland – in Hardenberg – sowie in einem kleinen Jungendzentrum irgendwo im Pott – ich weiß nicht mehr wo genau. Natürlich wurden meine beiden ersten Shows ein echtes Desaster.
Love Gun war die Band von Lars, meinem ersten Chef im Musikgeschäft – einem Mann, der das Zentrum des Universums ständig deutlich in sich spürte. Neben Lars als blut- und feuerspuckendem „Gene Simmons“ und Gitarrist Yenz als „Paul Stanley“, mit sssoftem dännissen Akzent, gab es noch Chris als „Ace Frehley“ sowie Mario, der nicht nur den „Peter Criss“ sondern später auch den Trommler meiner eigenen Band machte.
Schon die erste Show in Hardenberg musste ich gleich komplett auf englisch abwickeln.
Ich hatte damals noch nie eine Abrechnung für ein Konzert gemacht – hatte keine Ahnung von Steuern (schon gar nicht Steuern im Ausland ), und zur allgemeinen Belustigung musste ich mich mit dem Veranstalter auch noch rumstreiten. Denn die Band hatte vor der Show die noch eigentlich geschlossene Bar neben der Bühne halb leer gesoffen…Wild schwitzend rannte ich den ganzen Abend zwischen Lars und dem Veranstalter hin und her – weil auf Tour war Lars immer „inkognito“, damit er von den Veranstaltern nicht vollgelabert wurde. So musste immer ich alles regeln…
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Der nächste Tag sollte nicht viel besser werden.: Noch vor der Show war klar, dass der Veranstalter heute Abend wohl nicht bezahlen können würde …
Veranstalter Axel erzählte mir von einem desolaten Vorverkauf ganzer 3 Karten – und dass er an einem Samstagabend nicht wisse, wie er an die Gage kommen solle. Lars hatte wie immer die rettende Idee: Die Zigarettenautomaten im Laden knacken! Der Abend endete wie jede Love Gun Show in einem Saufgelage im Backstage und mit fremden Frauen auf fremden Schößen. Mein Schoß blieb leer, denn wie immer hatte ich keine Zeit für die süßen Seiten des Musikerlebens. Chef Lars schickte mich wie immer von Pontius zu Pilatus. Später, als der Sekt alle war, ließ er mich an Axel ausrichten, dass jetzt bitte Piccolos von der Tanke zu kaufen wären. Das tat der Gute im Angesicht der eigenen Insolvenz, mit Tränen in den Augen, dann auch sehr gerne.
Ich habe in den Jahren bei Lars und seinen „Monster-Productions“ einiges gelernt – vieles über politische Zusammenhänge, Respekt gegenüber anderen und insbesondere einiges, was man wohl besser nicht machen sollte. Also halte ich mich seitdem immer an die Devise: „Was würde der Lars tun?“ – und mache dann einfach das Gegenteil.
Yenz wollte in diesem Jahr seinen Geburtstag während eines Love Gun Konzertes im Live Club Aladin feiern. Es war ein lauschiger Nachmittag Anfang Juli – und da weder ich noch mein bester Freund Thomas an diesem Abend was zu tun hatten, kamen wir auf die grandiose Idee nach Bremen zu fahren, um mit Yenz und seinen Jungs mitzufeiern. Frank, der damalige Booker und Geschäftsführer des Aladin ist ein echtes Original der Metal-Szene. Er war u.a. bei RTL neben Holy Moses Sängerin Sabina und Rock Hard Ikone Götz Moderator der Metal-Sendung „Mosh“. Frank und ich haben sehr viele Konzerte zusammen veranstaltet – und da ich selbst mit meiner Kapelle auch ein paar mal dort gespielt hatte, kannte er meinen – na ja – „Rock’n’Roll-Faktor“…
„Sag mal, wollen wir eigentlich was mitbringen?“, fragte Thomas. „Klar, am besten was zu trinken, du kennst ja Yenz – darüber wird er sich am meisten freuen“, antwortete ich. Wir also ‘ne dicke Literflasche Jack Daniels besorgt, und rein in den Wagen in Richtung Bremen.
Wir kamen relativ spät in Bremen an – das Aladin war schon ordentlich gefüllt und die Leute tanzten wild zu den Klängen des 80er-Jahre-Metals. „Kingdom Come“, „Saxon“ und „Savatage“ waren dort immer noch die beliebtesten Floorfiller.Der Club war bekannt dafür, musikalisch im vorletzten Jahrzehnt hängen geblieben zu sein. So war das Betreten des Saals wie immer eine Zeitreise… Backstage waren die Jungs schon gut dabei. Und nicht nur wir hatten die Idee gehabt, eine Flasche Hart-Alk zu besorgen – doch das tat der Show keinen Abbruch. Alle hatten phan-tas-tische Laune und der Jacky Cola floss in Strömen… „Moment mal!“, schoss es mir durch den Kopf! „Da müsste doch noch ‘ne Flasche Jack auf dem Tour-Rider sein …“ Ich also Frank durchs halbe Aladin verfolgt, um das zu klären. Der Spiegel stieg und ich hatte nur noch Augen und Ohren und vor allem Durst auf den Allohol.
Während die Band spielte, hackten Thomas und ich jeweils mindestens eine weitere Flasche des flüssigen Golds in unsere Kehlen. Und so wurde nicht nur unsere Stimmung immer besser, sondern auch das Benehmen immer ausgefallener … Ich erinnere mich nur noch vage, aber der Legende nach habe ich wohl an einer Stelle des Sets die Bühne betreten um mich aufs Schlagzeugpodest zu legen, und dann gemütlich inmitten einer rockenden Kiss-Tribute-Band vor über 1.000 johlenden Fans den Rest des Sets zu verpennen. (eh, ja – mitten auf der Bühne!).
Als ich wieder aufwachte, war die Show vorbei. Es lief wieder 80er Metal aus der Konserve und ich torkelte zurück in den Backstagebereich. Lars war schon mal nach Hause gefahren – das gebuchte Hotel hatte ihm nicht gepasst. Die übrigen Jungs begrüßten mich mit einem fetten Lächeln im Gesicht, schließlich war ich durch mein Benehmen bereits zur Attraktion des Abends geworden.
Ich weiß wirklich nicht mehr, welcher Teufel mich dann geritten hat, doch irgendwie hielt ich es für notwendig den Abend noch weiter aufzulockern.Und was konnte lustiger sein, als ein Stoß aus der Löschmitteleinheit Gloria PD 6 GA – im Allgemeinen auch einfach „Feuerlöscher“ genannt. Ich entsicherte den Feuerlöscher, schrie „Happy Birthday Yenz“ – und drückte den Auslöser. Binnen des Bruchteils einer Sekunde stand der komplette Backstageraum im ABC Pulver Rauch – und der Schock über meinen eigenen Übermut ließ mich zur Salzsäule gefrieren.
Mein Daumen immer fest auf dem Auslösehahn …Alle rannten an mir vorbei, hinaus in die Lagerhalle des Aladin – dorthin wo nicht nur die Getränkekisten lagerten, sondern auch die unfassbar große und dementsprechend teure Laseranlage stand. Es brach nackte Panik aus. Menschen rannten wild keuchend durcheinander und alle – also wirklich „ALLE“ schrien auf mich ein… Na ja, ich hatte es ja auch verdient…
Frank nahm mich zur Seite und versuchte mir zu erklären – nicht nur wie dumm das war – sondern auch wie teuer es werden würde. „Du kennst doch unsere Laseranlage Daniel? Wenn das ABC Pulver sich auf den Spiegeln niederlegt und der Laser drauf trifft, dann kann sich der Scheiß in die Spiegel einbrennen! Die Anlage ist jetzt ausgeschaltet, aber ich warne dich schon mal vor – wenn das passiert ist, wirst du die Reparatur bezahlen müssen. Um die Reinigung wirst du auch nicht herum ko… Schahhsnc..gjjamxns..jjjdjaals zzzzzz.“ (der Rest seiner Worte ging in meinem Rausch unter und erreichte das Hirn nicht mehr …).
Ich weiß nicht mehr, wie wir es ins Hotel geschafft haben. Auf jeden Fall wachte ich am nächsten Morgen, dank einer kalten Gesichtsdusche, im Zimmer von Chris „Frehley“ auf. Thomas stand über mir und grinste mich an: „Na, da hast du ja wohl mal wieder den Vogel abgeschossen.“ Welch passender Kommentar nach diesem Abend.
Den Sonntag brauchte ich erst mal um wieder klar zu werden – und irgendwann dämmerte es mir dann: „Daniel – das war gerade auf sicher das Dümmste was du in deinem kompletten Leben tun wirst“, aber da lag ich nicht ganz richtig– aber das ist eine andere Geschichte.
Am Montag morgen hieß es dann zurück ins Büro – und da ich nicht wusste, ob Frank schon mit Lars gesprochen hatte, verspürte ich die komplette Fahrt über starken streßbedingten Blasendruck. Beim Office angekommen, das im Keller von Lars’ Wohnhauses war, erstmal Erleichterung: Lars war nicht da. Doch statt seiner Standpredigt erwartete mich ein Brief mit kurzen aber effektiven Worten: „Daniel, wir müssen sprechen. Ernsthaft.“ Ich rechnete fest mit dem Rauswurf, und malte mir bereits aus, wie ich am Fließband Fisch verpackte. Mit dem Gerichtsvollzieher im Nacken, der die Million für das Aladin eintrieb.
Das Telefon blieb den ganzen Morgen verdächtig still. So, als wenn niemand der Erste sein wollte, der mit mir nach diesem Wochenende sprechen musste. Als es dann nach fast zwei Stunden peinlichen Schweigens das erste Mal klingelte, blieb mir fast das Herz stehen. „Daniel, kommst du bitte hoch zu uns, dann können wir das hier schnell hinter uns bringen?!“, Lars war am anderen Ende der Leitung. Während ich langsam hoch trottete, gingen mir 1.000 Entschuldigungen durch den Kopf – um nicht direkt vor Ort noch hingerichtet zu werden.
Lars hatte eine Überraschung für mich! Die Rechnung vom Aladin war schon gekommen. Doch die wurde nicht einfach so präsentiert – Lars hatte sie noch am Morgen auf ein schmuckes T-Shirt drucken lassen. Auf der Front prangte, fett rot leuchtend, ein Bild eben diesen Feuerlöschers, der mir zwei Tage vorher zum Verhängnis geworden war. Frank und Lars hatten noch am Sonntag alle Details meines angerichteten Desasters geklärt: Der Backstageraum musste zwar ordentlich gereinigt, neu gestrichen und ein neues Sofa gekauft werden – aber sowohl die Laseranlage, als auch mein Geldbeutel, kamen glimpflich mit einem blauen Auge davon.