Bei Korg scheint es in Hinblick auf Hard- und Software, bei welcher der spielerischen Ansatz des Musikmachens im Vordergrund steht, schon lange kein Halten mehr zu geben. Offenbar landet jede Flause der Entwickler auch als Endprodukt beim Kunden!
Und wir Spielkinder freuen uns dann über die ebenso einfachen, wie günstig bepreisten Werkzeuge wie eine Horde Junghasen über ein Feld Bio-Möhren. Korg neuester Streich hört entsprechend auf den sinnfälligen Namen „Gadget“ und verspricht, ein komplettes all-in-one Produktionsstudio zu sein. Etwas, was man in früheren Jahren in Kurzform oft auch als „Workstation“ bezeichnet hat. Was euch im Detail beim Kauf von Gadget erwartet, haben wir für euch getestet.
Details
Konzept
Korg „Gadget“ ist eine App, die auf allen iPads ab iOS-Version 7 aufwärts lauffähig ist. Apple Mobilrechner der ersten Generation scheiden somit leider aus dem Kreis der Auserwählten aus. Vor dem Hintergrund des Leistungshungers der App (wie wir im Praxisteil noch sehen werden) ist das allerdings ohnehin zu verschmerzen.
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Die 330 Megabyte-große Anwendung zaubert nach der Installation einen Pattern-Song-Sequencer mitsamt von 15 frei kombinierbaren Synthesizern und Drumcomputern – den „Gadgets“ – auf den Mobilrechner. Dass diese Gadgets sich vielfach aus dem Repertoire von Korgs eigener Synthesizer-Historie bedienen, ist nicht nur naheliegend, sondern auch gut, denn Klangerzeuger wie etwa der MS-20 oder der Polysix haben ja – virtuell oder in real – nicht ohne Grund ihren festen Platz in vielen Studios, in denen elektronische Musik produziert wird.
Überblick
Die Orientierung innerhalb von Gadget fällt leicht, da man es im Grunde lediglich mit zwei (geteilten) Ansichten zu tun hat: Dem Arrangement/Mixer-View und der Device/Pianoroll-Ansicht. Beim Öffnen des Programms landet man automatisch in der erstgenannten Darstellung, wo in der oberen Hälfte das Arrangement in Form von Spuren und Szenen visualisiert wird, in der unteren die verwendeten Geräte inklusive eines einfachen Mixers. Pro Kanal stehen hier ein Lautstärkeregler, Pan, Reverb-Send und die Funktionen Solo und Mute zur Verfügung.
Im Master wurde zudem ein einfacher, zuschaltbarer Limiter und ein simpler Hall-Effekt integriert. Durch Antippen des entsprechenden Instrumente-Icons im Kanal wechselt man in die Device/Pianoroll-Ansicht. Hier darf man zum einen nach Herzenslust an dem virtuellen Instrument schrauben, zum anderen können Noten und Automationsdaten direkt eingezeichnet und editiert werden.
Gadgets
Das Herz von Gadget sind – wie sollte es anders sein – natürlich die gleichnamigen Spielzeuge, sprich Klangerzeuger. 15 sind es an der Zahl und jedes ist klanglich wie optisch mit sehr viel Liebe zum Detail, in vielen Fällen mit einem kleinen Retro-Augenzwinkern, gestaltet und programmiert. Grundsätzlich hat man es hier mit vollwertigen, kleinen Plug-ins zu tun, die jedes für sich und abhängig von der zu Grunde liegenden Synthese-Architektur ein ganz eigenes Layout und entsprechende Regler bereithalten.
Insgesamt wurde der Parameterumfang zwar sehr übersichtlich gehalten, dennoch sind – möchte man sich nicht mit den Presets zufrieden geben – basale Kenntnisse der Synthese sehr von Vorteil. Ich sage das vor allen Dingen, um heraus zu stellen, dass Gadget zwar als einsteigerfreundlich zu bezeichnen ist, sich aber von der Gesamtkonzeption nicht unbedingt für völlige Laien empfiehlt. Hören und schauen wir uns die Gadgets nun im Detail an:
London – PCM Drum Module
Ein Drum Sound Module mit acht Sound-Slots, das sich speziell für das weite Feld der EDM empfiehlt. Getreu seinem einfachen, schnörkellosen Look stellt es sofort ein spielbares Drumkit bereit. Mit seinen mehr als 400 Samples lässt sich ein breites Spektrum von Dance Music-Stilen wie House, Breaks und Dubstep etc. abdecken. Neben drei auf jeden Part anwendbaren Effekten (Punch, Low Boost, Reverse) gibt es auch noch einen Master-Effekt (u.a.: Filter, Kompressor, Bit Crusher, Reverb, Grain Shift und Delay).
Marseille – Polyphonic PCM Synthesizer
Dieser polyphone Rompler lässt klanglich alte Workstation-Zeiten wieder aufleben und bietet eine breite Auswahl an Standard-Keyboard-, Bläser-, Streicher- und Synthsounds. Dass sich hier auch ein Sound mit dem Namen M1-Piano findet, verwundert dann auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Besonders nach dem Aktivieren der integrierten “Chord”-Funktion lassen sich Akkorde spielen, die in ihrer Retro-Qualität fast schon die Anmutung von Samples haben.
Chicago – Tube Bass Machine
Ein unkomplizierter Acid House Bass-Synthesizer, der recht offensichtlich ein Gerät des Konkurrenten Roland zitiert. Auch klanglich geht es in die Richtung 303 – allerdings ohne den Anspruch auf Authentizität. Dennoch ein ordentlicher Krawallmacher, der durch einen Arpeggiator und einen Multieffekt geheckspoilert wird.
Wolfsburg – Hybrid Polyphonic
So richtig wollte mir kein Vorbild für das schwarz dominierte Bedienfeld dieses Synthesizers einfallen. Dennoch zählt er zu den synthesetechnisch mächtigeren Vertretern im Arsenal, denn zwei Oszillatoren mit wählbarer Grundschwingungsform können hier nicht nur durch ein Filter gejagt, sondern auch mit zwei LFOs und einer einfachen Modulationsmatrix geformt werden. Zudem verfügt er über zwei Effekteinheiten.
Berlin – Monophonic Synchronized
Im Gegensatz zum Vorgänger kann man hier wieder ein ganz klares Zitat am Bedienfeld ablesen. Und zwar in Richtung Arp Odyssey. Auch hier bedarf es zweier Unterseiten (VCO&Mod / VCF & Amp), um den gesamten Parametervorrat zu verstauen. Eignet sich besonders für durchsetzungsstarke Lead-Sounds.
Phoenix – Polyphonic Analogue Synthesizer
Und endlich wieder ein Korg Selbstzitat, jetzt aber mit zwei Oszillatoren und Polyphonie. Die Emulation kann ein breites Repertoire klassischer Analogsounds mit erstaunlich viel Wärme und Präsenz erzeugen. Von typischen Pad- und Brass-Sounds bis hin zu Glocken und Arpeggio-Klängen.
Dublin – Monophonic Semi
Korg ohne MS-20, das ist wie Grillwurst ohne Senf. Und entsprechend ist auch in der Gadget-Suite eine Emulation des semimodularen Synthesizer-Klassikers im Vintage-Look vertreten. Tatsächlich haben sich die App-Programmierer sogar die Mühe gemacht, eine zwar etwas abgespeckte, aber dennoch vorhandene Seite mit Patch-Panel zu bauen – niedlich.
Amsterdam – PCM SFX Boombox
Dieses vierstimmige PCM Soundmodul-Gadget sieht mit seinem goldenen Gehäuse und den verchromten Reglern nicht nur herrlich retro-mäßig aus, sondern es enthält auch mehr als 100 Soundeffekte wie One-Shot-Sounds, Synth-Sounds und Scratches, die sich wunderbar für Breakdowns und Cut-Up-Effekte eignen.
Miami – Monophonic Wobble Synthesizer
Und schon sind wir wieder in der Jetztzeit und zwar bei einem monophonen Wobble-Bass Synthesizer namens „Miami“. Ein so genannter “X-MOD”-Oszillator erzeugt komplexe Obertöne und Modulationen, während das “CRUSH”-Filter prägnante Verzerrungen hinzufügt. Mit der BPM-synchronisierbaren “WOBBLE”-Modulation erzeugt man die typischen Filtermodulationen.
Chiang Mai – Variable Phase Modulation Synthesizer
Als Reminiszenz an die legendären CZ-Synthesizer von Casio arbeitet dieses polyphone Synthesizer-Gadget mit VPM (Variable Phase Modulation) Synthese. Mit seinem mattgoldenen Gehäuse ist dieses Gadget prädestiniert für glitzernde metallische Glockensounds. Aber auch plastikartige Bässe, Bleeps & Blops und Lead-Sounds sind mit im Repertoire.
Kiev – Advanced Spatial Digital Synthesizer
Noch so eine Schönheit im Arsenal der Gadget-Klangerzeuger. Seine mit vier Wavetable-Oszillatoren arbeitende “Vector Synthesis” erzeugt organische, räumlich vor sich hin wabernde Sounds. Mit dem Touchpad kann man die einzelnen Partialspektren des Sounds stufenlos morphen und damit sehr spacig-sphärische Klangepisoden erzeugen.
Helsinki – Polyphonic Ambient Synthesizer
Dieses Pad Sound-Gadget ist einfach und effektiv aufgebaut und empfiehlt sich für Genres wie Ambient, Leftfield oder Chillout. Ein polyphoner Multispektrum Oszillator, zusammen mit einem Filter, Lo-Fi- und Reverb-Effekt reichen, um subtile, sphärische Flächen zu erzeugen.
Brussel – Monophonic Anthem Synthesizer
Sagte ich bereits, dass der Name vieler Plug-ins von Gadget Programm ist? Nun falls nicht, dann jetzt, denn der monophone „Anthem“ Synthesizer macht genau das, was der Titel verspricht: sägende Leads, jaulende Hoover und verstimmt gleitende Solos sind genau sein Einsatzgebiet. Das alles noch mit einem integrierten Sidechain-Pump-Effekt und Reverb. „Maaskantje“ wäre sicherlich auch ein schöner Name gewesen.
Tokyo – Analog Percussion Synthesizer
Auch hier spielt das Auge wieder mächtig mit, denn die vier Drum-Sound-Module in kunterbunter Modul-Optik machen allein schon beim Anschauen Spaß. Wenn man die virtuellen Klangerzeuger (Kickdrum, Snare, Tom und Percussion) dann noch in Betrieb nimmt, kennt die Schraublaune keine Grenzen mehr und man hat in Nullkommanichts einen authentisch oldschoolig klingenden Rhythm-Box-Groove gezaubert.
Kingston – Polyphonic Chip Synthesizer
Der letzte Krawallmacher im Bunde ist auch der einfachste. Ein polyphoner Synthesizer in Arcade-Optik, der für trashige 8-Bit Gamesounds optimiert ist. Von „Jump“ (Glide) bis „Run“ (LFO) lassen sich die typischen Retro-Soundepisoden generieren, die den Charme früherer Spielkonsolen ausmachten und sich auch heute noch bestens für den unkonventionellen Einsatz in verschiedensten Stilrichtungen