Spielgefühl und Programmierung beim Korg multi/poly
Die kompakte Hardware des Korg multi/poly hat Vor- und Nachteile. Ein solches Leichtgewicht ist transportfreundlich und man bekommt es auch in kleinen Studios geparkt. Als Keyboarder fühle ich mich aber wegen der 37er Tastatur eingeschränkt. Dieser Eindruck bestätigte sich, nachdem ich den Korg-Synthesizer mit meinem großen Controller-Keyboard inklusive Aftertouch anspielte. Erst damit konnte ich mich entfalten und die Factory Sounds ausdrucksvoll über viele Oktaven performen.
Die Bedienung des Korg multi/poly ist nicht ohne. Sie überfordert natürlich Einsteiger. Wer vom Korg Wavestate und Modwave kommt oder sich mit Synthesizern auskennt, findet aber bald seinen Weg, um neue Sounds zu kreieren. Mir gefällt der fließende Wechsel zwischen Panel und Editor. Der Korg multi/poly bietet in vielen Menüs sinnvolle Vorlagen. Ihr könnt frei nach dem Baukasten-Prinzip einige Elemente am Panel schnell miteinander kombinieren und so eigene Sounds entwerfen. Bei einer kreativen Durststrecke hilft wiederum die Random-Funktion. Für alle detaillierten Programmierschritte wechselt ihr zum Editor – sehr praktisch!
Factory Sounds des Korg multi/poly
Der Korg multi/poly lässt sich direkt mit über 300 Factory Sounds genießen. Das Soundangebot ist anders und breiter ausgerichtet als beim King Korg Neo, der hauptsächlich Top-40-Keyboarder ansprechen soll. Beim Korg multi/poly zeigt das Entwickler-Team von Vintage-Bässen und Leads über warme Flächen oder rhythmische Collagen bis zum komplexen EDM-Arrangements möglichst viele Klangsparten kompetent auf – richtig, das Wort „multi“ steht auch hier wieder für Fülle. Präsent sind vor allem Old School-Patches. Für aktuelle elektronische Musik solltet ihr eigene Sounds erstellen. Vermutlich werden auch einige kommerzielle Soundware-Deals kommen – der Korg multi/poly bietet noch sehr viel Potenzial.
Bevor ich einzelne Performances anspiele, schätze ich Korgs neuen Analog Modeling-Synth schon jetzt als erstklassigen Allrounder, der alle wichtigen Charaktere und Soundkategorien auf hohem Level abdeckt. Übrigens, die Set List mit einer Factory Auswahl von 64 Performances berücksichtigt nicht unbedingt die originellsten Sounds. Ihr solltet besser alle Performances in alphabetischer Reihenfolge anspielen.
Korg multi/poly – so klingen Vintage-Patches
Starten wir mit klassischen Patches. Gerade an den monofonen Sounds lassen sich die klanglichen Qualitäten gut erkennen. Und was soll ich sagen? Ja, für einen VA-Synth ist das klasse, was die Factory Sounds mit PWM, vier OSC oder Sync bieten. Der Korg multi/poly kann soft, warm, dirty oder gritty klingen – wie es euch gefällt. Auch die polyfonen Standardsounds überzeugen mich. Im Grunde deckt der Synth so ziemlich alles ab, was man von Moog bis Oberheim kennt und erwartet.
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Cinematische und hybride Sounds
Die Vintage-Interpretationen des Korg multi/poly allein würde mich aber noch nicht zum Kauf des Synthesizers locken. Unter den Factory Sounds gibt es noch mehr zu entdecken. Dazu gehören die charaktervollen Hybridklänge, die Wavetables und auch die Effektsektion glänzen lassen. Solche Sounds zähle ich schon eher zu den den Stärken des Korg multi/poly und spiele sie daher gern an. Wer einen Korg Modwave hat, wird ähnliche Performances schon kennen.
Maximale Groove- und Layer-Performance
Nicht zuletzt schafft der Korg multi/poly per Motion Sequencing rhythmische Animation und ermöglicht mit seinem Vier-Layer-Konzept umfangreiche Sequenzer-Arrangements aus Bass, Drums, Poly Synths und anderen Elementen. Natürlich sind die entsprechenden Factory Performances des Korg multi/poly auf Show getrimmt. Man spürt aber schon, dass hier viele Soundkonstellationen möglich sind, die eigene Musikprojekte voranbringen.
Korg multi/poly – das sind die Alternativen.
Der Korg multi/poly konkurriert mit einigen virtuell-analogen Synthesizern für unter oder um 1.000 Euro. Insbesondere der Roland GAIA 2 und Waldorf Blofeld Keyboard bieten ebenfalls einen Wavetable-Oszillator und sind direkte Alternativen. Von Korg selbst kommt der King Korg Neo in Betracht, der wiederum einen Vocoder integriert. Im Vergleich mit diesen drei Synthesizern ragt der Korg multi/poly mit entscheidenden Features hervor: jeweils vier Oszillatoren und Layer bei 60 Stimmen sind eine Ansage, auch das Motion Sequencing und das fantastische Effekt-Aufgebot sprechen für den Korg multi/poly. Letztlich dürft ihr aber euch nicht auf die Fakten verlassen. Vor allem der GAIA 2 und Blofeld klingen deutlich anders als der Korg multi/poly.
Features | Korg King Korg Neo | Roland GAIA 2 | Waldorf Blofeld Keyboard | Korg multi/poly |
Klangerzeugung | VA, DWGS, PCM-Samples, zwei Sounds gleichzeitig | VA, Wavetable, Expansion Model, SH-101 vorinstalliert | VA, Wavetable, Sample-Import, 16facher Multimode | Analog, Wavetable, Waveshaper. 4 Layer mit je vier Oszillatoren |
Polyfonie | 24 Stimmen | 22 Stimmen | 25 Stimmen | 60 Stimmen |
Tastatur | 37 Tasten | 37 Tasten | 49 Tasten mit Aftertouch | 37 Tasten |
Sequenzer/Arpeggiator | Arpeggiator mit bis zu acht Schritten | Arpeggiator und Step-Sequenzer mit bis zu 64 Schritten | Arpeggiator | Arpeggiator, Motion Sequencing |
Effekte | Drei Effektblöcke, 16-Band-Vocoder | Multi-FX, Delay, Reverb, Chorus, Master EQ und Kompressor | Zwei Effekt-Slots pro Sound | Pre/Mod/Delay, Master-EQ, Master-Reverb |
Speicherplätze | 200 Factory, 100 User | 512 Factory, 256 User | 1024 Sounds, 128 Multis | Praktisch ohne Limit |
Abmessungen und Gewicht | 56,5 x 33,8 x 9,2 cm 3,1 kg | 65,5 x 33,6 x 9,2 cm 4,4 kg | 73,5 x 27,5 x 9,5 cm 8 kg | 56,5 x 31,9 x 9,3 cm 3,5 kg |
Display | 3 x OLED | OLED | Grafik-Display | OLED |
Software | – | Librarian/Editor | ||
Preis | 1.099 EUR | 736 EUR | 849 EUR | 939 EUR |
Bewertung im Test | 4 | 4 | 4,5 | 4,5 |
Produkt bei Thomann | Korg King Korg Neo kaufen (Affiliate) | Roland GAIA 2 kaufen (Affiliate) | Waldorf Blofeld Keyboard kaufen (Affiliate) | Korg multi/poly kaufen (Affiliate) |
Korg multi/poly versus Modwave
Nach dem Vergleich mit anderen VA-Synths bleibt noch die Frage, ob der schon mehrfach erwähnte Korg Modwave letztlich nicht die bessere Wahl ist. Trotz der Parallelen gibt es auch einige markante Unterschiede zwischen den beiden Synthesizern von Korg. Einige davon möchte ich nennen: Der Korg multi/poly liefert vier Layer inklusive Layer Rotate anstelle von zwei Layer des Korg Modwave. Seine Dual Filter-Sektion inklusive der neuen Filtertypen, der Waveshaper-Oszillator und die virtuellen Voice Cards bieten mehr Komfort beim Programmieren klassischer Sounds. So gesehen ersetzt der Korg Modwave nicht so einfach den Korg multi/poly. Stünde ich vor einem Neukauf und müsste mich für einen der beiden Synthesizer entscheiden, wäre es der Korg multi/poly wegen seiner 4-Layer-Architektur und der umfangreicheren Filter. Allerdings ist der Korg Modwave günstiger und schon als Plugin erhältlich – hier muss jeder selber entscheiden, was ihm wichtig ist.
Mögliche künftige Varianten
Sicherlich gibt es eine Zukunft des Korg multi/poly. Wir kennen es schon von Korg Wavestate, Opsix und Modwave: Eine kostengünstige Plugin-Version für maximal 200 Euro sowie eine SE- oder SE Platinum-Version als größere Hardware-Variante könnten auch im Fall des Korg multi/poly folgen.
Tatsächlich wäre das eine gute Chance, die sehr leistungsfähige Engine des Korg multi/poly in eine ebenbürtige, musikerfreundliche Hardware zu verbauen: Eine ideale Ausführung wären ein 61er-Modell mit polyfonem Aftertouch sowie ein Plugin für die DAW. Diese Kombination sollte für die allermeisten Live- und Studio-Szenarien passen. Hoffentlich erfüllt Korg diesen Wunsch.