Vor Kurzem wurden Kraftwerk in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Dass die deutschen Synthesizer-Pioniere dort nun zwischen Rockgrößen wie The Doors, Led Zeppelin und Pink Floyd geehrt werden, zeugt von der Faszination und dem Einfluss, der bis heute weltweit von der Band und ihrer Musik ausgeht. Wir nehmen die Aufnahme Kraftwerks in den illustren Kreis der Hall of Fame zum Anlass, einen Blick auf das Equipment der Band zu werfen. Welche Synthesizer und sonstigen Instrumente setzten Kraftwerk ein, um ihren legendären Sound zu kreieren, und welche modernen Alternativen gibt es? Wir haben eine Auswahl zusammengestellt.
Moog Minimoog
Vor allem auf den frühen Alben der Band waren analoge Synthesizer omnipräsent. Ob der Moog Minimoog auch deshalb zum wohl berühmtesten Synthesizer aller Zeiten wurde, weil Kraftwerk ihn einsetzten? Darüber kann man nur spekulieren. Jedenfalls gehörte der Minimoog in den 1970ern zum Arsenal der Band und ist auch auf der Rückseite des Albums „Ralf und Florian“ abgebildet – dem ersten, auf dem Kraftwerk Synthesizer einsetzten.
Weil der Synthesizer so berühmt ist, gibt es heute eine ganze Reihe von Optionen, um an den Minimoog-Sound zu kommen. Moogs eigene Neuauflage wurde schon vor über drei Jahren wieder eingestellt. Günstiger geht’s mit dem Behringer Model D oder der vierstimmigen Variante Poly D.
Kraftwerk selbst ersetzten den Minimoog im Laufe der Jahre durch verschiedene andere Hardware- und Software-Synthesizer, darunter den Creamware Minimax ASB und den Mitte der 1990er erschienenen Studio Electronics SE-1. Dessen Weiterentwicklung SE-1X gibt es inzwischen wieder zu kaufen. Mit dem SE-3X erschien zudem in diesem Jahr eine Weiterentwicklung mit 3-stimmiger Paraphonie, neuen Filtervarianten und zwei Overdrive-Schaltungen. Auch der Roland SE-02, der zusammen mit Studio Electronics entwickelt wurde, orientiert sich an der Struktur des Minimoog.
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ARP Odyssey
Auch der ARP Odyssey wurde von Kraftwerk in den 1970ern viel verwendet. Wie der Minimoog gehörte er zur neuen Generation kompakter Synthesizer, die diese neue Welt für viele Musiker erreichbar machten. Und wie beim Minimoog habt ihr heute wieder mehrere Optionen, wenn ihr euch einen Odyssey ins Studio holen möchtet.
Da wäre zunächst die unter der Regie von Korg entstandene Neuauflage, die es in verschiedenen Varianten gab und gibt. Neben der Standardversion mit Minitasten produzierte Korg eine limitierte Full-Size-Version, die inzwischen allerdings vergriffen ist. Außerdem gibt es den Korg ARP Odyssey auch als Desktop-Modul und sogar als iOS-App. Und natürlich hat auch Behringer den Odyssey geklont.
EMS Synthi AKS
Ein weiterer Analogsynthesizer der 1970er, den Kraftwerk einsetzte, war der EMS Synthi AKS. Mit seiner Steckmatrix ist der Synthi ein ultrakompaktes Modularsystem im praktischen Köfferchen, dessen Komponenten sich flexibel miteinander verknüpfen lassen. Noch gibt es keinen direkten Klon des Synthi A / Synthi AKS zu kaufen, aber vielleicht dauert es ja nicht mehr allzu lange, bis Behringers Kopie des EMS VCS3 startklar ist.
Sequential Circuits Prophet-5
Der Prophet-5 wurde von Kraftwerk während der „Computer World“-Tour im Jahr 1981 eingesetzt. Auch er gehört zu den ganz großen Synthesizer-Legenden. Nach einer ganzen Reihe anderer Synths namens Prophet, wie dem Prophet 08, Prophet 12, Prophet-6, Prophet REV2 und Prophet X, konnte sein Erfinder Dave Smith dem Prophet-5 im letzten Jahr endlich ein würdiges Denkmal setzen – in Form der authentischen Neuauflage und des Prophet-10 mit doppelter Stimmenanzahl. Beide sind auch als Desktop-Module erhältlich. Übrigens: Mit der vor Kurzem erschienenen Voice Expansion lässt sich der Prophet-5 zum Prophet-10 aufrüsten.
Elektronische Drums
In Sachen Drums waren Kraftwerk von Anfang an sehr kreativ. Die Band verwendete unter anderem modifizierte Rhythmusmaschinen aus der Heimorgel-Ära, wie die Farfisa Rhythm Unit 10. Kultstatus erreichte auch das von Kraftwerk selbst gebaute elektronische Schlagzeug, das mit Metallstöcken gespielt wurde, um die Kontakte zu schließen. Damit wurden die Sounds eines Maestro Rhythm King getriggert, ebenfalls eine analoge Begleitmaschine aus dem Heimorgelbereich.
Diese Unikate gibt es natürlich nirgendwo zu kaufen. Aber wir haben heute immerhin wieder eine große Auswahl an analogen und digitalen Drummachines.
Sequencer
Während die ersten Kraftwerk-Alben noch von Hand eingespielt wurden, setzte die Band nach anfänglicher Skepsis ab dem Album „Trans Europa Express“ vermehrt Sequencer ein. Legendär wurde der Synthanorma Sequencer vom Synthesizerstudio Bonn Matten & Wiechers, von dem Kraftwerk eine Sonderanfertigung mit quantisierten Steuerspannungen („Intervallomat“) erhielten. Später kamen auch verschiedene Sequencer von Doepfer zum Einsatz, darunter Regelwerk, Schaltwerk und insbesondere der MAQ 16/3.
Nachdem Hardware-Sequencer zwischenzeitlich zu verschwinden drohten, ist das Angebot heute so groß wie nie. Hier findet ihr eine Übersicht. Von Doepfer gibt es zum Beispiel noch den Dark Time, dessen Arbeitsweise den Sequencern der frühen Jahre sehr nahe kommt.
Vocoder
Bei Kraftwerk denkt man unweigerlich an verfremdete Stimmen. Vor allem der Vocoder ist untrennbar mit dem Sound der Band verbunden. Kraftwerk setzten in erster Linie den Sennheiser VSM-201 und den EMS 5000 ein.
Wie analoge Synthesizer hat der Vocoder in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren – wohl auch, weil der fast 20-jährige Dauerbrenner Microkorg einen eingebaut hat. Neben unzähligen Plug-ins gibt es inzwischen auch wieder einige interessante Optionen für Hardware-Vocoder, wie den Arturia Microfreak mit passendem Mikrofon und den Behringer VC340, einen analogen Klon des Roland SVC-350.
Wer seine Stimme verfremden möchte, kann natürlich auch in ein spezielles Vocal-Effektgerät wie den Roland VT-4 Voice Transformer oder etwas aus der TC Helicon VoiceLive-Serie investieren. Neben einem Vocoder bieten diese Geräte noch verschiedene andere Vocal-Effekte. Oder ihr holt euch einfach die Sample-Library Robot Voices.
Spielzeug, Taschenrechner, Kurioses
Von Circuit Bending sprach damals noch niemand, aber Kraftwerk waren Meister darin. Immer wieder setzte die Band Gerätschaften ein, die ursprünglich nicht als Musikinstrument gedacht waren. So stammt die Stimme im Titelsong von „Computerwelt“ von einem Übersetzungscomputer der Marke Texas Instruments. Auch der sprichwörtliche „Musikant mit Taschenrechner in der Hand“ ist mehr als nur eine Zeile, die sich reimt, denn der Casio FX-501b tritt tatsächlich als Klangerzeuger in Erscheinung.
Auch musikalisches „Spielzeug“ fand immer wieder seinen Weg ins Kling-Klang-Studio. So nutzten Kraftwerk unter anderem die Bee Gees Rhythm Machine des Spielzeugherstellers Mattel und das Stylophone von Dubreq. Der eigenwillige Stift-Synthesizer erlangte daraufhin prompt Kultstatus und ist heute wieder erhältlich.
Die langjährige Zusammenarbeit von Kraftwerk mit Dieter Doepfer, der wir unter anderem den MAQ 16/3 Sequencer verdanken, brachte mit MOGLI noch eine besonders sehenswerte Kreation hervor. Mit dem Controller-Handschuh auf Basis eines Nintendo Powerglove (ein Gesten-Controller aus dem Jahr 1989) waren Kraftwerk heutigen Versuchen wie dem Enhancia MIDI Ring oder dem Genki Instruments Wave um Jahrzehnte voraus. MIDI-Geräte durch Bewegungen steuern? Von verschiedenen Startups bis heute immer wieder als bahnbrechende Idee verkauft, von Kraftwerk schon vor Jahrzehnten praktiziert!