So kennen wir das heute: Synthesizer bieten eine Fülle an Presets, die Hersteller geradezu aus Selbstverständlichkeit mitliefern. Du kannst dich also an Hunderten von sofort konsumierbaren Klängen erfreuen, bei einigen Software-Instrumenten und Synthesizer-Workstations sind es sogar Tausende. Wer blickt bei dieser massiven Offerte an Presets noch durch und kann zumindest ein halbes Dutzend dieser Werksklänge bei Produktionen oder bei Live-Gigs sicher heraushören?
Dies war einmal anders: In den goldenen 1980ern (nein – früher war nicht alles besser) kamen digitale Synthesizer auf, die mit relativ wenigen, aber mit für damalige Hörgewohnheiten innovativen Presets ausgestattet waren. Es waren Sounds mit hohem Wiedererkennungswert. Mit digitalen Musikinstrumenten war es erstmals möglich, solche komplexeren Programme mit zahlreichen Klang- und Effektparametern abzuspeichern, ihre Sounddaten auf Computern zu archivieren und mit anderen Musikern zu teilen.
Falls du der Generation Ü40 angehörst oder als Keyboarder in einer Coverband auftrittst, wirst du einige dieser klangvollen Presets kennen. Falls nicht, bieten wir dir nun einen Rückblick mit 30 Hörbeispielen und begrüßen dich beim neuen Fach „Presetkunde“.
Drei wichtigste Synthesizer auf einen Blick
Wir schreiben das Jahr 1983, Keyboarder spüren die Kraft der Digitaltechnik: Der Yamaha DX7 macht die FM-Synthese erfolgreich, vier Jahre erscheint der Roland D-50 mit der LA-Synthese, die Korg M1 folgt ein Jahr später als erste kommerzielle Workstation mit ROM-Samples. Der Yamaha DX7 hat 1983 den Synthesizer neu definiert: 16 Stimmen, Anschlagsdynamik, MIDI-Anschlüsse und insbesondere die FM-Synthese mit ihren dynamischen Sounds drängen analoge Klangerzeuger von Moog, Oberheim und Co damals in den Schatten. Bis heute hat die Syntheseform des DX7 nicht an Attraktivität verloren, der DX7 bleibt einer der kommerziell erfolgreichsten Synthesizer mit weltweit über 160.000 verkauften Einheiten. Glockige E-Pianos, FM-Synths und metallische Klänge sind noch immer begehrt, auch wenn Technomusik zwischenzeitlich den brachialen Sound der FM-Synthese für sich entdeckten.
Ein nächster Synthesizer mit atemberaubenden Werksklängen: Der Roland D-50 basiert auf der LA-Synthese und integriert als erster Synthesizer eine Effektsektion mit Hall, Chorus und Equalizer. Jeder möchte ihn haben und im Studio wie auf der Bühne spielen. Mit der M1 stellt Korg das Urmodell der „Music Workstation“ vor. Bis heute wird es perfektioniert: Korg Kronos, Yamaha Montage und Roland Fantom. Neben Yamahas DX7 zählt der zwischen 1988 und 1994 gebaute Korg M1 mit über 100.000 verkauften Geräten zu den Synthesizer-Bestsellern. Sequencer, Mixer, Effekte und Synthesizer sind zwar Mitte der 1980er Jahre verfügbar, aber eben nur einzeln – platzraubend und relativ teuer. Mit der M1 überrascht Korg erstmals mit einem Produkt, das alle wesentlichen Komponenten fürs MIDI-Recording-Studio in ein kompaktes wie bezahlbares Tasteninstrument vereint und insbesondere auch mit seinen Werksklängen auffällt.
Yamaha DX7: Voices mit dynamischer Brillanz
Etliche Keyboarder mögen die brillant klingenden Rhodes-Interpretationen des Yamaha DX7. Im Studio sind es die knackigen Bässe, bei denen die schnellen Operatoren-Hüllkurven der FM-Synthese positiv auffallen. Die Preset Voice Nummer 15 „Bass 1“ des Yamaha DX7 ist auf etlichen Produktionen zu hören, so auch im Popklassiker „Take on me“ von A-ha. Sehr apart lässt sich auch die DX7 Mundharmonika spielen. Ein schönes Beispiel liefert das Solo in Tina Turners „What’s love got do to with it“. Zur bläserähnlichen Artikulation wurde mit dem DX7 eine neue Spielhilfe eingeführt, du kannst aber die Sounds einfach per Tastatur und Handräder anspielen, wie bei unseren Klangbeispielen geschehen.
Für rhythmische Begleitakkorde werden Harfe, Steeldrums, Marimba und ähnliche Mallets des DX7 gern verwendet. Eindrucksvoll sind die berühmten Tubular Bells. Für Effekte („Train“) und elektronische Drumsounds ist die FM-Synthese offen. Weniger typisch für den Yamaha DX7, aber sehr gut imitierbar, sind einfache Orgelsounds. Hierzu dient Algorithmus 32 („Orgel-Algorithmus“) der FM-Synthese, der nach dem Prinzip der Additiven Synthese sechs Sinus-Oszillatoren in verschiedenen Fußlagen schichtet.
Der erste DX7 war mit einem technisch bescheidenen D/A-Wandler ausgestattet. Er bot eine Auflösung von 12-bit und 28 kHz, was den Frequenz- und Dynamikbereich schmälert. Heraus kam ein recht kühler rauher Basisklang, der von Zischeln, Brutzeln und anderen typischen Aliasing-Geräuschen begleitet wurde. Für unsere Hörbeispielen haben wir die originalen Klangdaten des Yamaha DX7 als SysEx-Datei in den Software-Synthesizer FM8 von Native Instruments importiert und in einer DAW angespielt.
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The Original Yamaha DX7 Vintage Synthesizer
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Mehr InformationenRoland D-50: Mit Effekten leuchtende Patches
Hochkarätige Roland D-50 Patches wie „Fantasia“, „Soundtrack“ oder „Staccato Heaven“ der mitgelieferten ROM-Karte inspirieren Keyboarder wie Sound-Designer. Viele dieser fantastischen Kreationen gehen aufs Konto von Eric Persing, der heute als Kopf von Spectrasonics mit grandiosen Instrumenten wie Keyscape oder Omnisphere begeistert. Die oft röchelnden, leuchtenden und spacig-breiten D-50-Sounds haben einen immens hohen Wiedererkennungswert. Das Factory Patch Nr. 37 „Soundtrack“ ist sogar in die 128 GM-Standard Patches (Nr. 98) aufgenommen worden.
Heraus ragen vor allem die Spektrum-Wellenformen und der klangliche Hybrid-Charakter, der mittels einer Kombination solcher kurzen Attack-Samples mit „analogen“ Oszillatoren entsteht. Charismatisch sind die Flächensounds des D-50, die voluminöser, lebendiger und auch etwas gröber als bei vielen Sample-ROM-Synthesizern der 90er Jahre wirken. Auch wenn Rolands Klassiker eine Vielzahl an Standardklängen liefert, ist er dennoch kein Allrounder, obwohl die Factory Sounds möglichst viele Klangsparten abdecken wollen. Erstmalig kommen zwar 20-bit-D/A-Wandler zum Einsatz, der Klang des D-50 ist aber insgesamt keinesfalls als rauscharm zu bezeichnen. Unsere Klangbeispiele haben wir mit einem Roland V-Synth XT mit integrierter Karte erstellt, der transparenter und viel rauschärmer klingt als der originale D-50.
Roland D-50 Synthesizer: Famous Sounds
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Mehr InformationenKorg M1: Universelle Programs für den täglichen Bedarf
Nicht allein das All-in-One Konzept, einige der Werksklänge der Korg M1 selbst sind zeitlos geworden. Das erste Factory Program namens „Universe“ machte Schule unter den Klangprogrammierern. Nach seinem Vorbild sollten etliche Fantasy-Sounds folgen, die Synthpad oder Chor mit abstrakten Effektsamples doppeln. Bei „Universe“ vermengen sich der „Choir“ (Oszillator 1) und das reizende Effektsound-Sample „Lore“ (Oszillator 2), das nochmals in einem separaten Program verewigt wird.
Die M1-Pianos stechen mit ihrem drahtigen, synthetischen Klang hervor, der öfter im Dance/House der 90er Jahre zum Einsatz kommt. Akustische Gitarre und Tenorsax werden damals in etlichen Musikproduktionen benutzt. Sägende Streicher wie das Preset „Symphonic“ und noch mehr die M1-Chöre haben ihren eigenen Charme. Die Orgelsounds erreichen zusätzliche Fülle durch Rotary Speaker oder Chorus. Mit dem „Solo Sax“ lassen sich erstmals Saxofone klanglich realitätsnah auf dem Keyboard spielen. Auch die akustische Gitarre klingt authentischer als bei einem DX7 oder D-50.
Das Program „PanMallet“ ist eine gelungene Mischung aus Panflöte mit einem Karimba-Multisample, das für einen perkussiveren Anschlag sorgt. Vermischt mit einer DWGS Sinuswellenform führt das Sample „Koto Tremolo“ zu einem sphärischen Flächensound namens „Nimbus“. Ein schönes Bellpad heißt „Cloud Nine“, bei dem Glöckchen und Strings kombiniert werden. Ein herausragendes Factory Program ist „Zephyr“, ein hauchiger Fantasy-Sound aus „Pole“ und Streichern. Das mystische Anschwellen wird bei der Pole-Wellenform mit einem sanften Attack der Pitch-Hüllkurve erzeugt. Korg M1 Sounds gibt es heute in der Korg Collection Serie, die eine Reihe klassischer Korg-Synthesizer in Software vereint.
Korg M1 Synthesizer: Famous Sounds
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Mehr InformationenSchlusswort
Nun weißt du, woher einige dieser noch heute bedeutenden Synthesizerklänge ursprünglich stammen. Mit großer Wahrscheinlichkeit triffst du bei deinem jetzigen Keyboard oder Synthesizer und bei Neuanschaffungen auf diese oder ähnliche Werksklänge. Schreibe gern in die Kommentare, bei welchen Chart-Songs dir diese Klänge gefallen oder wo und womit du sie vielleicht selber verwendest. Spätestens wenn du deine Musik auf „Retro“ trimmen oder du „80ies Pop“ authentisch interpretieren möchtest, solltest du diese kultigen Presets einträglich verwenden.
Viel Spaß mit den Promis der Digital-Vintage-Sounds!