Kush Audio Electra im bonedo-Test – Kush Audio ist gestartet mit einer „Coverversion“ des Empirical Labs FATSO, doch mittlerweile hat der kleine Hersteller aus New York einige eigener Designs im Programm. Diese reichen von Monitorcontrollern über Audio-Plug-Ins bis hin zu feinen Analogprozessoren, mit denen sich Kush Audio im Fahrwasser des gepimpten ELI FATSO in Windeseile eine große Gefolgschaft erschaffen hat. Gregory Scott, Mastermind hinter den Kush-Designs, dürfte Mitgliedern des Gearslutz-Forums schon länger als eine feste Größe gelten. Und mit Kush Audio hat sich der New Yorker Audio- und Audiotechnik-Engineer eine Spielwiese bereitet, auf der er bewährte Schaltungsideen mit neuartigen oder zumindest ungewöhnlichen Konzepten verbindet.
Scotts „Clariphonic Parallel Equalizer“ ist solch ein Beispiel: Dieser EQ folgt einem so noch nicht ausgeführten Konzept, denn er arbeitet mit einer Reihe von Filtern in einer Parallel-Architektur. Electra gibt sich da ein kleines bisschen bodenständiger: Dieser EQ soll nicht das Entzerrer-Rad neu erfinden, sondern „einfach nur“ ein vielseitiges, gut klingendes Werkzeug darstellen, das in der Produktion in allen Stufen eingesetzt werden kann. Doch Gregory Scott wäre nicht Gregory Scott, wenn er dem Electra nicht doch noch ein paar Drehs mitgegeben haben, die das Teil nicht als grauen Allerweltsentzerrer dastehen lassen.
Über die Inspirationsquelle des Engineers darf übrigens nach Herzenslust spekuliert werden: „Kush“ ist im englischen Sprachgebrauch ein beliebtes Slangwort für eine uralte Kulturpflanze mit charakteristisch geformten Blättern. Auch das eher ungewöhnliche, braune Gehäusedesign aller Kush-Prozessoren könnte als Wink mit dem Zaunpfahl gesehen werden. Wie soll man es schließlich auch deuten, dass Kush’s Wahlspruch „Where high end keeps getting higher“ lautet…
Details
Vier Filtertypen in fünf Bändern
Aber zurück zu den profanen Details! Als zweikanaliger EQ mit immerhin fünf Bändern in jedem Kanal ist der Electra schon beim Blick auf die Basisdaten flexibler, als ein allererster, flüchtiger Blick auf die Frontplatte vermuten lassen sollte. Und darüber hinaus hat Scott dem gerät ein paar Kniffe verpasst, die man schlichtweg erstaunlich nennen darf. So hat er in den fünf Bändern nämlich nicht weniger als vier unterschiedliche Filter-Topologien untergebracht, die alle ganz unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen – und in ihrem Layout an die typischen Arbeiten im jeweiligen Frequenzbereich angespasst wurden. Damit ist der Electra ein sehr modernes Gerät, das in scharfem Kontrast zu typischen EQs steht, bei denen sämtliche einzelnen Filter mehr oder weniger der gleichen Topologie folgen. Chandlers Germanium Tone Control arbeitet mit einem im Ansatz vergleichbaren Filter-Potpourri, aber ansonsten operieren die meisten EQs am Markt doch mit eher konventionellen Grundideen.
Mittenbänder: Proportional Q
Herzstück des Electra sind zwei semiparametrische Mittenbänder, die sich mit stufenlos durchstimmbaren Bereichen von 30-730 sowie 250-5400 Hz nicht nur extrem weit überlappen, sondern die überhaupt zusammen einen weiten Bereich vom tiefsten Subbass mit in die Präsenzen überstreichen. Als Proportional-Q-Designs in bester API-Manier kommen diese Bänder ohne ein drittes Bedienelement für die Filtergüte aus: Bei leichten Amplituden greift das Band sehr breit ein, bei stärkeren Anhebungen/Absenkungen wird es zunehmend schmaler. Damit ist ein guter Kompromiss gefunden zwischen einer intuitiven und „musikalischen“ Bedienung und einem Filterlayout, das gleichermaßen breitbandiges Sweetening und präziseres Filtern von Problemen erlaubt. Ein spezieller Kurvenzuschnitt, bei dem die „Basis“ immer schön breit bleibt, soll zudem gewährleisten, dass ordentlich Punch und ein einigermaßen natürlicher Klangeindruck stets Hand in Hand gehen.
Untypisch: High-Shelf ist sehr steilflankig
Nach oben hin wird das Frequenzverbiegungspotenzial des Kush-EQs durch ein Shelving-Filter abgerundet, das ebenfalls flexibel ist: Die Ansatzfrequenz kann zwischen 3,8 und 20 kHz gewählt werden, zudem ist seine Filterkurve– im Gegensatz zu den meisten anderen Höhen-Shelving-Bändern am Markt – eben nicht butterweich, sondern relativ steil. Das bedeutet, dass man beispielsweise das feine, „teure“ Airband zu fassen bekommt, ohne tendenziell aggressive Hochmitten mit anzuheben. Und im Gegenzug kann dieses Band auch als recht effektives Tiefpassfilter eingesetzt werden.
HPF nicht mit sanftem Verlauf
Schließlich verfügt der Electra-EQ noch über ein Hochpassfilter, das zwischen 25 und 400 Hz durchgestimmt werden kann. Der Clou hier – neben dem wieder recht weiten Frequenzbereich – ist, dass das Filter eine kleine Resonanzspitze an der Eckfrequenz aufweist. Damit kann man an dieser Stelle nicht nur das Gerümpel im Frequenzkeller aufräumen, sondern z.B. bei der Grundschwingung der Bassdrum (welche meist die tiefste Nutzfrequenz in einem Mix darstellt) noch einen kleinen Akzent setzen.
Fledermaus-Assoziationen
Ganz schön viel durchdachte Funktionalität also, übersichtlich angeordnet auf der 1-HE-Frontplatte. So ausgefeilt die Filterkurven daherkommen, so gradlinig präsentiert sich die technische Umsetzung. Speziell ist vielleicht das Gehäusedesignmit seinem braun gefärbten Grundthema und den gestalterischen Art-Déco-Anleihen, die ein wenig – passend für einen New Yorker Hersteller – an den Look von Batmans Gotham City erinnern. Das Innere des Gerätes ist jedoch so clean wie es nur sein könnte. Mit zwei großen Platinen und drei Ribbon-Verbindern kommt die Schaltung komplett ohne Kabel aus, die Audioschaltungen selbst geben sich äußerst geradlinig. Das Transistorgerät wird übertragerfrei symmetriert und die – im Gegensatz zum Clariphonic – ganz konventionell seriell ausgeführten Filterschaltungen basieren im Kern auf sehr hochwertigen LME49860-OpAmps von National Semiconductor, welche mit hohem Gain, Klirr unterhalb des Promillebereichs und einer enormen Bandbreite aufwarten können. Damit sollte zu erwarten sein, dass der Klangcharakter des Electra nicht aus sämig-kolorierenden Line-Stufen gespeist wird, sondern aus dem Zuschnitt der Filterkurven selbst.