Ist das “gelandert”?
Um Leser, denen die Materie nicht ganz geläufig ist noch mal ins Bild zu bringen: Mastering ist im Grunde ein Sammelbegriff, der einerseits Feinkorrekturen in Bezug auf Frequenzen und Dynamik an fertig gemischtem Audiomaterial umfasst (was in der Regel gemeint wird), daneben aber auch die Anordnung von Titeln für das Zielmedium, samt Überblendungen und – falls erforderlich – Formatkonvertierungen einschließt. Es ist also der letzte Schritt, bevor das Audiomaterial sein Zielmedium (Datei, CD, Vinyl etc.) erreicht. In jüngerer Zeit wird Mastering (leider) vermehrt die Bedeutung des “Lautmachens” zugeschrieben. Was auch dazu gehört, dabei aber nur ein Teil des Gesamtprozesses ist. Für gewöhnlich wird dieser Job von einem Tontechniker erledigt, der mit einer ganzen Reihe von speziellen digitalen und/oder analogen Werkzeugen, einer hervorragenden Abhörsituation, vor allen Dingen aber mit einem sehr guten und geschulten Ohr an die Sache rantritt. Die Firma “Landr” (vormals Mix-Genius) verspricht ähnlich gut Ergebnisse durch den Einsatz von Algorithmen, die diesen Job selbstständig und automatisiert erledigen. Ein gerade unter erfahrenen Mastering-Engineers nicht ganz unumstrittener Ansatz, wie man sich denken kann, denn der Prozess des Masterings basiert oft auch auf Abwägungen und Entscheidungen, die im Dialog mit dem Künstler getroffen werden müssen.
Ungeachtet dessen liefert der Algorithmus, wie wir in verschiedenen Tests bereits rausfinden konnten, durchweg brauchbare Ergebnisse und empfiehlt sich besonders, um Tracks, die man als DJ am Abend in seinem Set ausprobieren möchte, auf den nötigen Pegel zu bringen, den es braucht, um sich gegen fertig produzierte Nummern behaupten zu können. Wie brauchbar die Ergebnisse sind, die sich mit dem Mastering durch Landr erziehlen lassen, mag dieser A/B-Vergleich verdeutlichen: A ist ein von mir “handgefertigtes” Digital-Master unter Einsatz von drei Equalizern (einer im MS-Betrieb), einem Multi- und einem Singleband-Kompressor und einem Limiter (Zeitaufwand ungefähr eine Stunde) und B ist das Resultat von Landr in der High-Einstellung (Zeitaufwand für Rendering, Up- und Download ungefähr eine halbe Stunde):
Dektop-Frontend
Musste man sich zur Nutzung des Dienstes bislang auf der Website registrieren und das Mastering-Skript über das – durchaus brauchbare – Webinterface bedienen, verspricht die neue Desktop-App in dieser Hinsicht mehr Komfort zu liefern. Sie ist für die übliche Windows/MacOS-Dualität erhältlich und mit rund fünfzig Megabyte als eher schlank zu bezeichnen.
Jetzt auch mit Mix
Der neu hinzugekommen DJ-Sets-Tab gleicht in seinem Aufbau dem Reiter für Einzeltracks. Die Wartezeit für den Upload schien mir im Test geringer als bei Einzeltracks zu sein, denn mein 25-minütiger Testmix brauchte genau eine knappe halbe Stunde, um als Preview-angezeigt zu werden. Genau genommen erübrigt sich die Preview-Funktion allerdings, denn die Wahlmöglichkeit für Mixe lautet – im Gegensatz zu den drei Stufen bei Einzeltracks – ohnehin nur Mastern oder nicht. Das passt auch logisch zu der – im Vergleich zum Einzeltrack-Mastering – ungefähr ein Drittel kürzeren Verarbeitungszeit. Das Rendering und der Download brauchen dann in etwa noch mal die Zeit, die der Mix selber dauert.
Zu kurze Mixe (unter 20 Minuten) krittelt die Software an – wohl eine Art Kopierschutz, um den Missbrauch des Dienstes für Track-Masterings zu unterbinden. Denn Mixe dürfen (im Gegensatz zu Einzeltracks) auch mit dem kostenlosen Account in Wav-Qualität bearbeitet werden.
Zurück zu eigentlich Arbeit des Algorithmus: Als arglistigen Test habe ich Landr einen kurzen Mix untergejubelt, bei dem mit einer alten Disco-Nummer starte, die typischerweise leiser und dynamischer gemastert ist als heutige Produktionen. Der schließt sich dann ein aktueller, ultrakompakt und entsprechend laut gemasterter House-Track ans. Um dieses Szenario überhaupt herzustellen, musste ich allerdings die Auto-Gain-Funktion meiner DJ-Software deaktivieren. Sprich: Wer digital auflegt, dem sollten sich solche Lautstärkeprobleme in der Regel sowieso nicht mehr stellen.
Was Landr im Ergebnis nachprüfbar macht, ist eine typische Normalisierung. Also nach der lautesten Stelle innerhalb der gesamten Datei suchen und die betreffende Stelle bis auf Null Dezibel (und in entsprechender Relation auch das gesamte File) anzuheben. Ein Nachführen der Lautstärke zwischen den verschiedenen Titeln oder gar der Dynamik erledigt der Algorithmus derzeit noch nicht. Oder war zumindest für meine – nicht ganz ungeschulten Ohren – nicht hörbar. Dieser Job lässt sich allerdings auch problemlos mit jeder Audio-Freeware erledigen wobei hier die Extra-Runde über das Internet entfällt.
Wer Landr bereits für die Aufbereitung seiner Audiodateien nutzt, dürfte über das Desktop-Fontend hocherfreut sein, denn es vereinfacht die Arbeit mit dem Online-Dienst merklich. Besonders der Blick auf die Historie und die auf dem Server verbleibenden Mastering-Dateien dürfte für professionelle Anwender wie etwa Labels oder Sample-Hersteller ein echter Mehrwert sein. Der klangliche Mehrwert des Mix-Masterings ist allerdings (derzeit noch) als eher gering einzustufen, da es sich lediglich um eine Normalisierung des Spitzenpegels handelt.