In dieser Folge unserer Groove-Workshop-Reihe widmen wir uns einem weiteren Giganten am Drumkit, der seinen weltweiten Ruf als kreativer Studio- und Live-Performer in den 1980er Jahren begründete und bis heute aktiv ist: Manu Katché. Der 1958 in Frankreich geborene und in Paris aufgewachsene Manu hat seine elterlichen Wurzeln sowohl in Frankreich als auch an der westafrikanischen Elfenbeinküste und begann seine Drummer-Laufbahn im Alter von 15 Jahren mit einem Studium am Pariser Conservatorium, wo er eine klassische Percussion-Ausbildung absolvierte.
Intro
Zu Beginn der Achtzigerjahre gelang es ihm dann, Schritt für Schritt eine Karriere als Studio- und Livemusiker aufzubauen. Einen echten Meilenstein markierte dabei seine 1985 beginnende Zusammenarbeit mit Peter Gabriel, der sich vor allem für Manus unverwechselbare, melodische Grooves begeistere, welche oftmals durch ausgeprägte Tom-Arbeit und den erfrischenden Einsatz von mehreren Splash-Becken geprägt sind. Die Verbindung aus amtlichst getrommelten Pop-Grooves und Manus Faible für afrikanische und Weltmusik-affine Rhythmen machte ihn so recht schnell zum Lieblingsdrummer vieler großer Stars, darunter auch Sting, für den er auf vier Alben und vielen Tourneen hinterm Kit saß. Auch Rock-Acts wie die Dire Straits setzten zuweilen auf Katchés speziellen Touch, ebenso die westafrikanische Worldmusic-Größe Youssou N´Dour („Seven Seconds“, Duett mit Neneh Cherry). Als Komponist und Produzent brachte der Franzose mit dem ansteckenden Dauerlächeln zwischen 1991 und 2016 insgesamt sieben Solo-Alben heraus, die sich stilistisch alle im erweiterten Jazz-Bereich bewegen.
Es gibt so einige Beispiele aus Manus Zauberkiste, die es wert wären, in einem Workshop über legendäre Grooves vorgestellt zu werden; ich habe mich dieses Mal für einen seiner kreativsten Grooves entschieden, „Somewhere Down The Crazy River“, zu finden auf dem 1987er Album „Robbie Robertson“ des gleichnamigen Künstlers. Genau, das ist der Robbie Robertson, der ein federführendes Mitglied von „The Band“ war, jener Kapelle, die ab 1965 Bob Dylans Band wurde, als dieser sich weg vom reinen Gitarren-Folk in Richtung elektrische Gitarren verabschiedete. Robbie Robertson, vom Rolling Stone auf Platz 45 der besten Songwriter aller Zeiten gewählt, hat seine Wurzeln ebenso wie Manu Katché in zwei Kulturen – sein Vater war Jude, seine Mutter eine Mohawk-Indianerin – , und so besticht das selbstbetitelte Album durch eine Vielzahl von Einflüssen und stilistischen Überschneidungen, die aber alle unter dem Dach „Rock und Pop“ anzusiedeln sind.
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Alle Noten zum Workshop gibt es hier als Download:
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Der Strophen-Groove
Der zweitaktige Beat zu „Somewhere Down The Crazy River“ eröffnet das Stück und zieht den Zuhörer mit seiner „mystischen“ Stimmung sofort in seinen Bann. Manu Katché gestaltet hier eine Groove-Kombination aus Ride-Akzenten mit Gegenbewegung in der Hi-Hat, Snare Backbeats (Snares Off) und Tom-Akzenten.
Der Schlüssel zu diesem Groove liegt zunächst in der Entscheidung, mit welcher Hand man die beiden vorgezogenen Snare- und den ebenfalls vorgezogenen Rack-Tom-Akzent orchestriert. Für mich ist der Beat am angenehmsten zu spielen, wenn ich das Ride-Becken und alle vier Akzente, die auf Trommeln fallen, mit der rechten Hand spiele, und die Linke nur auf der Hi-Hat „gegenläuft“. Ich habe Manu vor Jahren diesen Beat auch einmal selbst spielen sehen, und auch er hat dieses Sticking gewählt. Es wäre theoretisch eben auch möglich, die drei Schläge auf Snare und Rack Tom, die jeweils auf der zweiten 16tel der „1“ bzw. der „3“ liegen, mit links zu exekutieren, dies erfordert aber einen sehr schnellen Wechsel weg von der Hi-Hat rüber zur Snare bzw. zum Rack Tom, der den Groove unnötig schwierig macht und den Fluss des Patterns stören könnte. Untenrum werden übrigens ganz simpel und luftig Bassdrum-Schläge auf „1“ und „3“ gespielt.
Um die Melodiestruktur etwas vereinfacht zu verdeutlichen, habe ich hier noch einmal eine „Basis-Variante“ des Grooves notiert und aufgenommen. Es fehlen die Ride-Bell-Akzente, die im Original durch „Pull-Out“ Schläge mit rechts gespielt werden. Hier spielen die Hände einfach alternierend (abwechselnd) zwischen Ride und einem Downbeat-Akzent auf dem Floor Tom (jeweils rechte Hand) und den übrigen Noten von Hi-Hat, Snare und Rack Tom (jeweils linke Hand).
Gehen wir nun wieder zurück zum Original und schauen uns die beiden Hände und ihre Figuren einmal unabhängig voneinander an. Übt am besten einfach mal, nur den Rechte-Hand-Part isoliert zu spielen, Ihr werdet sehen, es fühlt sich recht schnell logisch an und ist gar nicht so schwierig. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings die Beherrschung der zuvor erwähnten „Pull-out“-Technik, also den hinteren Schlag von einer zwei-Noten-Kombination durch eine peitschenartige Bewegung zu akzentuieren und auf die Ride-Glocke zu setzen. Falls es da noch hapert: Das ist eine Technik, die Euch auch in vielen anderen Situationen äußerst nützlich kann, insofern: Üben!
Zur Verdeutlichung hier nun auch noch einmal die linke Hand isoliert gespielt. Bis auf die beiden 32tel Noten (Verdopplung) fallen alle Schläge der Linken ganz natürlich auf die „Gegenpositionen“ der rechten Hand Das isolierte Üben einer solchen Figur erscheint zunächst vielleicht unnötig abstrakt, ich finde aber, dass es durchaus sinnvoll und auch hilfreich ist, einen Groove (oder auch ein Fill) in seine Einzelteile zu zerlegen und spielerisch einzeln „beleuchten“ zu können. Das schafft Klarheit und ermöglicht langfristig ein freieres Agieren mit dem jeweiligen Material.
Wenn wir jetzt wieder beide Hände zusammen in einem Notenbild betrachten, die Hände aber optisch dennoch in „obere und untere Notation“ aufteilen, verrät dieses Notenbild uns eine Art „wechselnde Figur-Symmetrie“ in den Händen, welche die Groove-Komposition in ihrer Logik schön transparent darstellt.
Der Refrain-Groove
Im ersten, 11-taktigen Chorus des Songs wechselt das Groove-Feel schließlich in eine konventionellere Variante. Im Prinzip spielt Manu dort einen simplen Pop-Beat mit Kick-Schlägen auf „1“ und „3“, mit alternierenden 16teln auf der Hi-Hat sowie Snare-Akzenten auf „2“ und „4“. Das gibt dem Refrain mehr Schub und ermöglicht so auch eine effektvolle Rückkehr zum legendären Intro- und Strophen-Groove. Bei aller Einfachheit dieses Beats versetzt der Meister die 16tel Noten auf der Hi-Hat mit geschmackvollen Akzenten, die einen klaren, zitierenden Bezug zur Ride-Bell-Akzent-Struktur des Intros haben und verknüpft so beide Song-Teile meisterhaft miteinander.
Wie wichtig eine eigene Stimme am Instrument ist, muss ich hier sicherlich nicht extra betonen. Je mehr Ihr nach Euch selbst klingt, desto mehr Interesse wird Euch von Euren Mitmusikern entgegen gebracht werden. Aber einen solchen Master-Groove wie diese Katché-Kreation zu analysieren und nachzuspielen, ist in jedem Falle ein bewährtes Mittel, um seinen eigenen Weg zu finden, nachdem man sich durch die Arbeit anderer hat inspirieren und leiten lassen. Wenn Ihr das Ding hier dann drauf habt, versucht doch mal, durch andere Orchestrierungen und /oder in einem anderen Tempo Eure eigenen Grooves auf Basis dieses interessanten Stickings zu entwickeln. Da geht so einiges…
Oder Ihr genießt ganz einfach „Somewhere Down The Crazy River“ und entdeckt noch weitere Grooves aus der Feder dieses visionären und überaus kreativen Drummers, der ganz ohne Zweifel bereits heute als wahre Legende zu bezeichnen ist.
Viel Spaß beim Auschecken wünscht Euch
Harry Bum Tschak
Manu Katché Recordings / Anspieltipps
- Sting – Nothing like the Sun (1987)
- Sting – The Soul Cages (1991)
- Sting – Brand New Day (1999)
- Sting – All This Time (2001)
- Peter Gabriel – So (1986)
- Peter Gabriel – Us (1992)
- Peter Gabriel – Secret World (live) (1993)
- Peter Gabriel – Long Walk Home (2002)
- Dire Straits – On Every Street (1991)
- Robbie Robertson – Robbie Robertson (1987)
- Tori Amos – Boys for Pele (1996)
- Youssou N’Dour – The Lion (1989)
- Al Di Meola – Orange and Blue (1994)
- Manu Katché – Playground (2007)
Hier geht es zur Übersicht über alle bonedo Drum Cover Folgen.
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