Willkommen zu Teil 4 meiner Workshop-Reihe über legendäre Drummer und ihre Grooves. Für den Protagonisten dieser Ausgabe sprechen viele Dinge, aber zwei ganz besonders: Zum einen wird unser Held nur selten schlicht als „Nate Smith“ bezeichnet, in der Regel wird er als „The legendary Nate Smith“ betitelt, was ihn quasi prädestiniert für diese Serie. Zum anderen, und das ist natürlich viel wichtiger, ist seine Präsenz in den Drummer-orientierten Bereichen von Social Media in den letzten Jahren explodiert, und er ist dort dermaßen abgefeiert worden, dass man heutzutage schlicht nicht mehr an ihm vorbei kommt, sofern man Ohren und Augen für interessante Spieler offen hält.
Intro
Der heute 44-jährige, in Virginia geborene US-Amerikaner verfügt nicht unbedingt über eine ellenlange Credit-Liste voller großer Namen – neben der Jazz-Sängerin Betty Carter, die seine Karriere als eine Art Mentorin im Rahmen ihres „Jazz Ahead“-Programms ins Rollen brachte, gehört der große Jazz-Bassist Dave Holland zu seinen Fans – , aber mit seinem unnachahmlichen Stil übt Smith eine seltene Faszination auf Zuschauer sowie Kollegen aus. Nate Smiths Drumming entspringt in der Hauptsache zwei musikalischen Welten: Einerseits fühlte er sich schon früh zu Rock (z.B. von Led Zeppelin und The Police) und Funk (hier wird gerne Quincy Jones genannt, aber auch James Brown ist zweifelsfrei zu erkennen …) hingezogen, andererseits entwickelte er aber auch eine Liebe zum Jazz, insbesondere zu Art Blakey und seinen Jazz Messengers. Und genau diese Elemente, verwoben mit einem Schuss hochenergetischem funky Zaubertrank, lassen sich aus Nates explosivem Spiel von heute herauslesen: Power-Funk-Rock-Jazz-Loopstyle Drumming der konsequentesten Kajüte, keine Rücksicht auf Mensch, Material oder irgendwelche anderen Verluste. Total fesselnd und hochgradig inspirierend.
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Mehr InformationenKürzlich hat sich, neben den mittlerweile Dutzenden von Video Snippets, auf denen es dieses einzigartige Trommel-Phänomen zu bestaunen gibt, ein weiterer YouTube Clip in die Herzen von jetzt bereits über fünf Millionen Zuschauern rein-viraled: Die ebenfalls hart am Wind segelnde Old School / New School / Funk-Soul-Combo Vulfpeck um Neo-Bass-Legende Joe Dart bat „The Legendary Nate Smith“ zur Session, und aus diesem Zusammentreffen ist keineswegs nur ein einzelner Song entstanden, nein, direkt eine kleine „Supergroup“ wurde geboren: „Fearless Flyers“. Die Band besteht aus den Vulpeckern Joe Dart (Bass) und Corey Wong (Gitarre) sowie dem Gitarristen Mark Lettieri und natürlich Nate Smith an den Drums. Mein lieber Freund und musikalischer Weggefährte Lars Lehmann, Leiter der bonedo-Bass Redaktion und selbst ausgewiesenes Bass-Monster, hat vor kurzem bereits staunend auf deren erste Veröffentlichung „Ace Of Aces“ hingewiesen.
Nun folgt also der zweite Streich, dem wir uns hier und heute widmen wollen: Der Track „Barbara“ (als Gast am Tambourine unterstützt hier Gospel-Ikone und Grammy-Gewinnerin Sandra Crouch das Quartett) startet mit einem typischen, brachialen Nate Smith Groove Solo, bevor der Rest der Truppe zum fröhlichen „Geht-es-denn-irgendwie-noch-mehr-funky“ einsteigt.
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Das Drum-Solo
Schauen wir uns das fantastische Drum-Solo-Intro als Ganzes an, stellen wir fest, dass dies quasi eine freie Sequenz ist, die auf einer improvisierten Interpretation des eigentlichen Haupt-Grooves des Tracks beruht. Ich habe das achttaktige Teil transkribiert, so dass man die funky Finesse von Nates Drumming, die von Takt zu Takt immer etwas variiert, auch im Bild genau erkennen kann. Das Intro ist gespickt mit kleinen Variationen, die jedoch stetig um dasselbe Motiv kreisen: Mal reißt Nate kurz mal hier, mal dort die Hi-Hat auf, dann verschiebt er einen Backbeat oder nimmt an anderer Stelle ein paar Kicks weg. So entsteht ein spannend-bewegliches wie gleichsam konstantes Groove-Gebilde, das mit großem Mut zum „Schmutz“ vorgetragen wird und so zu einem unverwechselbaren „Legendary-Nate-Smith“-Groove wird.
Bemerkenswert ist auch das vergleichsweise hohe Tempo von ca. 94 bpm, bei dem Smith schwitzend, aber schmerzfrei massig übereinander liegende Sechzehntel-Noten an allen Fronten (Hi-Hat, Snaredrum-Ghostnotes, Kicks) raushaut und so tierisch Energie freiwerden lässt. Damit Ihr das alles auch bewusst mitbekommt und im Detail nicht nur mitlesen, sondern auch mithören könnt, habe ich das Original mithilfe von Ableton Live einmal auf 74 bpm verlangsamt.
Der Basic Groove
Die rhythmische Basis des Tracks ist ein cleverer Grund-Groove, den ich nun für den nächsten Schritt unserer kleinen Analyse einmal auseinandergenommen und re-recorded habe: Es sind im Prinzip vier Elemente, die den Kern des Grooves bestimmen und die sich auch im Intro immer wieder zeigen: Der Snare-Backbeat auf der zweiten Sechzehntel der „1“, die beiden Snare-Backbeats auf „2“ und „2+“. die drei Sechzehntel-Kick-Noten von „3“ bis „3+“ und die beiden Snare-Backbeats auf „4“ und „4e“, gespielt mit alternierenden (abwechselnd spielenden) Händen. Mit diesen beiden Schlägen als Auftakt beginnt der Beat / Track auch. Wie schon erwähnt, bei dem recht hohen Tempo können vor allem die drei aufeinander folgenden Kicks eine Hürde darstellen, aber auch das schnelle Abwechseln von Backbeats und Snare-Ghostings ist nicht ganz einfach zu handhaben; die größtenteils durchgespielten Sechzehntel auf der Hi-Hat tun ihr übriges in Sachen technischer Herausforderung.
Alles in allem kein leichter Beat, ganz zu schweigen vom gewünschten „Feel“, welches am Ende natürlich das Salz in der Suppe ist. Ballert man sich aber erstmal ein bisschen in diesen recht „aggressiven“ Style ein, eröffnet sich ein interessantes Körper- und Spielgefühl, welches einem die Welt von Nate Smith, auch physisch, auf interessante Art und Weise näher bringt. Um das Feel noch etwas authentischer zu imitieren, habe ich zum Schluss noch ein schlotziges Tambourine darüber aufgenommen – Sandra Crouchs Beitrag soll hier ja nicht unter den Tisch fallen… Auch das Re-Recording habe ich für Euch, zum besseren Verständnis, dann noch einmal mit Ableton Live verlangsamt ausgespielt. Ich jedenfalls habe für mich beschlossen, diese Art von Groove und Feel in Zukunft mal intensiver zu erforschen! Das knallt und macht richtig Laune!
Gehen wir nun zum Schluss noch einmal einen Schritt zurück: Entschärft man den Beat um seine technisch schwierigen Herausforderungen, bleibt ein rhythmisches Gerüst, das zwar weitaus weniger spektakulär daherkommt als das Original, aber einen klaren Blick auf die Essenz des Grooves ermöglicht. Dies kann ein guter Ausgangspunkt zum Lernen des „Barbara“-Beats sein. Als erste Steigerung in Richtung Original könnt Ihr ja dann beim Üben ab und zu schon mal die „Drei-Sechzehntel-Kick“-Variante in diese vereinfachte Struktur einbauen, bevor Ihr Euch Schritt für Schritt an die weiteren Hürden dieses meisterlichen Funky-Grooves macht.
Wie gesagt, ich werde Nates weitere Groove-Eskapaden, mit und ohne die Jungs rund um Vulfpeck (die ihren Bandnamen übrigens deswegen so gewählt haben, weil “es klingt, wie wenn ein Deutscher das englische ‘Wolfpack’ aussprechen würde`, Zitat Jack Stratton – kein Witz!), weiter begeistert beobachten und mich fleißig mühen, mehr von seinem irren Style in mein eigenes Drumming reinzubekommen..
Ich hoffe, mit diesem Workshop konnte ich auch Euch etwas inspirieren.
Viel Spaß beim Auschecken und „Ab-funken“ wünscht Euch
Harry Bum Tschak
Hier findet ihr alle Folgen unseres Drum Cover Workshops.
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