Praxis
Der Acouswitch hat viel zu bieten und es braucht schon einige Zeit, bis man sich im Klaren darüber ist, welche Möglichkeiten tatsächlich in ihm stecken. Plug & Play sieht vielleicht anders aus und auf den ersten Blick checkt man nicht unbedingt, dass manche Schalter und Taster mehrere Funktionen bereithalten und welcher Eingang mit welchem Kippschalter und Taster korrespondiert. Hat man dann aber alles für sich sortiert, lädt unser Proband zu interessanten Experimenten ein:
Zunächst habe ich einen piezokeramischen Untersatteltonabnehmer (Shadow Sonic Nanoflex) mit einem aktiven magnetischen Schalllochtonabnehmer (L.R. Baggs M1) kombiniert. Die Hoffnung dabei ist, dass ich mit einem Mix unterschiedlicher Systeme ein Komplettsignal erhalte, das sich in der Summe dynamischer, druckvoller und natürlicher präsentiert als das Signal der beiden Einzelkomponenten. Die hier ausgewählten Tonabnehmer sind sehr resistent gegen Rückkopplungen, gute Voraussetzungen also für einen ersten Test. Die Zuweisung der Tonabnehmer auf die beiden Kanäle des Acouswitch ergibt sich wie folgt: Der in meiner Akustikgitarre verbaute Piezo mit Preamp und EQ wird am Eingang INST B angeschlossen. Da der Kanal B des Acouswitch weder über eine EQ-Einheit noch über einen Lautstärkeegler verfügt, übernimmt diesen Job die in der Gitarre integrierte Elektronik. Der aktive magnetische Schalllochtonabnehmer findet an der Eingangsbuchse INST A seine Heimat. Bei ihm lässt sich lediglich die Lautstärke anpassen, mangels eigener Klangregelung ist er deshalb unbedingt auf die des Acouswitch angewiesen.
Es gilt nun, die Tonabnehmersysteme mit ihrem unterschiedlichen Sound und ihrer Ausgangsleistung aufeinander abzustimmen, also die Pegel anzugleichen und den Klang einzustellen. Zunächst wird der Kippschalter in die obere Position gebracht, sodass die beiden Signale separat bearbeitet werden können. Indem man mit dem Fußtaster A/B die Kanäle immer wieder umschaltet und vergleicht, lässt sich der Pegel der beiden Signale optimal angleichen und korrigieren. Beide Signale kommen direkt ohne Brummen und Rauschen über Monitore und Kontrollboxen. Leider bringen die Tonabnehmersysteme nicht nur ihre Stärken, sondern auch ihre Schwächen mit, die unser Kandidat gnadenlos realistisch und naturgetreu überträgt, kaschieren ist nicht sein Ding.
Die Ausgangslage:
In der Regel werden die hohen Frequenzen bei einem Piezo relativ unnatürlich abgebildet, wobei ein Piezo-Pickup mehr knarzt als ein anderer. Die Bässe dagegen werden in der Regel warm, rund und durchaus druckvoll repräsentiert. Im Studio, wo dies mehr ins Gewicht fällt, würde man in den kritischen oberen Frequenzbereichen vermutlich ein Studiomikrofon sprechen lassen und den Piezo dort kaltstellen. Außerdem kann ein Piezo bei wechselnden Pegeln den Ton relativ stark verändern, sodass größere Dynamikunterschiede in einem Musikstück zur echten Herausforderung werden können. Ein moderner Schalllochtonabnehmer überträgt die hohen Frequenzen in der Regel klarer und ohne Knarzen und reagiert auf Dynamikunterschiede eher gelassen. Insgesamt wird aber ein vergleichsweise dünnes, hartes und kühles Soundbild übermittelt, das mit dem Ton einer E-Gitarre, die über einen Transitorenverstärker geschickt wird, ein wenig Ähnlichkeit hat.
Aber wie klingen die beiden Tonabnehmer gleichzeitig?
Der kleine Kippschalter (MIX) wird in die untere Stellung gebracht, um die beiden Signale zu mischen. Über den DI-OUT des Acouswitch geht es zum Mitschneiden direkt ins Interface (AVID MBox).
Es entsteht ein direktes, transparentes, klares Signal (Pegelanteil ca. 50 : 50). Die Tonabnehmer ergänzen sich offensichtlich gut. Wenn man genau hinhört, „blecken“ auch bei diesem Beispiel noch die knarzenden Geräuschanteile vom Piezo durch. Ich bin deshalb konsequent noch einen Schritt weitergegangen und habe die Frequenzbänder der beiden Tonabnehmersysteme gesplittet. Dem Piezo habe ich kurzerhand die problematischen Höhen entzogen (am integrierten Vorverstärker der Gitarre), ihm aber den Druck und die Wärme im unteren Frequenzbereich belassen. Dem „Magneto“ habe ich weitgehend die tiefen Frequenzen genommen (am EQ des Acouswitch), aber „den seidig schimmernden Höhenanteil“ im oberen Frequenzspektrum stehenlassen.
Nehmen wir uns nach diesem Experiment einmal die Boost-Funktion vor. Der linke Taster kann auch als Booster/Sidekick verwendet werden, wenn der parallele Effektweg nicht genutzt wird. Mit dem BOOST-Regler kann z.B. die Sololautstärke voreingestellt werden. Ich kann mir vorstellen, dass viele Akustikgitarristen gerne von diesem Angebot Gebrauch machen. Das Rauf- und Runterpegeln auf der Bühne stört den Ablauf, da der Fahrer, sprich Spieler, beide Hände am Steuer, sprich Griffbrett, halten sollte und das Pegeln im Allgemeinen vom Musikmachen ablenkt. Hat man eine Gitarre ohne integrierten Vorverstärker in der Zarge, wird das Justieren zur echten Herausforderung. Grund genug, einmal mit dem BOOST-Regler zu spielen und eine Sequenz mit Fill einzuspielen.
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Der Schaltprozess wird über eine spezielle Schaltmechanik und verschleißfreie Relais mit Goldkontakten ausgeführt, die laut Hersteller für 2 Millionen Schaltvorgänge ausgelegt sind. Das Umschalten verursacht überhaupt keine Geräusche. Und um es vorwegzunehmen: Der Booster ist eine Bereicherung für Solisten. Keine Frage. Ich wollte aber zusätzlich prüfen, ob der Taster auch bei einem Fill schnell genug reagiert.
Hier zeigte sind dann, dass die Pegelkorrektur zeitverzögert kurz nach dem Schaltvorgang eintritt und nicht gleichzeitig. Es handelt sich zwar nur um eine geringfügige Verzögerung, doch die kann bei einem spontanen Fill alles etwas eng werden lassen. Also genau auf den Punkt zu schalten reicht nicht, weil man dann den Pegelübergang akustisch wahrnimmt, was sehr unschön wirkt. Der Umschaltvorgang zwischen den Kanälen geht zwar erfreulich geräuschlos vonstatten, aber von einem echten Sidekick für Fills kann man hier nicht ausgehen. Vorausdenken ist angesagt, dann hat man eine Chance.
Mit zwei Gitarren wird der Acouswitch spielend fertig. Ein bisschen „Nachdenken“ muss man aber schon, wenn man die beiden Gitarren den Kanälen zuordnet. Wenn eine der beiden Gitarren keinen integrierten Vorverstärker hat (wie meine alte Taylor), dann kommt eigentlich nur Kanal A infrage. Dort kann der Sound komfortabel mit der Dreibandklangreglung gesteuert werden. Die zweite Gitarre mit integriertem Vorverstärker ist glücklich, wenn sie mit dem reinen Thru B-Channel verkabelt wird, und schließlich stehen am Amp auch noch Regel- und Pegelmöglichkeiten zur Verfügung. Es gibt bestimmt auch Fälle, bei denen man sich für beide Kanäle eine Klangregelung und ein Volume-Regler wünschen würde. Das Notchfilter arbeitet zuverlässig und stellt eine große Bereicherung dar, die Verkabelung der Effekte sowie der Anschluss eines Tuners zeigen sich allesamt absolut unproblematisch und gut durchdacht.
Allerdings konnte ich meine zweite Aktivbox nicht aufbauen, zwei Boxen kann man nicht anschließen. Der Acouswitch hat nur einen Line-Out. Mit einem zweiten könnte man eine zusätzliche Aktivbox in Betrieb nehmen und auch mit dem IQ DI von den Annehmlichkeiten eines Stereo-Effektes profitieren. Ich hätte zum Beispiel gerne alles mit einem schönen Stereo-Hall verschönert.
sumi sagt:
#1 - 07.10.2013 um 02:30 Uhr
sehr guter und ausführlicher Bericht. Vielen Dank !
Nur folgendes verstehe ich nicht:
" Sollen zwei Tonabnehmer des gleichen Instruments oder zwei Akustikgitarren gleichzeitig übertragen werden, muss der Schalter MIX in der unteren Position bleiben.
Ein Druck auf den A/B-Fußtaster bewirkt in diesem Fall lediglich eine Umkehrung der Einstellungen, z.B. EQ und Pegel."