Praxis
Dann will ich mal gleich mit der Tür ins Haus fallen – und mich um die Besonderheit des Mikrofons kümmern. Nach dem Lewitt DTP 640 können sich alle, die in der Tontechnik-Didaktik tätig sind, die Finger lecken, präsentiert es doch die Eigenschaften von Tauchspulen- auf der einen und Kondensatorwandler auf der anderen Seite wie fast kein anderes Mikrofon:
Hier hört man deutlich, wie das Kondensatorelement die feinere Darstellung der Höhen bewerkstelligt – einem Frequenzbereich, der entgegen der landläufigen Meinung für das Bassdrum-Signal im Mix sehr wichtig sein kann – und auch den Tiefbass straffer, konkreter und voluminöser gestaltet. Dafür ist der Punch der Tauchspulenkapsel unerreicht, je nach Position bekommt man hier einen sehr deutlichen “Smack”. Aber hier haben wir direkt zwei Punkte, auf die ich eingehen will. Der eine spricht eher für, der andere gegen das Lewitt. Ich beginne mit letzterem: Man ist mit dem 640 REX zur identischen Positionierung der beiden Kapseln gezwungen. Der eigentliche Spaß im Studio, bei Mikrofonierung der Bassdrum (oder natürlich des Bassverstärkers und meinentwegen auch der Tuba) die eben nicht zu haben, sondern gezielt für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche wie Schlägel-Attack und Bassfundament ideale Positionen zu suchen. Aber auch abseits davon ist Variabilität Trumpf, denn schon durch leichte Veränderungen lässt sich der Kammfiltereffekt durch die unterschiedliche Phasenlage zweier Mikrofone zueinander hervorragend nutzen und präzise einstellen. Aber nun gut: Das DTP 640 REX ist nun mal ein Mikrofon, nicht mehrere – eine Tatsache, die ich ihm sicher nicht ankreiden werde. Und verkehrt ist es andersherum auch nicht, zwei verschiedene Kapseln statt nur einer zur Verfügung zu haben. Allerdings gibt es auch einen handfesten Vorteil gegenüber üblichen Kondensatormikros: Nur die wenigsten sind derart pegelfest wie die Kapsel des Lewitt, Pad hin oder her. Zwar wird der Sound bei wirklich enorm hohen Pegeln etwas “angesrengt” und beginnt zu komprimieren, aber immer noch besser als gnadenloses Zerren.
Die schöne, neue Doppeltwelt hat allerdings auch ihre Nachteile: Außer man ist sich sicher, nur eine der beiden Kapseln benutzen zu wollen, sind mit Sicherheit zwei Eingangskanäle mit Preamps belegt. Bedenkt man, dass diese nicht nur bei analogen Kleinmischpulten gerne einmal Mangelware sind und auch Stageboxen nicht unendliche Wege bieten, ist es doch schade, dass sich nicht zumindest eine rudimentäre Mischfunktion am Mikrofon befindet. Sicher: Das ist die reine Anwendersicht, die Ingenieure bei Lewitt würden sehr berechtigt von den ins Haus stehenden Verwirklichungsproblemen zu erzählen wissen. Das Microtech Gefell UM 930 Twin ist zwar ein Paradebeispiel für durchdachte, anwenderfreundliche Schaltungslogik (in einem gänzlich anderen Bereich), doch so etwas will letzten Endes auch bezahlt werden.
Das Adapterkabel sollte in jedem Fall immer in Mikrofonnähe bleiben. Gerade im Livebetrieb ist alleine schon der Anschlussnorm-Sonderstatus möglicherweise ein Grund, das 640 nicht zu verwenden. Es kann nicht einfach in die Kiste mit “Mikros” gelegt werden und ein Kabel aus der Kiste “Mikrokabel” gezogen werden. Und wenn Live etwas rar ist, dann ist es Zeit (und “Laune” ja auch).
Bei Lewitt scheint man Angst davor zu haben, dass irgendjemand etwas an einem Mikrofon einstellt. Anders kann ich mir fast nicht erklären, dass LCT 940 und 240 mit Lock-Funktionen ausgestattet sind, die die Bedienelemente sperren und dass man beim DTP 640 REX die Schaltfunktionen nur mit einem Werkzeug bedienen kann. Ein Kugelschreiber ist halbwegs brauchbar, doch mit einem kleinen Schlitzschraubendreher aus dem Leatherman oder dem kleinen beigelegten Werkzeg darf man dann schalten. Live ist das nicht sonderlich praktisch. Echt nicht.
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Die Einstellungen selbst sind hingegen durchaus sinnvoll gewählt – und sorgen für wirklich deutliche Änderungen. Allerdings kann man auch weniger “Hä?” provozierende Piktogramme für die Gehäusebeschriftung wählen. Angenehm ist vor allem die Bassboost-Stellung “+//=” bei der Verwendung kleinerer und schlechter ausgestatteter Pulte. Diese verfügen selbst in den Main-Channels oft nur über ein Low-Shelf mit fester Frequenz, mit welchem man den ganzen, oft unnötigen Tiefbass-Schlick mit anhebt. Und wer braucht schon schwingende Drumset-Riser mit auf der PA? Ich möchte sogar behaupten, dass man mit den Pre-Shapings, ein wenig Zeit zur Positionierung und Kenntnis zur Not auch ohne EQ ein sehr brauchbares Ergebnis erzielt – solange einem keine aufdringliche Kesselresonanz einen Strich durch die Rechnung macht. Möglicherweise reicht dann und wann das Tauchspulenelement vollkommen aus, spätestens zur Nutzung des “Dual EFR”, was enorme Veränderungen der beiden Frequenzgänge zur Folge hat, müssen beide Systeme angeschlossen sein. Dual EFR klang weiter aussen an der Bassdrum deutlich besser:
Der erste EFR-Schritt, der Boost des Tauchspulenelements, sorgt für ein dickeres Fundament und wird von manchen Usern vielleicht sogar als Standard eingeschaltet bleiben. Einen Schritt weiter klingt das Dynamik-Signal selbstverständlich bassarm und knackig, der Tiefbassanteil wird vom Kondensatorsystem geliefert, welches nun, solo gehört, mulmig und attacklos klingt. Allerdings ist genau dies ja gewünscht. Schon ohne Equalizer lässt sich nun nur durch Faderschieben eine ordentliche Balance zwischen Punch und Boom finden. Im Studio würde ich mir die Flexibilität zweier Mikrofonpositionen nicht nehmen lassen wollen, doch für den Livebetrieb kann man sich diese Lösung als durchaus praktisch vorstellen. Die Lösung aller Probleme ist das jedoch auch nicht, denn ohne EQ wird man auch mit den beiden Kapseln und den Schaltmöglichkeiten dem “Holz” im Sound nicht zu Leibe rücken können. Hier gibt es genug Streitfutter für Engineers, die den Einsatz des 640 für sinnvoll und segensreich oder für ausgemachten Quatsch halten. Das kann Lewitt nur recht sein, denn mit einem langweiligen, charakterlosen Mikrofon ohne Besonderheiten wird man nicht ins Gespräch kommen.