PRAXIS
Als Zubehör liegen dem Verstärker lediglich ein Euro-Netzkabel und ein Handbuch bei. Das wird selbstverständlich sofort beiseitegelegt, denn „learning by doing“ ist der beste Weg, sein neues Equipment zu erforschen – schließlich handelt es sich dabei ja nur um einen Gitarrenamp und keinen Airbus. Einschalten, Master aufdrehen und schon haben wir Sound. Der traditionelle Gitarrist mag vielleicht etwas verwundert sein, denn die komplette Klangregelung samt Gain und Channel Volume ist noch abgedreht und trotzdem kommt schon etwas aus dem Amp. Wer sich ein wenig mit Modeling-Amps auskennt, der weiß, dass alle Einstellungen abgespeichert sind und die Regler an der Frontplatte keine Aussage über den eigentlichen Status quo zulassen. Bewegt man aber einen Regler, dann wird auch der entsprechende Wert verändert. Drehe ich zum Beispiel am MID-Regler, dann erscheint im Display die Anzeige der Amp-Einstellungen (Gain, Bass, Mid, Treble, Chan Vol) und man bekommt eine Übersicht, wo die Regler tatsächlich stehen. Leider bleibt diese Anzeige nur eine Sekunde im Display, wenn nicht an einem Regler gedreht wird. Leider etwas zu kurz für mich, um mir eine Übersicht zu verschaffen.
Beginnen wir jetzt erst einmal bei der Basis, nämlich den unterschiedlichen Ampsounds. Hierfür gibt es zwölf Simulationen mit den folgenden Bezeichnungen: Clean, Twang, Blues, Crunch, Metal und Insane. Ja, ihr habt richtig gezählt! Das sind zwar nur sechs, aber jede dieser Amp-Bezeichnungen hat zwei Modi, grün und rot, und damit kommen wir nach Adam Riese auf zwölf. Als Erstes hört ihr den Clean Mode in Rot, Jazz-Style mit etwas Delay (Audio: Clean Red).
Weiter geht es mit dem roten Twang Modus, ein Amp-Modell, das vom Sound der alten Blackface Twins inspiriert ist. Hervorragend geeignet für klare, knackige Funk-Lines (Audio:Twang Red).
Der grüne Modus des Twang Sounds ist da schon etwas aggressiver ausgefallen. Kein Wunder, denn hier standen die Bassman Amps Pate, die bekanntermaßen schon etwas eher zerren als der Twin (Audio: Twang Green).
Beide Fender-Simulationen klingen ok, lassen die Spielfreude aber nicht so recht aufkommen, denn dem Ganzen fehlt es etwas an Druck und Direktheit im Ton. Sowohl über den Line Out zur Aufnahme als auch über den eingebauten Lautsprecher. Da habe ich schon andere Amp-Simulationen gehört, auch aus dem Hause Line 6, die wesentlich authentischer rüberkamen. Hören wir uns doch mal den roten Blues Modus mit der Strat an, laut Hersteller eine Kreuzung aus Marshall JTM-45, Fender Bassman und Supro Amp. Nichts Reinrassiges, ein Bastard also – fühlt sich aber beim Spielen gut an und hat eine angenehme Verzerrung im oberen Mittenbereich (Audio: Blues Red).
Für dich ausgesucht
Im Crunch-Modus haben wir es mit einem britischen Vorbild, Jahrgang 1968, zu tun, dem Marshall Plexi 50 Watt. Einmal normal (rot) und dann mit gebrückten Eingangskanälen (grün), was etwas mehr Verzerrung bringt. Ihr hört den grünen Mode (Audio: Crunch Green). Vom Crunch geht es gleich zum Metal. Hier wird eine ordentliche Portion Gain draufgepackt, der rote Modus simuliert den Klang eines Mesa Boogie Dual Rectifier (Audio: Metal Red). Der Sound ist sehr höhenbetont und kernig. Mit dem grünen Modus kann man gezielter auf die Mittenfrequenz eingehen, bei entsprechenden Einstellungen sind sehr verschiedene Klänge von Fuzz-Säge bis zum fetten High Gain Sound möglich. Hier ein Beispiel mit Mittenregler auf 12 Uhr und zurückgenommenen Höhen – das Gegenteil zum vorher gehörten roten Metal Mode (Audio: Metal Green).
Wem das alles noch zu zaghaft ist, dem sei der nächste Mode empfohlen: Insane. Hier gibt es das volle Gainbrett. Der Ton kommt dabei wesentlich knackiger und direkter rüber als zum Beispiel bei den vorher erwähnten Fendersimulationen. Das macht schon richtig Laune und vor allem brät der Hi-Gain-Sound nicht alles zu, sondern jeder Ton, ob Single-Note oder Akkord, wird sauber übertragen (Audio: Insane Red).
Die integrierten Effekte sind alle von guter Qualität und lassen sich auch völlig unkompliziert und schnell einstellen. Die Vorauswahl der Effektparameter der Modulations-Sounds ist gut getroffen – hier ein Clean Amp mit Chorus (Audio: Chorus) . Die Einstellung des Delay-Effekts funktioniert auch völlig problemlos: Tempo eintippen und über den Regler den Typ und die Effekt-Lautstärke einstellen. Mit einem Analog-Delay und einer sehr kurzen Verzögerungszeit lassen sich in Verbindung mit einem Twang Amp die typischen 50´s Rockabilly Sounds erzeugen (Audio: Delay).
Damit der Gitarrist nicht so viel Zeit mit dem Einstellen der Sounds verbringen muss, gibt es schon Voreinstellungen in Hülle und Fülle: 200 Sounds, die von namhaften Künstlern programmiert wurden und 150 songbasierte Sounds; allesamt über das Display abrufbar. Wer seine eigenen abspeichern möchte, der hat dafür 36 Speicherplätze zur Verfügung. Das ist im Vergleich zu den Preset-Sounds recht wenig, aber mit den vorgefertigten Sounds kommt man sehr gut aus. Immerhin ist der Spider Jam ja auch ein Übungsamp und kein Bühnenverstärker, bei dem man seine Special Sounds benötigt. Apropos Bühne – die Lautstärke des Spiders reicht trotzdem völlig für den Proberaum und kleine Clubs aus.
Jetzt wird die dynamische Bandbreite und Klangwiedergabe bei höheren Gain Sounds getestet. Als Amp-Modell bietet sich dafür die Simulation eines Marshall Plexi (Crunch) an, der im Original sehr sensibel auf alle Aktionen des Gitarristen reagiert. Gain voll aufgedreht und ich zupfe zuerst leicht mit den Fingern und schlage dann hart mit dem Pick an. Hier ist das Ergebnis (Audio: Dyna Pick).
Hmmm … das klingt aber nicht gut! Die leisen Passagen am Anfang werden vom sehr hoch eingestellten Noise Gate abgeschnitten. Der Sound, wenn er dann klingt, ist gut, aber leider kann man mit der Dynamik des Verstärkers hier nicht arbeiten. Ein ähnliches Resultat erhalten wir, wenn wir den Volume-Regler an der Gitarre einsetzen. Der Regler wird zu Beginn an der Strat bis auf 4 zurück- und dann voll aufgedreht. Bei zurückgenommenem Volume wird die Verzerrung auch tatsächlich sehr gut reduziert, allerdings macht das Noise Gate alles kaputt. Auch bei Hi-Gain-Sounds mit dem Insane Model macht sich das Noise Gate negativ bemerkbar, denn bei kurzen Tönen oder Akkorden klingt es noch zu lange nach und wir hören die abgeschnittenen Nebengeräusche (Audio: Noise Gate).
Die Alternative wäre, das Gate komplett auszuschalten. Dann klingen zwar die Dynamik-Sounds wirklich gut, aber der Nebengeräuschpegel wird extrem hoch, was sich vor allem bei Hi-Gain-Sounds mit den Metal- oder Insane-Amp-Models negativ bemerkbar macht. Hier hätten die Techniker gerne etwas sorgfältiger arbeiten dürfen.
Nun kommen wir zur Vorstellung der integrierten Band. Wie bereits erwähnt, wurde dabei nicht mit MIDI-Playbacks gearbeitet, sondern hier waren echte Kerle am Werk – und zwar keine Anfänger! An den Drums sind unter anderem Carmine Appice, Simon Philipps oder Gregg Bissonette, am Bass hören wir Tony Franklin und Dave Pomeroy. Wem die Namen nichts sagen, dann eher die Künstler, für die besagte Artisten schon gearbeitet haben: Toto, Jeff Beck, Ozzy Osbourne, Jimmy Page, Brian Setzer, Carlos Santana und viele andere. Die Aufnahmen fanden in hochkarätigen Studios statt und das Ganze kann sich hören lassen. Hier ein kleiner Auszug aus den 150 verschiedenen Jam-Songs (Audio: Playback).
Da für jeden Song auch der passende Gitarrensound mitgeliefert wird, kann das Solospielen direkt losgehen (Audio: Lead). Tempo zu schnell oder falsche Tonart? Kein Problem, das Ganze ist schnell geändert. Zwar leidet vor allem bei größeren Tempo- oder Tonartveränderungen naturgemäß die Soundqualität, aber das ist immer noch besser, als zu einem Plastik-Midi-Pattern spielen zu müssen.
Und eine Besonderheit gibt es außerdem: Der Spider Jam verfügt über einen kleinen Loop Recorder, mit dem man viertaktige Phrasen, Riffs oder Licks zum Drumbeat oder zum kompletten Bandplayback aufnehmen kann. Sogar Overdubs sind möglich, sodass man entweder seine eigenen Backing-Pattern erstellen oder ganz einfach und schnell Songideen aufnehmen und natürlich abspeichern kann.