PRAXIS
Soweit so gut! Die Ausstattung macht schon mal ordentlich was her. Zeit, einen detaillierten Blick auf den Sound und die Bedienung zu werfen. Wenn so viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen, dann hat das meist zwei Gesichter. Zunächst einmal ist es natürlich begrüßenswert, alles unter einem Dach zu haben: Amps Effekte, das Ganze auch noch speicherbar und schnell abrufbar. Die Frage ist nur, ob das Handling auch einigermaßen einfach und intuitiv vonstatten geht. Also rein ins Abenteuer. Der Amp wird eingeschaltet und wir schauen (und hören), was so passiert.
Zuerst wollen wir uns ein paar Presets anhören. Der Speicher ist so organisiert, dass die Sounds in Bänken mit je vier Speicherplätzen (Channels) abgelegt sind. Diese werden dann mit den Buchstaben A, B, C, D benannt und können auch direkt am Bedienfeld per Taster aufgerufen werden, quasi als eine Art Kanalumschaltung. So ist das auch bei der Bank 1 umgesetzt. Hier hat man auf Channel A einen Clean Sound, auf B einen leicht angezerrter Crunch-Ton, bei C wird’s dann noch etwas härter, und bei D gibt es das Metal-Brett. Und so klingen die vier Basis-Sounds.
Tja, so richtig umwerfend ist das nicht, die Klangqualität würde ich mal als gutes Mittelmaß bezeichnen. Es ist so ein wenig wie abends beim Fernsehen. Man spürt den Drang, auf den nächsten Kanal umzuschalten, in der Hoffnung, dass da was Besseres läuft. Ich habe den Amp an meine 4×12 Marshall Box angeschlossen und in diesem Set-Up kommen die Presets sehr basslastig rüber, allerdings eher matschig in den unteren Frequenzbereichen.
Jetzt wird es Zeit, mal selbst Hand anzulegen, um so herauszufinden, was alles aus der Kiste rauszuholen ist. Die Effekte werden erst einmal ausgeschaltet, und ich habe zum Einstieg einen Clean-Amp (Orange) angewählt. Das grundsätzliche Problem beim Editieren der meisten speicherfähiger Amps ist natürlich, dass die Reglerpositionen nicht den tatsächlichen Einstellungen entsprechen müssen. Das haben die Entwickler hier aber gut gelöst, denn sobald man an einem der Regler des Preamps dreht, erscheinen die „richtigen“ Einstellungen im Display, und man sieht sofort, wo etwas nachgeregelt werden sollte. Mit der entsprechenden Einstellung der Klangregelung klingt es dann auch schon wesentlich frischer als bei den angelieferten Presets.
Jetzt wird der Klang noch mit etwas Modulations-Effekt verfeinert. Auch das geht einfach und schnell, der FX2 Regler wird auf kurz nach 12 eingestellt, der Phaser ist aktiv, und wir kommen in Gilmourische Soundgefilde.
Dem Klang fehlt es aber noch an Weite und Raum, also gibt es noch einen Schuss Reverb dazu.
Die Bedienung ist wirklich sehr einfach mit den Reglern zu erledigen. Wenn dann doch noch etwas Finetuning nötig sein sollte, kann man die Effekte über das Display noch genauer einstellen. Auch das ist kein großes Drama und geht schnell von der Hand. Dadurch ist man natürlich wesentlich flexibler als beim Vorgängermodell. Auch die Möglichkeit, die Effekte vor oder hinter den Preamp zu schalten, finde ich sehr gut und praktisch.
Die 16 angebotenen Amp-Typen reichen aus, um alle erdenklichen Stilistiken abzudecken. Für jeden ist etwas dabei. Zum Beispiel ein Classic Rock Sound mit dem Crunch-Amp (Orange).
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Die härtere Fraktion wird mit den Hi Gain Modellen Metal und Insane bedient. Mit der Klangregelung lassen sich auch intensivere Frequenzverbiegungen problemlos erledigen, um so einen facettenreichen Zerrsound auf die Bühne zu bringen.
Weiter geht es mit einem Touch Wah Sound. Hier sollte der Effekt auf jeden Fall fein eingestellt werden, denn die zwei wichtigsten Parameter Sensitivity (die Anschlagsempfindlichkeit) und Q-Faktor sind über das Display einzustellen. Das ist aber auch keine Raketenwissenschaft: Einfach mit dem FX1-Regler Auto Wah anwählen, dann den Preset-Regler drücken – jetzt werden die Werte für den Effekt im Display angezeigt und können mit dem Navigationsrad durchgescrollt werden. Und so klingt das Ganze dann nach etwas Bearbeitung mit einem leicht angezerrten Amp-Sound (Twang-blau).
Der Spider hat sogar einen Harmonist integriert, der dem Originalsignal einen Zusatzton hinzufügt. So können Heavy Riffs mit einem Octaver noch tiefer gelegt werden, oder man kann zweistimmige Leads im Alleingang spielen. Der Effekt funktioniert auch recht gut, selbst bei Bendings und Vibratos hält er mit und überträgt das Ganze ohne Artefakte oder Störgeräusche. Allerdings bringt er eine leichte Verzerrung ins Spiel. Eigentlich war der Sound beim nächsten Hörbeispiel clean eingestellt. Mit aktivem Harmonist zerrt es dann ein wenig, obwohl der Effekt hinter den Preamp geschaltet wurde. Wenn man natürlich verzerrt mit dem Effekt spielt, fällt das nicht so stark auf.
Zum Abschluss wollen wir uns noch dem Speaker-Simulator widmen. Dieser kann parallel zur angeschlossenen Box benutzt werden. Wenn man auf der Bühne mit Lautsprecher spielt, aber keine Lust auf eine Mikrofonierung der Box hat, dann ist das so problemlos zu erledigen. Einfach den Line Out ans Mischpult anschließen, und man erhält einen frequenzkorrigierten Sound direkt aus dem Amp. Meist wird der Techniker am Mischpult noch etwas nachregeln müssen, um das Optimum heraus zu holen, denn der Klang ist selbstverständlich nicht zu hundert Prozent identisch mit dem Boxensound. Das ist aber kein Mangel der Speaker-Simulation des Amps, hier spielen einfach noch mehr Faktoren wie Lautsprecher und Mikrofon mit, die zur Klanggestaltung beitragen. Der Sound des Amps klingt über den Line-Out etwas schlanker, was im Bandgefüge ja sogar hilfreich sein kann. Hier ist ein Beispiel, bei dem ich mit der selben Amp-Einstellung zuerst über Lautsprecher und Mikrofon und dann mit dem Speaker Simulator aufgenommen habe.
Dieter sagt:
#1 - 07.11.2011 um 05:02 Uhr
Habe mir vor einem Jahr auch aufgrund des Testberichts vom selben Autor den Hughes & Kettner Switchblade 50 Combo TSC gekauft und bisher sehr zufrieden damit. Spiele diverse Rockklassikger in der Band Blue Light Rock und die Vielfältigkeit des Amps ist da äußerst hilfreich.Der Switchblade war zwar teurer als das hier nun neu getestete Line 6 Spider Valve MKII HD100 Head, aber wenn ich so die Audiobeispiele vergleiche, scheint der Preisunterschied auch gerechtfertigt zu sein. Von daher bereue ich meine damalige Verstärkerentscheidung nicht und bin würde sie auch heute so wieder treffen.
h-joe sagt:
#2 - 16.01.2012 um 05:21 Uhr
Öhm,... habe selbst den mkII, davor nen Mesa Boogie MK4 und danach nen Peavy 5150 gehabt.Die Soundbeispiele sind sehr schlecht. Wie bei jedem Röhren-Amp muss das Master sehr weit aufgedreht werden, auch die Channel-Volumes mindestens über Neun Uhr.Kann versichern, dass der Amp um ein Vielfaches besser klingt.
Thomas sagt:
#3 - 19.03.2012 um 13:47 Uhr
Der Tester sollte mehr Info über seine Testsettings geben. Das schlichte Kanal A, B, C, D ist etwas dürftig. Die Factory Presets sind kein Maßstab, die haben mir auch nicht gefallen. Das ist ja gerade der Witz an dem Amp, dass man ihn justieren kann. Zum Thema "fehlende Dynamik" empfehle ich das Video von Musik-Schmidt, das sagt was anderes. Ich selbst habe eher Dynamik-Probs bei Marshall gehabt. Klar , das bei einigen Presets mit überdrehtem Compressor Probleme auftreten. Die gibts aber auch auf jeder anderen Röhre, wenn man tonnenweise Effekte reindreht. Mein Tipp: im manuellen Modus antesten, Effekte weg und mal aufdrehen. Geht prima mit Les Paul und Co.
Christian Schack sagt:
#4 - 30.08.2020 um 08:52 Uhr
Die Klangbeispiele sind absolut desolat.Ich benutzte diesen Verstärker seit Jahren, und selbst im Bandkontext funktioniert er problemlos.Man kriegt aus dem Amp hervorragende Clean und Zerrsounds raus, und die Röhrenverstärkung lässt ihn sehr warm und authentisch klingen.