Praxis
Ich habe den Amp zuerst im Wohnzimmer mit meiner alten Strat angespielt. Bei Zimmerlautstärke erhält man dank der Fullrangelautsprecher sehr gute Ergebnisse, egal ob clean, angezerrt oder High Gain Zerre. Via Bluetooth lassen sich Audiodateien streamen, zu denen man mit einem Gitarrensound seiner Wahl spielen kann. Nebenbei lässt sich damit der Amp auch als portable Stereoanlage missbrauchen. Trotz aller gebotenen Amp- und Effektvielfalt sehe ich das Haupteinsatzgebiet des Amplifi als Übungsamp und weniger auf der Bühne, denn obwohl er eine beachtliche Lautstärke bietet, setzt er sich bei der Bandprobe nur bedingt durch. Je lauter man dreht, um so undynamischer und komprimierter erscheint der Sound. Möchte man den Amp über die PA verstärken, muss man improvisieren, denn es gibt keinen Line Out. Mit einem Mikrofon kommt man beim Dreiwege-Lautsprechersystem ebenfalls nicht weit, denn wo soll man es platzieren? Der integrierte USB-Anschluss ist ebenfalls noch nicht belegt, sodass für diesen Zweck nur noch der Kopfhörerausgang bleibt, den ich beim Einspielen der Audios genutzt habe. Das Ganze funktioniert auch bestens, aber leider werden beim Einstecken die internen Lautsprecher deaktiviert, wodurch man auf der Bühne kein Monitoring direkt vom Amp hat. Ich bin aber zuversichtlich, das Line6 hier mit einem Softwareupdate für Abhilfe sorgen wird, schließlich ist der Testamp noch im Betastadium.
Kommen wir zu einigen Soundbeispielen. Die integrierten Verstärkermodelle des Amplifi lassen im Grunde genommen kein Auge trocken, auch wenn sich viele Sounds nur in Nuancen unterscheiden. Letztlich wird man sich seinen Lieblingssound aus der Vielzahl von Möglichkeiten herauspicken und dank der gebotenen Fülle an Effekten weiter veredeln.
Ich beginne meine Reise durch die unendlichen Klangweiten des Amplifi mit einem ultracleanen Akustikgitarrensound im Zusammenspiel mit meiner Godin A6 Ultra. Die ist mit einem Piezo- in der Steg- und einem Humbucker in der Halsposition bestückt, die sich auch mischen lassen. Das Amp-Modell nennt sich „Piezacoustic“ und passt bestens zur verwendeten Gitarre. Bei den Aufnahmen kommen alle Effekte inklusive diverser Feinjustierungen und EQ-Einstellungen vom Amplifi. Im ersten Audiobeispiel habe ich einen Spritzer Chorus zugefügt, der den Sound leicht auflockert. Dazu kommt etwas Hall und Delay. Im zweiten Soundbeispiel ist anstelle des dezenten Choruseffektes ein mittelkräftiger Flanger aktiviert und ein Schuss Bass zugefügt.
Jetzt kommt meine Danelectro Baritongitarre zum Einsatz, kombiniert mit einem 1973er Hiwatt 100 Imitat. Um den Amp in die Sättigung zu fahren, habe ich den Gainregler auf 90 Prozent gebracht und für einen stabilen Sound den Compressor aktiviert und auf etwa 10% gestellt. Diese Werte reichen gerade noch aus, damit der Amp nicht in einen hörbaren Verzerrungsgrad kippt. Die simulierte Box ist eine 4 x 12 Greenback-Variante, die mit einem SM 57 abgemiked wird. Durch den langsamen Flangereffekt und das punktierte Delay erhält man einen martialischen Twäng, der irgendwo zwischen einem galoppierenden Pink Floyd Picking und einem klischeehaften Metall-Cleansound angesiedelt ist.
Auch mit der Baritongitarre lassen sich erstklassige und böse Zerrsounds realisieren, die besonders mächtig klingen, wenn man sie nur mäßig verzerrt. Dank der vielen unterschiedlichen Ampsimulationen im Amplifi habe ich ein Modell, gefunden, das mit den schwachen Singlecoils bestens harmoniert. Das Modell „1987 Brit Gain Slvr J“ ist eine Hommage an den Marshall Silver Jubilee und liefert einen grobkörnigen und kantigen High Gain Sound, der den Grundklang der Gitarre gut erkennen lässt, obwohl der Verzerrungsgrad auf 70 % steht. Als Box kommt eine 4 x 12 Kreation aus dem Hause Line6 zum Einsatz, deren Sound virtuell mit einem abgewinkelten SM57 zum Ausgang geleitet wird.
Bleiben wir im Medium-Zerrbereich. Das nächste Audiobeispiel wird mit einer Les Paul eingespielt, die mit P90 Pickups ausgestattet ist. Für die Verstärkung sorgt eine Fender Twin Simulation, die auf den Namen „1965 Double Verb“ hört. Hier habe ich den Driveregler ziemlich weit aufgedreht, weil dieser Amp ursprünglich auf einen absolut cleanen Sound getrimmt war. Als Speaker kommt eine 2 x 12 Wishbox zum Einsatz, mikrofoniert mit der Simulation eines Neumann U87.
Wer einen Tacken mehr Gain braucht, muss auf ein anderes Ampmodell umschalten – die Marshallsimulationen gefallen mir in diesem Zusammenhang auch am besten. Das Modell 1965 Plexi 45 ist dem Marshall JTM-45 nachempfunden, der für seinen dynamischen und druckvollen Sound bekannt ist. Dementsprechend knochig reagiert auch seine Reinkarnation innerhalb des Amplifi-Universums, jedoch hat man auch hier – wie übrigens bei allen Ampsimulationen – das Gefühl, dass der Sound eher poliert daherkommt. Die Box ist ein 4 x 12 Modell mit 20 Watt Greenbacks und wird mit einem Shure SM 57 abgenommen.
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Im Sammelsurium des Amplifi darf einer der bekanntesten Gitarrenverstärker des Universums nicht fehlen. Die Rede ist vom Vox AC 30, der hier die Bezeichnung „1967 Class A-30 Top Boost“ hat. Auch hier hört man die P90 Les Paul in der Zwischenposition beider Tonabnehmer. Der Sound ist weich angezerrt und hat ein lebendiges Obertonverhalten, das hier weitaus besser vertreten ist als bei älteren Line6-Geräten. So muss man den Presenceregler nicht immer bis zum Anschlag aufreißen, um den Sound griffig zu gestalten. Ein wirklicher AC 30 klingt zwar wilder und kantiger, aber mir gefällt der Sound, auch wenn er dem Original nicht wirklich entspricht. Der Gainregler steht beim folgenden Beispiel auf 50 %, als Box kommt eine 2 x 12 Class A Box zum Einsatz und das Mikrofon ist eine SM57-Simulation.
Der nächste simulierte Klassiker kommt aus dem Hause Marshall. Der JCM 800 ist für mich einer der besten Amps, die Marshall je gebaut hat. Dank des Mastervolumens war es endlich möglich, den Amp auch bei gemäßigteren Lautstärken zu verzerren. Das Line6 Imitat klingt allerdings sahniger und weniger scharf als die meisten realen JCM800 Amps, die ich bisher gespielt habe. Viele Marshalls haben knallige Höhen, die sich auch auf sehr lauten Bühnen problemlos durchsetzen. Hier kommt der Sound eher fett und breit aus den Boxen. Bei Letzterer handelt es sich um eine 4 x 12 Variante, die mit 75 Watt Celestionspeakern ausgestattet ist. Das simulierte SM57 befindet sich in abgewinkelter Position.
Zum Schluss noch ein High Gain Beispiel mit der Humbucker Les Paul und dem „2002 Missisippi Criminal“ Amp. Der Amp basiert auf dem Leadkanal des Peavey 5150 MKII, der seinerzeit Eddie Van Halen auf den Leib gelötet wurde. Das Ampmodell besitzt unglaubliche Gainreserven, die ich hier bei weitem nicht ausgereizt habe. So steht der Driveregler gerade einmal auf 68%, Bass und Treble auf 90% und die Mitten auf 50%. Auch hier kommt eine 4 x 12 Box mit 25 Watt Greenbacks und ein SM57 zum Einsatz. Die Zerrstruktur ist feiner als die vom JCM 800 Modell oder dem AC 30 Imitat. So eignet sich der Sound gut für fetten LA Rock und flotte Legatoflitzereien.
Frabi sagt:
#1 - 12.02.2014 um 17:31 Uhr
Line 6 ist für mich designmäßig schon immer grenzwertig (Nierenschalen etc.) gewesen, aber das hier hat mich spontan an einen dieser alten Gasheizkörper erinnert...
Wozu soll das gut sein?
vanFrost sagt:
#2 - 20.02.2014 um 23:47 Uhr
CONTRA ist definitiv noch der Applezwang und prophylaktisch: Ich bin weder Freund noch Feind des Apfels...
Fast sagt:
#3 - 24.02.2014 um 18:56 Uhr
Das man bei der Steuerung nur auf Apple setzt, ist absoluter Fail!
Claudio sagt:
#4 - 25.03.2014 um 14:42 Uhr
Wie beim H&K Grandmeister 36 wird jetzt auch bei Line 6 die Apfel Steuerung verwirklicht.In beiden Fällen ein Grund die Teile nicht mal anzutesten.Was ist mit den Android User die mit Sicherheit die Mehrzahl darstellen?
Slomo sagt:
#5 - 25.03.2014 um 17:29 Uhr
Dass viele im kreativen Bereich Apple-fanboys sind, mag sein, wenngleich es im Gegensatz zu früher keinen zwingenden Anlass dazu gibt. Das sei auch allen herzlich gegönnt, die viel Wert auf Markenschnickschnack legen. Dieser erneute Markenzwang ist aber der absolute Gipfel. Es gibt viele Gründe dieser Art, Apple extrem unsympathisch zu finden. Dass Line 6 sich nun dazu entschließt dabei mitzumachen, ist eine absolute Enttäuschung.
Ankhalymon sagt:
#6 - 25.03.2014 um 21:41 Uhr
Ich mag kein Fallobst!
Glücklicherweise habe ich noch meinen Spider Valve MKII HD100
Lucius sagt:
#7 - 29.03.2014 um 14:30 Uhr
Nach praktischen Erfahrungen mit Line6 (damals der erste POD) bin ich kein Großer Fan von Line6, trotz großer Namen im Endorsement. Das wird auch der iAMP, entschuldigung, AMPLIFi 150 ganz sicher nicht ändern.
Ob Apple-Fan oder nicht, aber die Festlegung auf eine konkrete Plattform, genau eines einzigen Herstellers halte ich für absolut falsch - wenngleich man genau diese Politik vom Unternehmen Apple gewohnt sein dürfte.
CPH sagt:
#8 - 22.04.2014 um 13:05 Uhr
Was ist das denn???
Wie kommt denn der Tester auf 4 Sterne, trotz der krassen Schwächen in der Praxis? Testberichte sind ja meist etwas positiver formuliert, um die Firmen weiterhin zu bewegen, Testequipment zu versenden. Aber diesmal liest sich selbst ihne zwischen den Zeilen zu lesen heraus, dass das Teil unbrauchbar ist - bzw. maximal zum Üben geeignet (btw.: was wil ich beim Üben mit 150W?!?).
Ohne den jetzt selbst zu kennen - rein vom Bericht, hat der maximal zwei Sterne verdient... Oder sind 4 Sternchen bei Bonedo schon die schlechteste je vergebene Note?