Locomotive Audio Copperline Test

Zum Locomotive Audio CopperlineTest muss ich wahrscheinlich zunächst klärend darstellen: Nein, dies ist kein Stereo-Mikrofonvorverstärker. Also zumindest nicht so richtig. Es gehen zwar zwei Mikrofonsignale hinein, die Impedanz ändert sich, es gibt Hochpassfilter und Phantomspeisung, aber es wird nicht verstärkt. Crazy? Nein, ganz und gar nicht. Und das Schlüsselwort ist schon gefallen: Phantomspeisung. Denn: Der Locomotive Copperline ist in erster Line eine Spannungsversorgung für phantomgespeiste Mikrofone. Warum es weder Quatsch noch übertriebener Luxus ist, nicht auf die oft simple eingebaute Spannungsversorgung von Preamps zu bauen und was für Besonderheiten das Gerät aus den USA noch drauf hat, ist in den nächsten Absätzen dieses Reviews zu lesen. 

19" / 2HE Phantomspeisung mit einstellbarer Spannung
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Quick Facts zum Locomotive Copperline

  • zweikanalige Phantomspeisung mit Ramping und variabler Spannung
  • Impedanzumschaltung, mehrstufige Hochpassfilter und Pads, Polarity und Mute

Warum (um alles in der Welt) benötigt man eine externe Phantomspeisung?

Natürlich benötigt man nicht zwangsweise eine externe Phantomspeisung, schließlich haben selbst Budget-Audiointerfaces einen 48V-Schalter, der Kondensator- und aktive dynamische Mikrofone zum Leben erweckt. Allerdings wird diese Funktion oft sehr stiefmütterlich behandelt, selbst von Boutique-Herstellern. Spannung auf 48 Volt transformieren und symmetrisch über das Kabel zum Mikrofon jagen, fertig. Dabei gibt s einige Dinge, die anders laufen könnten, um nicht zu sagen: sollten. Zunächst gilt, dass eine konstante und korrekte Spannung zum Betrieb aller Geräte sinnvoll ist. Dass im High-End-HiFi oftmals sehr aufwändig die Spannungsversorgung optimiert wird und manche Klassik-Tonmeister bewusst mit sehr konstanten Batterie-Preamps arbeiten, obwohl die nächste Steckdose ein paar Meter weiter ist, sollte nicht belustigen, sondern nachdenklich stimmen.

Auch die Tatsache, dass Röhrenmikrofone oft als hochwertiger ahrgenommen werden kann, obwohl mehr der auch bei Transistormikrofonen vorhandenen Übertrager denn die Röhre der Soundmaker sein kann, ist interessant: Schließlich haben Röhrenmikros ihre eigenen Netzteile! Und auch dass einige Hersteller in Dänemark, den Niederlanden und Japan bewusst eigene Spannungsversorgungen für ihre Transistormikrofone entwickelt haben, zeigt, dass Phantom Power seine Begrenzungen hat. Wenn man es also nutzt, dann doch bitte in bestmöglicher Qualität, oder? Tatsache ist, dass dieses Thema nur wenige Hersteller und Nutzer auf em Radar haben.

Voltage Setting
Phantomschalter, Spannungsregler und Anzeige

Was macht der Locomotive Copperline anders als ein Preamp?

Zunächst: Der Locomotive Copperline knallt beim Anschalten der Phantomspeisung nicht urplötzlich 48 Volt auf das Mikrofonkabel. Es kann dabei nämlich passieren, dass neben viel zu hohen Einschaltpeaks auch Asymmetrien entstehen, die Bauteile schaden oder bei passiven Bändchenmikrofonen kurzzeitig einen Stromfluss im Ribbon erzeugen, der dieses erwärmt. Bei aus Versehen offenen Kanälen bis zur Abhöre wird die Phantomschaltung oftmals mit einem potenziell Hochtöner gefährdendem Knacken begleitet. Deswegen: Der Locomotive Audio Copperline besitzt eine ramped Phantom. Die Spannung wird also nach und nach erhöht. Der Vorgang des Spannungsaufbaus dauert wenige Sekunden. Die Kondensatoren, die diese Spannungsverzögerung erzeugen, laufen auf die gleiche Art und Weise leer. 

Zudem ist die Phantomspannung sehr konstant, auch bei unterschiedlichen Lasten. Bei besonderen Negativbeispielen, etwa sehr preiswerten Mehrkanalpreamps, -interfaces und Mischpulten kann man nicht nur erkennen, wie bei starken Anstiegen des Signals die Preamps kurz in die Knie gehen, sondern kann auch messen, wie die Phantomspeisung kurz einbricht. Auf dem Rückweg, also beim Ausschalten, ist das nicht sonderlich anders. 

Der eigentliche Clou des Copperline

Die Höhe der Spannung ist einstellbar. Die ist über einen sehr großen Bereich möglich, von weit unter 2 Volt bis zu 52. 48V-phantomgespeiste Mikrofone können dadurch keinen Schaden nehmen, denn auch 52 Volt liegen noch im typischen Toleranzbereich. Ich habe einmal bei einem meiner Preamps 51,5 Volt gemessen. Andersherum kann aber klanglich etwas passieren, wenn man die Spannung verringert. 

Vintage-Impedanz, Pad, HPF und Mute

Die Eingänge des Locomotive Copperline sind auf 600 Ohm Impedanz absenkbar, was das Optimum für manche Mikrofone, besonders aber manche Geräte darstellt. Erzielt wird das mit einem simplen Widerstand zwischen Pins 2 und 3. Zudem stehen in jedem Channel Hochpassfilter mit Eckfrequenzen von 45, 75, 150 und 300 Hz zur Verfügung sowie eine Attenuation von bis zu 40 (!) dB. Ferner ist die Polarität invertierbar und – ganz banal – Mute schaltbar. 

Schalter
Fotostrecke: 7 Bilder Regler und Schaltfunktionen, die mal auch von Preamps kennt

Made in USA

Locomotive Audio ist ein kleines Unternehmen aus den USA, das auch einen Stereo-Preamp fertigt sowie einen Röhrenkompressor namens Locomotive Audio 14B, der sich grob an den alten Gates und Collins orientiert. Diese sind wie der Copperline in den USA hergestellt. Die Qualität des Geräts hier im Review ist makellos.

Locomotive Copperline: Spannung steht

Ein Blick in das Innere des Locomotive Copperline, welches der deutsche Importeur KMR Audio für dieses Review bereitgestellt hat, zeigt eine ordentliche Komponentenwahl und eine sehr gute Herstellungsqualität. Die Anzeige der Spannung entsprach exakt der, die ich auf dem Messgerät ablesen konnte. Bei einem Test mit angeschlossenem Mikrofon zeigte sich, dass die Spannung wie festgeklebt erschien, selbst wenn die Elektronik im Mikro mit enormen Pegeln von Snare oder Trompete beauftragt wurde. 

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Voltage Meter Phantom Power
Spannungsanzeige für die Phantom Power

Ramp-up beruhigt, wenn man teuere Mikrofone benutzt

Es ist schon ein beruhigendes Gefühl, der Spannungsanzeige beim Ramp-Up zuzusehen und zu hören, wie das Mikrofon langsam zum Betrieb übergeht, anstatt ein erschreckendes Knallen zu hören. Direkte klangliche Unterschiede zur Speisung durch wirklich hochwertige Preamps konnte ich nicht feststellen. Zu der von preiswerten Systemen schon. Das gilt vor allem für bus-powered Audio-Interfaces, die auf mich minimal gebremster wirkten. Aber ein Locomotive Copperline vor ein Interface der 100-Euro-Klasse zu hängen, wäre schon eine etwas schräge Vorstellung. 

Weg frei für alle Amps

Spitze war, dass ich meine geliebten True Systems P-Solo Ribbon auch mit phantomgespeisten Mikrofonen verwenden konnte. Dieser ist nämlich bewusst ohne Phantomspeisung ausgestattet, um die Bauteile aus dem Weg fern zu halten. Der Locomotvie Copperline zeigt allerdings, dass s weniger die Frage ist, ob Phantom integriert ist, sondern eher wie. Manche Hersteller, mir fällt spontan Forssell ein, bieten ja bewusst zwei unterschiedliche physikalische Inputs an ihren Pres an, einmal mit, einmal ohne Phantomspeisung. 

Mikrofone reagieren unterschiedlich – meine leider fast gar nicht so, wie ich wünschte

Ich habe im Grunde erst während des Tests gemerkt, wie wenige phantomgespeiste Mikrofone ich im Vergleich habe. Sicher, passive Tauchspulen- und Bändchenmikros haben mit Phantom nichts am Hut, aber auch unter den Kondensatoren sind Röhrenmikrofone und auch solche mit eigener, höherer Spannungsversorgung. Zunächst: Die Anzeige der Spannung und die tatsächliche Spannung sind auch ei wohl durchaus unterschiedlichen angeschlossenen Mikrofonen äußerst stimmig. Es ist interessant zu erfahren, was bei Spannungsunterversorgung mit dem Signal passiert. Einige Mikrofone gehen unterhalb einer bestimmten Spannung einfach aus. Andere werden dünn und fahl, wieder andere produzieren synthesizer-ähnliche Geräusche, die wohl daher rühren, dass irgendwo ein Kondensator leerläuft. Schade: Ich hatte kein Mikrofon, bei dem ich so einen schönen „bröseligen“ Voltage-Drain-Sound hinbekommen hätte wie man ihn zum Beispiel mit dem Volt-Regler des Electro-Harmonix Germanium OD hinbekommt (…übrigens eine Geheimwaffe auch im Studio… für Vocals, Snare…). 

Was typisch ist: Die technische Dynamik verringert sich mit abnehmender Spannung, sodass hohe Pegel schneller zerren, manchmal auch das Rauschen zunimmt. Es gibt bei manchen Mikrofonen aber einen netten Sweet Spot, in dem die Agilität abnimmt, wohl weil Transienten nicht mehr so schnell umgesetzt werden können. Dadurch sind Mikros schnell etwas sanfter, aber oft auch fahl und farblos. Vorhersagen treffen aufgrund der Bauart von Mikrofonen wird man kaum treffen können, außer man kennt Bauteile und Verschaltung und weiß um die jeweiligen Effekte. Es ist also immer eine Überraschun, wie jedes Mikrofon reagiert, bei manchen kann die Veränderung vielleicht auch enttäuschen. Locomotive nennen die Möglichkeiten, die entstehen, sehr charmant „happy accidents“. Wie dem auch sei: In jedem Fall lernt man so seine Mikrofone sehr gut kennen und hört sie danach mit anderen Ohren. 

Audio Samples
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the t.bone SC 1200, 52V-2V-12V Oktava MK012, 52V-12V Lewitt MTP 50, break point Equitek E200 (a), 52V-20V-52V Equitek E200 (b), 52V-20V-52V Schoeps CMC68xt, 2V-12V Earthworks SR314, 52V-0V, vari (Achtung laut!) Heil PR-40, 52V-0V Heil PR-40, norm Heil PR-40, vintage Heil PR-40, Filter (stepped)

Die beiden Equitek steigen bei unterschiedlichen Spannungen aus und verhalten sich etwas verschieden. Erstaunlich, weil gerade diese E200 zwei 9V Akkus besitzen, mit denen sie zuverlässig laufen. Allerdings ist die Elekrtronik etwas speziell, denn die Akkus können für kurzzeitige Peaks auch bei angeschalteter Phantom genutzt werden. Das Earthworks reagiert sehr heftig, leider nicht konstant einstellbar mit einem “leerlaufender Kondensator”- oder “Ringmodulator”-Sound

Zusatzfunktionen des Locomotive Copperline sehr hilfreich

Äußerst praktisch sind die vielen Zusatzfunktionen. Ein bei Bedarf enorm kräftiges Pad lässt Mikrofone auch dort einsetzen, wo die meisten Preamps passen müssten. Vor einer „Zerstörung“ von Kondensatormikrofonen an lauten Quellen sollte man keine Angst haben. Auch das mehrstufige Hochpassfilter ist hilfreich. Beides arbeitet übrigens in hoher Qualität, wodurch Klangänderungen nicht zu erwarten sind.

Die Impedanzänderung bewirkt auch bei nicht spannungsversorgten Geräten bisweilen eine klangliche Änderung, das ist von Preamps mit dieser Art der Anpassung bekannt. Als Aufklärung oder Erinnerung: Mikrofon- und Line-Signale können durchaus identisch verwendet werden, schließlich kann ein 1176 auch vor einem Preamp verwendet werden (oder: anstatt!), ich nutze regelmäßig den vorsichtigen Übertragercharakter des Tube-Tech MP-1A für Line-Signale, indem ich die Minimalverstärkung von 20 dB mit dem 20dB-Pad kombiniere. Worauf ich hinaus will: Der Locomotive Copperline ist ein sehr gutes Stereo-Hochpassfilter für Subgruppen, die Impedanzanpassung hilft, Impedanz- und Gain-Staging-Probleme auszugleichen. Viele ältere Geräte wollen an ihrem Ausgang eine Impedanz von deutlich unter 1 kOhm sehen, Locomotive nennt als prominentes Beispiel den klassischen Urei 1176LN. 

Alternativen zum Locomotive Audio Copperline

Coil Audio CP-448vierkanalig, preiswerter, aber deutlich geringerer Funktionsumfang
Triton True Phantompreiswerter, aber deutlich geringerer Funktionsumfang, bei Bedarf Phantom Blocker

Fazit zum Locomotive Audio Copperline

Sicher ist: Wer sich für seine Homerecording-Station mit dem 100-Euro-Interface und dem 200-Euro-Kondensatormikrofon einen Copperline auf den Tisch stellt und glaubt, jetzt könne es losgehen mit dem Berühmtwerden, der hat etwas falsch verstanden. Sicher ist aber auch: Mit dem kleinen Gerät kann man ein letztes Quäntchen aus der Signalkette herauskitzeln. Es eröffnen sich aber auch neue Möglichkeiten durch Änderung von Impedanz und Phantomspannung, besonders aber kann die Ramped Phantom Leben (von Mikrofonen) retten. Copperline ist ein vielseitiges und praktisches Tool, doch sollte man wissen, dass die Auswirkungen geringerer Spannung auf den Mikrofonklang sehr unterschiedlich ist. Dennoch bin ich der Meinung, dass Locomotive für dieses Gerätekonzept ein Orden gebührt. Es ist doch mehr als lobenswert, wenn neue Ideen den Weg auf den Markt und in die Racks finden. 

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Locomotive-Zeichen (Logo/Icon)
  • zweikanalige Phantomspeisung
  • Spannung baut sich langsam auf und ab
  • Spannung von fast 0 bis 52 Volt einstellbar
  • Hochpassfilter: 0, 45, 75, 150 und 300 Hz
  • Pad: 0, 10, 20, 30 oder 40 dB Dämpfung
  • Polaritätsinvertierung schaltbar
  • Impedanz auf 600 Ohm absenkbar
  • Stummschaltung
  • 19″/2HE, eingebautes Netzteil
  • hergestellt in: USA
  • Preis: € 999,– (Straßenpreis am 23.3.2023)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr hochwertige Mikrofon-Spannungsversorgung mit Ramped Phantom 
  • einstellbare Spannung für Betrieb im optimalen Bereich des Mikrofons oder aus klangbildenden Gründen
  • praktische Zusätze wie Impedanzveränderung, Mute, Polarity, Pad und Hochpassfilter in hoher Qualität
Contra
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Locomotive Audio Copperline Test
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