Praxis
Ein RM2 hätte den Namen „Lunchbox“ verdient, wenn dieser Begriff nicht von API für deren Modulsystem verwendet würde. Es ist geradezu handlich, was man von Lydkrafts 19”-Boliden sonst nicht gerade behaupten kann. Meinen MP 1A transportiere ich nur ungern, ein RM2-System würde ich wahrscheinlich – wenn ich eines hätte – mit ein paar speziellen Mikrofonen als mein Standard-Reisegepäck zum Paket schnüren. Der RM8-Frame hingegen, den ich auch schon in Augenschein nehmen konnte, ist schon unbestückt ein außerordentliches Monstrum, vollgepackt mit Einschüben muss man zur Positionsveränderung schon beinahe ein Schwerlastunternehmen aus den Gelben Seiten beauftragen. Das annähernd handgepäcktaugliche RM2-System lässt sich wirklich überall dort hinstellen, wo man es gerade benötigt, zum Beispiel zur Verhinderung langer Leitungswege mit geringem Level (und dadurch bedingten Höheneinbußen!) in unmittelbarer Nähe der Mikrofone im Aufnahmeraum.
Einen Nachteil haben die geringen Gehäusemaße allerdings: Die Bedienelemente liegen recht nah beieinander, die Drehregler sind daher nicht sonderlich groß. Bewegt man beim guten, alten MP 1A den Gain-Regler, erinnert das an Steuerpulte der Kernenergie-Technik aus den 1950ern. Die etwas fragil wirkenden Schalter für HPF & Co sind allerdings schon bei vielen Tube-Tech 19”-Geräten vorhanden. Dennoch bleibt es beim Modulsystem der Dänen ein haptischer Genuss, die Bakelitregler zu bewegen. Beim PM 1A fehlt selbst das massive „Klock”-Geräusch der gerasterten Regler nicht. Alles ist solide verbaut, sämtliche Bedienelemente sind frei von Spiel und nicht krumm und schief eingebaut. Ich weise deshalb darauf hin, weil das selbst unter den Supergeräten dieser Welt nicht gerade selbstverständlich ist! Die Installation der Einschübe ist denkbar einfach und sollte jedem möglich sein, der von seinem Umfeld nicht gerade als „Doppel-Linkshänder” gehänselt wird. Man sollte dennoch den Sitz der Module doppelt und dreifach überprüfen, da bei selbstverschuldetem Kurzschluss sicher auch der härteste Tontechniker Tränen in die Augen bekommt.
Bei der Produktion des kleinen Tube-Tech-Testsongs habe ich nie ein Meter am Preamp vermisst. Durch mein Gehör und das Input-Metering des A/D-Wandlers fühlte ich mich immer ausreichend über die Arbeit des PM 1A informiert. Das Gehör ist es auch, das meine Drüse, die die Glückshormone ausschüttet, kräftig geschüttelt hat: Der Preamp klingt einfach wahnsinnig gut. Diesen Ausdruck möchte ich etwas genauer beschreiben: Der PM 1A ist – wie man sich denken kann – kein klinisch rein arbeitendes Gerät, sondern verändert das Mikrofonsignal. Da wäre zum Beispiel die ständige leichte, harmonische Zerrung, die sich als angenehme Unterstützung der im Signal schon vorhandenen Obertöne bemerkbar macht. Diese Harmonischen geringerer Ordnung, die dem Signal hinzugefügt werden, machen sich besonders auf den lang gezogenen Vokalen der Gesangsstimme bemerkbar. Die Stimme wirkt dadurch etwas dicker und glänzender, ohne jemals spitz oder kratzig zu werden. Im Vergleich zu vielen anderen Röhren-Preamps fällt auf, dass der Sound des Lydkraft trotz der Färbung immer glasklar, durchsichtig und greifbar ist. Es wird nichts komprimiert oder „verschmiert”. Hier punktet der PM 1A ganz massiv: Er ist für ein Röhrengerät ausreichend schnell. Vor allem bei den so kritischen „S”- und „T”-Lauten macht sich dieser Zusammenhang bemerkbar. Diese Konsonanten mit einem großen Anteil an hohen Frequenzen werden zwar stark gefärbt, im Spektrum leicht nach oben erweitert und etwas massiver, klingen dadurch aber nur etwas edler – verwaschen oder scharf klingen sie nie. Man muss schon eine deutlich schlechte Aussprache besitzen und das für die Stimme falsche Mikrofon nutzen, um übertriebene „S”-Laute zu generieren.
Der Klang der Stimme begeistert nicht nur den Tontechniker, sondern offensichtlich auch die Sängerin. Die Frage „Darf ich noch ein wenig so vor mich hin singen? Die Stimme klingt so toll hier auf dem Kopfhörer!”, hört man recht selten, und könnte alleine schon als Lob für den PM 1A dienen. Zugegeben, ein Mikrofonvorverstärker allein macht noch keinen tollen Sound, aber wenn der Rest der Aufnahme- und Wiedergabekette auch stimmt, kann er seine Qualitäten richtig ausspielen. Im gesamten Test zeigte sich, dass der Lydkraft eben kein Spezialgerät für manche Anwendungen ist, sondern wirklich als Standard-Preamp taugt. Ob ich nun eine „Vierzwölfer”-Box mikrofoniert habe, Akustikgitarre oder sonst irgendetwas aufgenommen habe, diese Art der subtilen Klangveredelung erschien nie fehl am Platze. Meine Erfahrung mit dem großen MP 1A zeigt jedoch, dass man bei der Verwendung von Kleinmembran-Kondensatoren meist lieber auf schnellere und sauberere Mic-Pres zurückgegreift – das gilt aber für die meisten Röhren-Pres, die ich kenne.
Die Impedanzumschaltung des Tube-Techs hat zwar Auswirkungen, jedoch sind diese erwartungsgemäß eher zart. Manchmal hilft die Einstellung dabei, dem Signal schon die gewünschte Tendenz in der Klangfarbe zu geben, es also gleichsam schon einmal in die richtige Richtung zu schubsen. Mit der Veränderung des Ohm-Wertes ändert sich beim PM übrigens nicht nur in der Frequenzebene etwas, auch dynamisch macht sich etwas bemerkbar – allerdings auch hier eher in homöopathischen Dosen. Das Filter greift solide zu und entfernt Pegelanteile im Tiefbassbereich, wie es seine Aufgabe ist. Das Passband bleibt davon annähernd unbeeindruckt, selbst wenn die Grenzfrequenz auf 40 Hz gestellt wird. Die Schaltung arbeitet absolut vorbildlich und besitzt wirklich keine störenden Eigenschaften – den Unterschied im Signal zwischen „20 Hz”- und „Off”-Stellung des Schalters muss man sich schon einreden.
Der D.I.-Sound ist ebenfalls von allererster Güte. Hier wird der „Vintage”-Charakter etwas deutlicher, was für Bass, E-Pianos und Co absolut hervorragend sein kann. Ein angenehmerer Sound ist mir wirklich noch nie untergekommen, ein klarerer und transparenterer allerdings schon. Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen, der Tube-Tech ist auch mit D.I.-Signal gefüttert absolut „Top Notch”. Man sollte jedoch vor Augen haben, dass der PM 1A nun mal ein Röhrengerät ist. Will man einen analytischen Hochglanz-Sound, gibt es ein Gerät, das dem Dänen das Wasser reichen kann und alle anderen mir bekannten D.I.s „nass macht”: den Avalon U5. Wer sowohl diese D.I.-Box als auch einen Tube-Tech-Preamp im Rack hat, der braucht sich mit der Frage nach einer geeigneten Box nie wieder zu beschäftigen. Entweder wird die eine benutzt oder eben die andere, je nach Gusto. Beide stellen für ihre Bauart meiner Meinung nach schlicht und einfach mit das hochwertigste auf dem Markt erhältliche Werkzeug zur Direct Injection dar.
Kurzer Zwischenstand: Der Preamp ist wirklich allererste Sahne und hat somit die Messlatte für den Kompressor innerhalb unseres Tests wirklich sehr hoch gelegt. Mir fällt ein über viele Umwege herbeigeholtes Adjektiv ein, um den Sound des CM 1A zu beschreiben: „teuer”! Mit Superlativen und Übertreibungen sollte man ja in einem Produkttest etwas vorsichtig hantieren, aber es stimmt nun einmal: Während der Arbeit mit dem Gerät haben mein Kollege Bassel El Hallak und ich uns manchmal einfach nur stumm und kopfschüttelnd angesehen und dann fast ungläubig grenzdebil gelacht. Es ist dieser dicke, wichtige Sound, der entsteht, wenn der Kompressor richtig zu tun bekommt. Bei Gain-Reduction jenseits der 6 dB produziert der CM 1A eine dynamische Verzerrung, die sich wie eine Art Patina auf das Signal legt, es wie „Edelschimmel” umgibt. Selbstredend matscht der Kompressor trotzdem nicht. Bei hohen Reduktionen wird das Signal dick und bauchig, wo andere Geräte schon mal ein dünnes, konturloses Brett hinterlassen.
An den Drumfiles und der Summe merkt man besonders, dass der Tube-Tech ein „Großmacher” und „Teuerklinger” ist. Durch das Optokompressor-Regelglied ist das Dynamikgerät schnell genug, außerdem haben derartige Geräte oft eine Kompressionskennlinie, die nicht im eingestellten Verhältnis (= Ratio) bleibt, sondern sich bei sehr hohen Eingangspegeln wieder langsam der 1:1 nähert. Gemeinsam mit der generellen Schnelligkeit sind das sehr gute Nachrichten für Transienten! Im Vergleich zum Bypass-Signal fällt auf, dass es dieser Sound ist, nach dem man in einer Produktion häufig sucht. „The Compressor is your friend”, soll Bruce Swedien einst geäußert haben. Eigentlich dürfte er diesen Spruch in Anbetracht des CM gerne auf dem Berg Sinai auf eine Steinplatte meißeln. Dieses Röhrengerät ist nicht nur ein technischer Zusammendrücker, sondern wirklich ein Soundformer. Gott sei dank ist bonedo.de multimedial: Hört euch den CM 1A an, hört ihn über Studiomonitore und Kopfhörer!Achtet auf die Bassdrum, auf die Snare, die sich öffnende Hi-Hat, die Räumlichkeit! Selbst mit wirklich übertrieben auffälligem Regelvorgang im Release wird das Signal zwar kompakt, aber nie unbrauchbar. Eine lustige Gegebenheit war, als ich nach der Kompression des Basses den Vocal-Kanal durch den Kompressor schickte, ohne die Bedienelemente auch nur noch einmal zu berühren. Bassel und ich schauten uns mit großen Augen an und dachten gleichzeitig „perfekt”! Ohne einen Ton zu sagen und auch nur einen weiteren Moment zu zögern, habe ich den Bounce-Shortcut in der DAW gedrückt, einen Dateinamen eingegeben und bestätigt. Das Ergebnis könnt ihr als Vocals Medium im Audioplayer hören. Das Wort „unfassbar” fiel in der Session recht häufig, und immer war der CM 1A gemeint. Die Stimme rückt bei starker Kompression weiter nach vorne, was sich im Spektrum sowohl bei tonalen als auch geräuschhaften Stimmanteilen mit dem Signal tut, ist wirklich grandios. Bei „Running around”, welches mit deutlich höherem Pegel gesungen ist, lässt sich erkennen, was die Röhren im Inneren des Einschubs schönes mit dem Signal anstellen. „S”- und „T”-Laute bekommen den letzten Schliff, der das Signal wirklich nach Weltklasse klingen lässt. Der Lydkraft-Kompressor spielt schlicht und einfach in der gleichen Liga wie die alten Teletronix – ich wage sogar das Undenkbare: wie ein Fairchild. Der Fairchild ist der heilige Gral, heute teurer als so mancher deutsche Neuwagen. Dennoch: Es ist die gleiche Liga.
Auch die Summenbearbeitung steht dem Modul recht gut. Zu diesem Zweck habe ich zwei Kompressoren in den RM2 geschraubt. Bei dem Song für diesen Test sind übrigens keine anderen Mic-Pres, D.I.s oder Kompressoren als die des RM2-Systems zum Einsatz gekommen. Fett, oder? Noch eine weitere Anmerkung: Die Arbeit mit dem Sidechain-Bus und der speziellen Zeitautomatik ist gewöhnungsbedürftig, aber wirklich praktisch.
Kürzere oder längere Zeiten, einen tiefer angesetzten Threshold oder ein geringeres Kompressionsverhältnis vermisst man in der Praxis nie. Ein kleiner Schönheitsfehler war, dass ein Kompressormodul – trotz der offensichtlich sehr geringen Bauteiltoleranz – zu Beginn des Tests im Bypass-Modus eine ständige Gain Reduction von „+1 dB” mit einer gelb leuchtenden LED anzeigte. Nach einer halben Stunde schien das System auf Betriebstemperatur zu sein, und das Meter war ok. Allerdings war das System beim Transport den Temperaturen im sagenumwobenen Januar 2010 in Berlin ausgesetzt. In „Novoberlinsk” hatten wir in der Nacht vor der Lieferung -15°C, das Gerät wurde sofort nach der Lieferung angeschlossen. Unter diesen Umständen: Peanuts!
Beide getesteten Module haben gezeigt, dass Lydkraft sich treu geblieben sind. Das neue System verkleinert zwar die Baugröße, behält aber die hohe Klangqualität bei. Der Preamp reiht sich wie von selbst in die Reihe der großen Putnam- und Siemens-Geräte ein, der Kompressor gehört definitiv in eine Liga mit den üblichen Verdächtigen unter den Röhrenkompressoren. „Zum Glück” besitze ich keinen ADL1500 (das in meinen Augen beste LA2A-Derivat), denn der CM 1A hätte in einem Vergleich möglicherweise das von mir vergötterte Gerät von seinem Thron gestoßen. Ich glaube, er hat das Zeug dazu. Im Vergleich zum MP 1A reizt der PM 1A mit zusätzlichen Features. Einen generellen klanglichen Quantensprung des Neulings kann ich nicht feststellen, was wiederum sehr für Tube-Tech insgesamt spricht.
So viel Enthusiasmus in diesem Test, doch wie schaut es mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aus? Dies ist schliesslich eine Angabe, nach der man als Tester aus guten Gründen immer wieder gefragt wird. Manchmal sind derartige Aussagen jedoch nicht einfach zu treffen, denn der Gegenwert muss bei derartigen Geräten differenziert betrachtet werden:
Für denjenigen, der mit Tontechnik auch Geld verdient, ist das Verhältnis sehr gut, für denjenigen, der dies nur in geringem Maße tut, wird sich die Anschaffung möglicherweise nie amortisieren. Trotz voller Punktzahl steht daher unter Contra der Anschaffungspreis des Systems, denn er ist nun einmal aufgrund seiner Höhe ein Argument, das gegen den Kauf spricht. Ich halte die Preisgestaltung des Modulsystems jedoch aus mehreren Gründen für absolut gerechtfertigt: Hohe Qualität verlangt gute, idealistische Ingenieure und enorme Entwicklungszeit, aber bei Lydkraft-Produkten ist eben auch kein Kunde inoffizieller Beta-Tester. Die verkauften Stückzahlen sind gering und müssen neben diesen Kosten auch die teure Bauteilselektion und Qualitätskontrolle tragen. Das RM2-System ist somit auf keinen Fall überteuert. Außerdem ist ein Tube-Tech immer eine Investition für das gesamte (Berufs-)Leben, denn wer einen besitzt, wird ihn kaum nach kurzer Zeit leid sein. Zudem sind die skandinavischen Geräte zwar charaktervoll, aber immer moderat. Dadurch lassen sie sich dennoch an den verschiedensten Stellen in unterschiedlichsten Produktionen einsetzen. Eine Tube-Tech-Kette im Studio, dazu eine weitere hochwertige, die aus äußerst cleanen Elementen besteht – und man kann sein Leben lang Ruhe haben, kann sich statt um die stetige Suche nach dem nächsten bezahlbaren Gerät schlicht und einfach um die Arbeit kümmern (um diese Investition zu refinanzieren…). Ich behaupte überdies, dass man damit auf lange Sicht sogar preiswerter fährt. Schlimmstenfalls verkauft man eben wieder, die dankbaren Abnehmer stehen Schlange, der Wertverlust ist gering.
Wem beim Blick in die Preisliste trotzdem die Tränen in die Augen kommen, der sollte nicht vergessen: Letztendlich sind es ja in erster Linie die Komposition und die Performance, die eine gute Produktion ausmachen, nicht die Werkzeuge (Ich weiß: Dies ist auch nur ein schwacher Trost. Aber hey: Ich habe es immerhin versucht…).
Ich würde mir übrigens einen RM4 oder vielleicht sogar RM3 wünschen, denn ein RM8-Rahmen ist groß und sehr teuer, ein hingegen RM2 fasst eben nur zwei Module, das halte ich für etwas wenig. Mit einem Backbone mit drei oder vier Einschüben könnte man sich mit Preamp, Kompressor und dem ebenfalls erhältlichen Equalizer EM 1A einen tollen Channelstrip schnüren.