PRAXIS
Ich glaube, ich schicke Mackie mal eine Mail mit meiner Telefonnummer und der Bitte mir zu erklären, warum ihr Livepult den Headphone-Anschluss auf der Rückseite hat. Nicht, dass er so schwer zu finden wäre, doch finde ich es sehr angenehm, sich mit den HPs mal einfach einplöcken zu können, um ein Signal zu kontrollieren. Der Kopfhörer ist schließlich nicht zuletzt ein Werkzeug, das der Fehlersuche dient. Mit ihm lässt sich gut überprüfen, wo ein Signal ausgegeben wird und ob es auch in Ordnung ist. Daher wird man ihn auch an anderen Geräten ein- und ausstecken wollen, die diese Buchse im Regelfall auf der Frontseite tragen.
Der rückwärtige Anschluss am Mackie nervt mich zwar, ist aber natürlich auch kein Beinbruch. Ähnlich verhält es sich mit einigen weiteren Kleinigkeiten. Neben der angesprochenen Phantomspeisungsproblematik finde ich den Talkback für die Mains kritisch, weil schnell mal im Halbdunkel des kleinen FOH-Platzes während des Changeovers versehentlich das Publikum unterhalten wird (“Hat der Sänger seine Tonhöhenkorrektur nachher in der Show auch mal auf Bypass oder bleibt das so?”). Natürlich ist das 2404-VLZ3 auf seine Art ein Kompromiss, denn der Platzverbrauch ist gemäß der Mackie-Tradition recht gering. Das geht damit einher, dass man beim Bedienen schnell an benachbarte Potis kommt, die aber glücklicherweise schwergängig genug sind, um sich nicht schon beim kleinsten Luftzug zu verstellen. Zudem suggeriert dies eine angenehme Wertigkeit. Menschen mit original Böklunder-Wurstfingern werden teilweise Probleme haben, zum Beispiel zwischen den Fadern die Schalter zu bedienen. Das geht zwar, ist aber teilweise mit der Unterstützung eines Stifts praktikabler. Alles in allem ist die Bedienbarkeit aber gegeben –der Platzbedarf dadurch angenehm gering.
Das Routing ist für ein moderat großes Pult wie dieses eine Offenbarung. Es ist flexibel, aber dennoch einfach genug, damit auch ein damit nicht vertrauter Engineer eine sichere Show fahren kann – nichts im Vergleich zu unbekannten Digitalpulten! Die Ausstattung ist nicht nur umfangreich, sie ist auch wirklich wohl durchdacht. Die Bedienung gehorcht im Großen und Ganzen auch noch den “althergebrachten” Mackie-Sitten. Mannigfaltige Solo-Möglichkeiten sind wirklich ein Segen im Betrieb! Ein paar mehr Line-Inputs – und sei es nur in Form von Aux-Returns – wären der heutigen Zeit jedoch angemessen. Auf meiner Wunschliste findet sich des Weiteren die Möglichkeit, eine Meterbridge zu erstehen. Wäre das 2404-VLZ3 mit zumindest einigen Direct-Outs versehen (beim 1604 VLZ waren es acht!), könnte es auch besser im Recording-Betrieb eingesetzt werden, das klangliche Zeug dazu hat es durchaus. Die USB-Konnektivität ist natürlich praktisch, für einen separaten Mixdown stehen im Zweifel dann oft doch nicht die notwendigen Auxes zur Verfügung, aber “mal was aufnehmen können” ist sicher praktisch. Außerdem kann der Stream vom Rechner sinnvoll genutzt werden und ist –wie sollte es anders sein? –ausgefuchst, aber überschaubar geroutet.
Mackie-Pulte sind bekanntlich keine Schönmacher und keine Charaktermaschinen, sondern das, was man sich ganz klassisch unter einem “Arbeitspferd” vorstellt. Mackies Preamps genießen seit jeher den Ruf, zwar rauscharm und breitbandig, aber durchaus etwas hart zu sein. Obwohl gerade das Design der Preamps ständig verändert wurde –der typische Mackie-Grundcharakter bleibt erhalten. Die Preamps sind deutlich “dick”, was der Durchsetzungskraft im Livebetrieb zugutekommt, für meinen Geschmack ist das Ergebnis aber eine Spur zu kompakt. Für Studioarbeit würde ich bei einigen wesentlichen Signalen wie Vocals und Overheads sicher etwas Feinzeichnung und Offenheit vermissen und andere Preamps vorziehen, doch im Live-Betrieb sind sie insgesamt hervorragend. Sprache, Gesang, Bassdrum, Snare, Gitarre: Alle Signale werden konturiert auf Line-Level gebracht. Der Mischpulthersteller hat sich also nicht von seinen Philosophien verabschiedet. Das gilt genauso für die EQs, für die der ausgelutschte Marketing-Begriff “zupackend” sehr gut passt –anders als “musikalisch”. Für Bassdrum und Bass wäre natürlich ein etwas tiefer reichenderes vollparametrisches Band wünschenswert, doch geht man bei Mackie wohl davon aus, dass man bei entsprechend großen Anlagen und Räumen auch ein teureres Pult auf dem Tisch stehen haben will.
Die Effekte des Mackies… nun ja, sie erfüllen ihren Zweck. Die Kompressoren (besser: “Kompressörchen”) arbeiten dank ausgeprägtem Soft-Knee und generell mittleren Zeitparametern vernünftig, aber natürlich nicht unhörbar. Generell erhält man Punch, was zwar oft durchaus wünschenswert ist. Allerdings ist bei der Arbeit dadurch Vorsicht geboten. Gut, dass Mackie im Manual dem eher unbedarften User Hinweise gibt, auf welche Artefakte er hören muss, um den Einsatz nicht zu übertreiben. In alter Tradition ist das Manual wirklich lesenswert, auch wenn manche der kleinen Witzchen nicht gerade hilfreich sind, wenn man händeringend nach einer Problemlösung sucht.
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Absolute Glanzleistungen wird auch von den Multieffekten niemand erwarten. Setzt ein umsichtiger Engineer diese Standards sinnvoll ein, machen sie genau das, was sie sollen: „gewöhnliche“ Effekte für wenig Geld. Im Regelfall wird man kurze Reverbtails und Delays einsetzen wollen. Kleine Räume weisen nicht die Dichte wie Studio-Effektgeräte oder vernünftige Plug-Ins auf, doch sind die Effekte mit ihren Parametern für den Livebetrieb geradezu maßgeschneidert. Schön ist die Möglichkeit, die Return-Signale in die letzten beiden Kanäle zu routen, um dort mit dem EQ zu bearbeiten und die Auxe zu bedienen. Somit kann das Outboard-Rack für den kleinen Live-Gig mit einem umfangreicheren Zweikanal-Kompressor und möglicherweise einem Vierfach-Gate schon komplett sein, ohne dass noch ein externes Multieffektgerät angeschafft werden müsste.