Praxis
Dokument erstellen
Beim ersten Start von Finale 2014 sieht zunächst einmal alles wie gewohnt aus: Es öffnet sich das Startfenster, das verschiedene Optionen zum Erstellen, Scannen oder Öffnen von Noten bietet. Von hier aus erreicht man nicht nur den Dokumenten-Assistenten, der durch die Einrichtung einer neuen Partitur führt, sondern auch die zahlreichen enthaltenen Vorlagen (in der neuen Version nochmals aufgestockt) und die Finale-Tutorien und -Handbücher.
Auch der Dokumenten-Assistent birgt kaum Überraschungen. Hier legt man Papierformat und Notationsstil, Instrumentierung sowie Tempo- und Tonartangaben für eine neu zu erstellende Partitur fest. Neu ist jedoch der unscheinbare Haken „Tonart verstecken und alle Vorzeichen anzeigen“. Klickt man ihn an, so wird zwar eine Tonart für die Partitur festgelegt, aber nicht wie üblich am Beginn jeder Notenzeile angezeigt. Stattdessen erscheinen alle nötigen Vorzeichen direkt an den betreffenden Noten. Eine solche Notation kann vor allem bei schwer zu lesenden Partituren – etwa in den Bereichen der Neuen Musik oder freierer Jazz-Stile – praxistauglich sein. Ein Vorteil dieses Verfahrens gegenüber einer Notation in C-Dur liegt zum Beispiel darin, dass es keine Transpositionsfehler gibt. Während der Arbeit mit einer Partitur lässt sich diese Option mit dem Tonartwerkzeug beliebig an- und abschalten und auch auf Abschnitte einer Partitur anwenden.
Interface
Auch bei der Gestaltung der Oberfläche bricht Finale 2014 nicht mit Traditionen, sondern setzt eher auf behutsame Veränderungen. Eine davon ist die optische Überarbeitung des „Werkzeugkastens“ und der Eingabepaletten für Noten, Pausen und andere Zeichen. Die runden Buttons der Vorgängerversionen wurden durch eine glattere, nüchternere Optik ersetzt, die übersichtlicher und seriöser wirkt (gleichzeitig aber ehrlich gesagt auch Erinnerungen an Windows 98 auf den Plan ruft). Außerdem rasten die verschiedenen Paletten nun aneinander und an den Bildschirmrändern ein, wodurch sich der Arbeitsbereich aufgeräumter gestalten lässt.
Am Bedienkonzept hat sich aber nichts geändert. Die Werkzeugpalette hält für alle Arbeitsschritte von der Noteneingabe über das Erstellen und Bearbeiten von Vortragsbezeichnungen, Artikulationen, Liedtexten und Akkordsymbolen bis hin zum Seitenlayout das passende Werkzeug bereit. In den meisten Fällen erscheint bei der Auswahl eines Werkzeugs ein zusätzliches Menü in der Menüleiste, das erweiterte Einstellungen und Optionen für den jeweiligen Bereich enthält.
Noten und Pausen lassen sich wie gewohnt auf verschiedene Weisen erzeugen: per Mauseingabe, mit einer Kombination aus MIDI-Keyboard und Ziffernblock der Tastatur oder per Echtzeitaufnahme im Hyperscribe-Modus. Das funktioniert alles ganz genauso wie in älteren Finale-Versionen – wer die Software schon kennt, braucht also trotz der neuen Optik nicht umzulernen.
Intelligente Zeichen
Eine der Neuerungen in Finale 2014 betrifft die sogenannten „Intelligenten Zeichen“, also Phrasierungsbögen, Crescendo-/Decrescendo-Gabeln, Triller und dergleichen. Ihre genaue Ausrichtung konnte bislang zuweilen etwas hakelig sein – vor allem, wenn solche Zeichen in mehreren Notenzeilen exakt identisch erscheinen sollten. Auch bei einer Veränderung des Layouts – etwa durch das Stauchen oder Strecken der Notation oder das Bewegen eines Taktes in eine andere Akkolade – und beim Erstellen von Auszügen waren hier oft nachträgliche Korrekturen nötig, um die gewünschte Optik zu erreichen. In Finale 2014 können die intelligenten Zeichen auf Wunsch nicht nur an Noten, sondern auch automatisch an Taktschlägen ausgerichtet werden, bei Linien gilt das für die Start- und Endpunkte gleichermaßen. Gerade bei Linien, die nicht genau auf einer Note beginnen oder enden, aber dennoch einen klaren Bezug zu einer bestimmten Position im Takt haben sollen (wie es zum Beispiel bei Dynamikgabeln häufig der Fall ist), ist auf diese Weise eine genauere Positionierung möglich, die auch einer nachträglichen Layout-Veränderung standhält. Auch beim Extrahieren der Einzelstimmen wird eine solche Positionierung berücksichtigt, sodass im Normalfall keine Nachbehandlung mehr nötig ist. Sehr praktisch!
Für dich ausgesucht
Ebenen, Pausen und Vorzeichen
Wer viel mit Ebenen arbeitet, also mit mehrstimmiger Notation im gleichen Notensystem, wird zwei weitere neue Funktionen zu schätzen wissen. Wenn in zwei oder mehr Ebenen auf der gleichen Zählzeit die gleiche Pause steht, kann es schöner und übersichtlicher aussehen, diese Pausen zu einer zusammenzufassen. Bisher musste man sie dafür manuell verstecken. Mit der Option „Pausen mehrerer Ebenen zusammenfassen“ (zu erreichen über die Dokument-Optionen unter „Ebenen“) lässt sich dies nun ganz einfach bewerkstelligen und für das ganze Dokument festlegen. Ein kleines Detail, aber in bestimmten Fällen sehr nützlich!
Ebenfalls verbessert wurde die Handhabung von Vorzeichen auf verschiedenen Ebenen, vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Kollisionen. Trat bei Unisono-Noten auf verschiedenen Ebenen das gleiche Vorzeichen auf, konnte es hier bislang zu Konflikten kommen. Außerdem gelten Vorzeichen, die in einer Ebene gesetzt werden, nun standardmäßig auch für die anderen Ebenen und werden nicht unnötig wiederholt. Bei Bedarf lässt sich dies über die Notensystemattribute auch wieder deaktivieren, um eine erneute Anzeige zu erzwingen. Das ist so eine typische Finale-Detailverbesserung: Man nimmt sie vielleicht gar nicht bewusst wahr, aber in bestimmten Situationen kann sie viel Arbeit sparen.
Stimmenauszüge
Die bekannten dynamischen, an die Partitur gekoppelten Stimmenauszüge sind ohne Zweifel praktisch: Jede Veränderung in der Partitur bewirkt automatisch auch die Anpassung des betreffenden Auszugs und umgekehrt. So kann man gleichzeitig an Partitur und Auszügen und ihren jeweiligen Layouts arbeiten und muss Veränderungen nicht doppelt vornehmen. Vor allem aus Gründen der Optik und Lesbarkeit kann es aber in Einzelfällen nötig sein, bestimmte Zeichen wie etwa Dynamikbezeichnungen in den Auszügen anders zu positionieren als Finale es aufgrund der Verknüpfung automatisch macht. Daher gibt es nun die sogenannte „intelligente Verknüpfung“, die unter anderem für Vortragsbezeichnungen, Artikulationen, Akkordsymbole und Liedtext-Elemente wie Silben und Textlängenstriche gilt. Auch Intelligente Zeichen wie Dynamikgabeln und die Spezialwerkzeuge für Halsrichtung und -länge, Balkenwinkel und ähnliches sind nun „intelligent“ verknüpft. In der Praxis heißt das: Die Verknüpfung wird für das individuelle Element in dem Moment gelöst, wenn es im Auszug verändert wird. Das Zeichen bleibt in der Partitur wo es ist, und zukünftige Änderungen an der Partitur wirken sich nicht mehr auf das Zeichen im Auszug aus. Ein solches “entkoppeltes” Zeichen wird sowohl in der Partitur als auch im Auszug andersfarbig dargestellt. Im Gegenzug ist es natürlich möglich, die Verknüpfung bei Bedarf auch wieder herzustellen. Die ästhetische Optimierung von Auszügen wird damit stark vereinfacht, man bekommt quasi das Beste aus beiden Welten: verknüpfte Auszüge, an denen man parallel zur Partitur arbeiten kann und die Möglichkeit, einzelne Zeichen darin je nach Bedarf individuell zu positionieren. Sehr schön!
Neue Sounds
Kein Finale-Update ohne Erweiterung der Soundbibliothek: Auch dieses Mal ist die Liste der mitgelieferten Garritan-Sounds wieder länger geworden, und eine neue Version des ARIA-Players gibt es noch dazu. Die neuen Sounds schließen einige Lücken in der Klangbibliothek, so gibt es nun zum Beispiel Alt- und Bassflöten, Es- und Kontrabass-Klarinetten, neue Blechbläser wie Piccolo-Trompete, Euphonium (wer Musik für britische oder amerikanische Concert- bzw. Marching-Bands schreibt, wird sich darüber freuen) und Flügelhorn, Percussion-Instrumente wie Tablas und Steel Drums und die „silbrigen“ Chöre und Holzbläser aus dem Garritan Instant Orchestra. Insgesamt sind nun über 425 Klänge enthalten. Was die reine Größe der Library angeht, bleibt Finale mit rund 2 GB jedoch immer noch hinter Sibelius zurück, das mit etwa 12 GB Sounds ausgeliefert wird.
Die neuen Sounds klingen solide, wie man es von Garritan kennt, können aber in Sachen Realismus und Authentizität nicht mit aufwändigen Spezial-Librarys mithalten. Für mich sind die mitgelieferten Sounds in Finale (und in anderen Notationsprogrammen) immer noch eher ein Werkzeug zum schnellen „Hörbar-machen“ von Partituren, etwa zur zur akustischen Überprüfung und zur Fehlersuche beim Komponieren und Arrangieren, als eine Klangbibliothek zur Erstellung professioneller Demos und Orchester-Mockups. Dafür gibt es inzwischen ganz andere Kaliber auf dem Sample-Markt und für Produktionszwecke ist eine DAW auch besser geeignet als eine Notationssoftware. Ihre Aufgaben als Notations- und Arrangementhilfe bewältigen die Garritan-Klänge aber absolut zufriedenstellend und decken mit den neu hinzugekommenen Sounds ein noch breiteres Spektrum ab.
Bedienung
Die eher behutsame Überarbeitung der Oberfläche sorgt für Kontinuität: Kein erfahrener Finale-Benutzer muss sich umgewöhnen, und das ist bei einer so traditionsreichen und weit verbreiteten Software natürlich erstmal etwas Gutes. Nachdem Finale 2012 mit der zentralen Partiturverwaltung eine für Finale-Verhältnisse geradezu revolutionäre Neuheit brachte, die zwar Umdenken erforderte, aber vieles vereinfachte, liegen die Verbesserungen diesmal eher im Detail. Auch mit diesem Update kommt das früher manchmal noch verwirrendere Finale aber dem Ideal wieder ein Stück näher, dass sich eine bestimmte Einstellung an genau einer Stelle vornehmen lassen sollte – etwa im Hinblick auf Perkussions-Systeme und ihre Wiedergabe. Gleichzeitig heißt diese Kontinuität aber auch, dass die bei Finale immer schon recht steile Lernkurve auch in der neuen Version nicht gerade flacher geworden ist. Wer sich das erste Mal an die Software heran wagt, wird eine Weile brauchen, um sie komplett im Griff zu haben. Mit all ihren Stellschrauben und Dialogfenstern voller Einstellungen wirkt die Software ein bisschen wie ein Skalpell: Man kann jede noch so filigrane Operation durchführen und alles individuell anpassen, braucht dafür aber etwas Sachkenntnis, eine ruhige Hand und Geduld. Es handelt sich um ein potentes Profi-Werkzeug, das so gut wie alles kann, aber nur in geübten Händen sein volles Potenzial erreicht und effizient eingesetzt werden kann. Für die Herstellung von druckreifen Noten und die Umsetzung spezieller, vom Standard abweichender Notationen bleibt die Software damit die erste Wahl. Im Gegenzug halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Anwender, denen es hauptsächlich um das schnelle, intuitive Erstellen von Noten geht, bei der Konkurrenz besser aufgehoben sein könnten. Denn trotz der Verbesserungen bleibt auch diese Finale-Version ein komplexes Stück Software mit einem nicht mehr ganz zeitgemäßen Bedienkonzept, das auf Ungeübte anfangs verwirrend oder sogar frustrierend wirken kann.
Hobby Huper sagt:
#1 - 27.11.2016 um 14:27 Uhr
Bei den Schwächen wurde vergessen, Uralt-Probleme aufzuzählen, die seit anno dunnemals durchgeschleppt werden.
Beispiele aus meiner Finale 25 Vollversionsdemo und für ein Notationsprogamm besonders ärgerlich:
--- es kommt wie eh und je zu unschönen Kollisionen im Notenbild, man muss also immer wieder von Hand ran, Elemente verschieben und hoffen, dass die Änderungen bis zum Ausdruck halten.
--- Text Elemente können nicht einfach angeklickt und kopiert werden, der Umweg: Doppelklick zum Textblock öffnen, Inhalt markieren, in die Zwischenablage kopieren, neuen Textblock erstellen, einfügen -> gähn...
--- So schön die x-Tolen Definition in der Notation mit "Shift + Symbol" in einfacher Eingabe inzwischen ist, komplexe Auflösungen wie Achtel Septolen über eine Halbe zu erstellen oder auch nur ein Pralltriller in einer "normalen" Achteltriole bleibt ein Abenteuer. Also brauche ich ein zusätzliches Dokument, um solche Dinge ausprobieren zu können, ohne das unauflösbare Notenwerte entstehen oder in den Nachbartakt geschriebene Werte/Pausen das Notenbild verhageln. Geht die Operation gut, kann man den Takt aus dem Nebendokument in das Arbeitsdokument kopieren.Die MIDI-Wiedergabe bleibt eine Krücke, da nutzt der (bei der Demo nicht installierbare) Garritan-Bombast gar nichts.
--- Beispiel Pralltriller, jedes der einschlägigen Artikulationssymbole
gibt grundsätzlich nur Triller wieder. Die eigentlich umfangreiche Bearbeitung der Trillerausführungen lässt anscheinend keine eigene Wiedergabedefinition zu.
--- noch herber: ohne erkennbaren Grund stimmt das Timing nicht, es kommt bevorzugt zum Stolpern am Anfang eines Stücks oder zu nie notierten Ritardandi. Dafür braucht es nicht einmal eine komplexe Partitur, das kann auch bei einstimmiger Notation ohne besonders "krumme" Auflösungen durchaus vorkommen.Der Grund, warum ich Finale benutze ist einfach der, dass ich über 20 Jahre und ungefähr vier Versionen daran gewöhnt bin. Ich kann immerhin bestätigen, dass die Usability grundsätzlich besser geworden ist und die Online-Hilfe (Tutorien, Einführungvideos, visueller Index, Stichwortsuche) inzwischen vorbildlich gut ist.