Praxis
Von der Verarbeitung her macht der MB33 Retro einen sehr guten Eindruck. Sein Gehäuse ist aus solidem Metall, die Potis sind gut verankert. Der Karton, in dem der Synthesizer geliefert wird, hat an den Poti-Oberseiten des Testgeräts leider etwas weiße Farbe hinterlassen, die man nicht einfach abwischen kann.
Ich verbinde das externe Netzteil mit dem MB33 Retro und die zwei LEDs auf dem Panel erleuchten. Zunächst führt mein Testkandidat einen Autotuning-Vorgang durch, der ein paar Sekunden andauert. Die obere LED erlischt und der Synthesizer ist betriebsbereit. Jetzt noch schnell ein MIDI-Kabel hervorgekramt, denn eine Anschlussmöglichkeit per USB gibt es ja nicht. Am rückseitigen DIP-Schalter Interface wähle ich den MIDI-Kanal aus, auf dem mein Masterkeyboard sendet, und los geht’s. Immer wenn der MB33 Retro eine MIDI-Note enpfängt, blinkt die obere LED.
Meine erste Amtshandlung besteht darin, den Demo-Song abzufeuern. Hier wird eine intern gespeicherte Sequenz von Noten abgespielt, die den Synthesizer triggert. Man kann, während die Demo-Sequenz läuft, am Klang schrauben und die Möglichkeiten des MB33 Retro austesten. Und das klang so:
Das macht auf Anhieb Spaß und der Grundsound gefällt. Neben der offensichtlichen Nähe zur TB-303 erinnert mich der MB33 Retro etwas an den Desktop-Synthesizer Eowave Domino.
Wie bei fast allen Synthesizern sind auch beim MB33 Retro die Bausteine Schwingungsform und Filter-Einstellung maßgeblich bei der Klangkreation. Die interessanten Parameter sind hier für meinen Geschmack jedoch die Filter-Resonanz und die zwei Parameter der Filter Hüllkurve: ENV MOD und DECAY. Im Zusammenspiel mit der gut dosierbaren ACCENT-Funktion, die auf Noten mit Velocity-Werten über 120 reagiert, gelingen mir mit diesen drei Potis im Handumdrehen schicke Filter-Sweeps, akzentuierte Patterns oder dynamisch zirpende Resonanzfeedbacks. Unterm Strich, frische und kräftige Klänge. Also das, was man sich von so einer kleinen analogen Kiste verspricht.
Das Portamento (Slide) setzt immer ein, wenn man überlappende Noten bzw. zwei Noten gleichzeitig spielt. Dann wird auch die VCA Hüllkurve nicht ausgelöst. Zum Programmieren 303-typischer Sequenzen über MIDI ist das praktisch, beim Spielen über eine Tastatur aber eher speziell.
Für dich ausgesucht
Deutlich wird aber auch, dass man recht schnell am Ende der Klangformungs-Fahnenstange ankommt. Die gängigen 303-Sounds liefert der MB33 Retro kraftvoll und durchsetzungsstark ab, darüber hinaus sind den klanglichen Möglichkeiten aber enge Grenzen gesetzt. Einem Einsatz als universeller Bass- und Lead-Synthesizer steht zum Beispiel im Weg, dass man kaum Zugriff auf Hüllkurven hat. Mit Ausnahme des Decay-Reglers (Regelbereich: 200ms bis 2,5 Sekunden), der auch nur zur Beeinflussung des Filters bereit steht, muss man sich mit den fest eingestellten und unveränderbaren Hüllkurvenwerten begnügen. Beim MB33 Retro geht es immer knackig zur Sache, denn ein regelbares Attack gibt es nicht. Auch Armaturen für Sustain und Release fehlen. Ein ausgelöster Ton nimmt daher immer (gemächlich aber) kontinuierlich in seiner Lautstärke ab, egal wie lange man die Taste seines Masterkeyboards gedrückt hält. Im Hinblick auf das 303-Erbe darf man dieses spartanische Konzept aber natürlich auch gerne als Stilmittel verstehen. “Retro” steht ja sogar im Namen, und zu einem günstigeren Preis kommt man klanglich kaum näher an die 303 heran.
Was dem Bayern jedoch komplett abgeht, ist der stilbildende Sequenzer seines japanischen Vorbilds. Als der MAM MB33 1996 erschien, lief alles über MIDI, die Studios waren stolz auf ihre Racks voller 19“-Expander und Sampler und Hardware-Sequenzer waren ziemlich abgemeldet. Im Jahr 2015 sieht das ein bisschen anders aus: Viele Elektronik-Producer und Live-Acts setzen wieder hauptsächlich auf Hardware und fast jeder Synthesizer hat heute wieder einen Sequenzer oder zumindest einen Arpeggiator an Bord. Der MB33 Retro muss sich heute mit Konkurrenten wie dem Korg volca bass (der sogar noch günstiger ist), den 303-Nachbauten rund um x0xb0x und Cyclone Analogic TT-303 Bass Bot und vielleicht auch mit dem Arturia MicroBrute messen, und da fehlt der Sequencer natürlich. Wer mit dem MB33 Retro live jammen möchte, muss ihn daher zum Beispiel mit einem Korg SQ-1 oder einem anderen Hardware-Sequenzer kombinieren.
Abschließend wäre noch der Audio-Eingang (mono) zu nennen, mit dem man den MB33 Retro auch zum Filtern externer Audiosignale nutzen kann. Klingt nicht übel, aber ich muss gestehen: Andere Filterbänke haben mich schon mehr begeistert. Insbesondere die Tatsache, dass der VCO des MB33 Retro automatisch deaktiviert ist, wenn man den Audio-Eingang benutzt, finde ich sehr schade.