Praxis
Nachdem man den „och wie süß“-Moment hinter sich gelassen hat, kommt man relativ schnell zum Faktor „aha, hoppla, tatsächlich?“ Mein Initialgedanke war zumindest der, dass es sich hier um alles andere als ein Spielzeug handelt. Man nimmt den Marleaux Soprano in die Hand und, ohne überhaupt einen Ton gehört oder gespielt zu haben, besitzt man bereits das Gefühl, ein vollwertiges Instrument vor sich zu haben. Die Verarbeitung ist tadellos in Edelbass-Tradition ausgeführt, die Holzoberfläche fühlt sich edel an und die Balance des Instrumentes, einmal auf den Schoß genommen, ist äußerst angenehm ausgewogen.
Beginnt man zu spielen, geht das Bassistenherz auf, denn das Spielgefühl entspricht absolut dem auf einem Bass in Normalgröße. Man fühlt sich also trotz der fremden Dimensionen des Instrumentes unmittelbar zu Hause. Das liegt in erster Linie daran, dass man dem Marleaux Soprano ein reguläres Stringspacing spendiert hat. Das heißt, die Saiten haben den gleichen Abstand zueinander wie bei einem regulären E-Bass. Hinzu kommt, dass er außerdem mit der normalen Standardstimmung E, A, D, G gespielt wird. Man kann also ohne irgendwelche Anpassungsprozesse direkt loslegen. Jeder Bassist, der hin und wieder mal Hand an eine Gitarre legt, wird das Problem kennen, dass sich eine Gitarre viel zu weich anfühlt und die dünnen Saiten und der enge Abstand der Saiten zueinander nicht gerade den eigenen Spielgewohnheiten entsprechen.
Anders beim Marleaux Soprano. Hier hört man zwar die Klangcharakteristik einer Gitarre, kann das Instrument aber mit seinen vertrauten Spieltechniken bedienen. Die Saitenspannung entspricht der üblichen Spannung auf einem Bass mit Longscale-Mensur. Das ist insbesondere hilfreich, wenn man ganz gewohnt mit der rechten Hand zupft und diesen Widerstand der Saite benötigt, um sich ohne Umstellung auf dem neuen Instrument wohlzufühlen. Dass die Saiten auf dem Marleaux Soprano dünner sind als auf einem Standard E-Bass, wirkt sich daher überhaupt nicht negativ auf das Spielgefühl aus.
Im ersten Klangbeispiel hört man den Marleaux Soprano mit den Fingern gespielt und unter Verwendung offener Leersaiten. Zunächst trocken, im folgenden Beispiel dann mit Flanger und Hall angereichert. Der Sound hat einen klaren Eigencharakter, er klingt nicht wie eine Gitarre, aber auch nicht wie eine Mandoline oder vergleichbare Instrumente. Man müsste hier wohl eine neue Gattung definieren.
Der Tonabnehmer ist absolut rauschfrei und sauber. Und das, obwohl die Soundbeispiele in einer Umgebung mit vielen Störgeräuschquellen wie Oberleitungen, Trafos und Neonleuchten aufgenommen wurden. Die Bandbreite der Frequenzen ist enorm und sehr obertonreich. Ich bin auch absolut begeistert vom ausgewogenen Klangbild. Die E-Saite klingt satt, die oberen Saiten hell und klar. Man bekommt sofort Lust zu experimentieren.
Im nächsten Beispiel verwende ich den Marleaux Soprano mit wechselnden Pickingpattern ein wenig wie eine akustische Steelstring Gitarre. Das funktioniert hervorragend, und so würde ich es auch niemals auf einer Gitarre spielen können, jedenfalls nicht ohne einen wochenlangen Anpassungsprozess durchlaufen zu müssen. Insbesondere bei den schnellen Pickingfiguren erkennt man, wie klar und definiert der Bass jeden einzelnen Ton abbildet, selbst wenn sich die Töne durchweg zu akkordischen Klängen vermischen.
Wie erwähnt, verwendet der Marleaux Soprano ein normales Stringspacing, und das gestaltet auch das Slappen auf diesem Unikum komfortabel. Dazu verwende ich eine Slapmethode, die an die Flamencotechnik angelehnt ist und bei der die oberen Saiten mit Zeige- und Mittelfinger „angefächert“ werden. Das passiert alles intuitiv. Der Marleaux Soprano lädt geradezu dazu ein, diese Technik anzuwenden. Das erste Beispiel ist trocken eingespielt. Das gleiche Riff hört man dann über Chorus und Verzerrer, was verdeutlicht, in welche Experimentierstadien man das Ganze weiterführen kann.
Weil das physische Spielgefühl so bassauthentisch ist, ermöglicht der Marleaux Soprano auch das Spiel in traditioneller Weise, wenn man den Sound entsprechend modifiziert. Hierzu bedient man sich am besten eines Oktavers. Mit normaler Wechselschlagtechnik, über einen Shufflebeat gespielt, ist in dem folgenden Soundbeispiel durchaus erkennbar, dass man mit dem Marleaux Soprano nicht nur experimentell oder exotisch arbeiten kann.
Für dich ausgesucht
Und so klingt der Winzling im Playback mit Oktaver und geslappt. Besonders effektiv wirken dann auch perkussive Spielweisen.
Norbert sagt:
#1 - 07.01.2014 um 01:32 Uhr
Die Soundbeispiele sind toll gespielt. Respekt!1500€ sind ganz schön viel Geld. Aber eigentlich würde ich sowas sehr gerne spielen. Gibt´s solche "Bässe" auch günstiger von anderen Firmen?
Oliver (Bonedo Red. - Bass) sagt:
#2 - 07.01.2014 um 16:19 Uhr
Hallo Norbert, 1.500,- Euro sind in der Tat viel Geld. Es gibt allerdings nichts Vergleichbares gegenüber dem Marleaux Soprano. Er ist ein vollkommen eigenständiges Instrument. Betrachtet man ihn als Gelegenheitsinstrument oder Gimmick, ist der Anschaffungspreis sicherlich zu hoch. Verwendet man ihn jedoch regelmäßig und als vollwertiges Instrument, relativieren sich die Kosten entsprechend. Für ca. 500,- Euro könnte man als Alternative eine Solid-Body U-Bass Ukulele der Firma Kala erwägen. Diese ist allerdings nicht mit Metallsaiten, sondern mit Kala eigenen Polyurethan-Kunststoffsaiten bespannt und nähert sich klanglich eher einem Kontrabass an (ähnlich wie früher der Guild/DeArmond Ashbory Bass mit Silikonsaiten).
(Oliver - Bonedo Red. Bass)