Praxis
Sound
Als ich den Votan aus dem Canto-Gigbag geschält hatte, fiel mir zunächst das stattliche Gewicht des Basses auf: mit 4,8 kg kann man meinen weißen Testkandidaten allerdings auch noch nicht in die “bleischwer”-Kategorie aufnehmen. Zudem relativieren sich die Pfunde aufgrund der hervorragenden Ergonomie des Instrumentes. Der Votan 5 hängt unheimlich stabil am Körper, die Balance des Basses ist perfekt, und durch die “normale” 34-Zoll-Mensur sind auch die tiefen Lagen mühelos zu erreichen.
Das Halsprofil liegt sehr gut in der Hand, obwohl es beim Votan deutlich robuster ausfällt als bei den anderen Modellen der deutschen Edelbassschmiede. Gerald Marleaux ist hier ein sehr guter Kompromiss zwischen solider Haptik und hohem Spielkomfort gelungen, wie ich finde. Vollkommen kompromisslos geht der Meister allerdings beim Setup seiner Instrumente vor. Der Votan-Fünfsaiter war, wie alle anderen Testkandiaten von Marleaux auch, perfekt für eine möglichst mühelose Bespielbarkeit eingestellt. Dank der erstklassig ausgeführten Bundierung kann man den Votan mit einem nur minimal gekrümmten Hals und einer ultraniedrigen Saitenlage spielen, ohne störende Nebengeräusche oder lästiges Bundrasseln zu ernten. So eingestellt spielt sich mein Test-Votan wirklich wie Butter und liefert schon akustisch gespielt in allen Lagen einen unheimlich warmen und lebendigen Ton. Von dünn klingenden Tönen oder gar Deadspots keine Spur; die Schraubhalskonstruktion schwingt in alle Lagen gleichmäßig stark und spricht überaus dynamisch an. Ich hatte in der Tat selten einen Bass in der Hand, der mir schon unverstärkt so gut gefiel, wie dieser weiße Votan 5. Aber letztendlich muss ein E-Bass natürlich am Verstärker überzeugen. Und das gelingt dem Allrounder von Marleaux binnen kürzester Zeit, denn er produziert an meinem Test-Rig einen umwerfend kräftigen Sound und bietet mit seinen Delano-Tonabnehmern ungeheuer viele Variationsmöglichkeiten.
Damit ihr euch einen Eindruck von den Votan-Sounds verschaffen könnt, habe ich wie immer zunächst einige Audio-Clips mit dem direkten Signal des Basses aufgenommen:
Unglaublich, wie wuchtig und druckvoll der Votan bereits im passiven Modus klingt. Das Fundament ist “solid as a rock” – hervorragend austarierte Mitten sorgen für Wärme und Durchsetzungskraft, und die dezent-organischen Höhen verleihen dem Votan die nötige Transparenz. Mit einem derart autoritären und markanten Sound setzt man sich im Bandmix natürlich mühelos durch, ohne sich durch Verbiegungen am EQ aufdringlich in den Vordergrund spielen zu müssen.
Im vorangegangen Clip konntet ihr den Votan mit parallel geschalteten Tonabnehmerspulen der beiden Delano-Tonabnehmer hören. Für das nächste Beispiel habe ich den Stegtonabnehmer in den seriellen Betrieb und den Halstonabnehmer in den “Quasi”-Singlecoil-Betrieb verfrachtet.
Der Stegtonabnehmer bringt im seriellen Modus mehr growlige Mitten ins Spiel, während der Halstonabnehmer mit dem schlankeren Singlecoil-Sound etwas in den Hintergrund tritt. Dieser Music-Man-mäßige Sound schiebt wie verrückt und setzt sich im Playback noch deutlich besser durch. Wer darüber hinaus noch mehr Schubkraft braucht, schaltet den Halstonabnehmer einfach auch noch in den seriellen Modus. Die Tiefmitten werden dadurch dichter und der Bassbereich kommt noch deutlich fetter, wie im folgenden Clip zu hören ist:
All diese erstklassigen Sounds bietet der Votan erstaunlicherweise bereits im passiven Betrieb! Ich habe bisher ehrlich gesagt auch keinerlei Bedürfnis, den Preamp zu aktivieren. Die Sounds präsentieren sich derart druckvoll und frisch, wie man es sonst nur von aktiven Bässen kennt. Abgesehen von den unterschiedlichen Sounds durch die diversen Spulenschaltungen bietet der Votan aber selbstverständlich auch die typische Flexibiltät eines Basses mit zwei Tonabnehmern. Für einen vintage-mäßigeren Precision-Sound habe ich den Halstonabnehmer im Solomodus verwendet und die Höhen mit der Tonblende deutlich abgemildert:
Der Stegtonabnehmer des Votan liefert knurrige Sounds (Jaco!) in verschiedenen Variationen. Der luftig-offene Höhenbereich im Singlecoil-Betrieb erinnert am ehesten an den traditionellen Jazz Bass. Im parallelen und seriellen Betrieb wird der Sound wieder deutlich dichter und fetter, die Höhen werden zudem gedeckter abgebildet. Auch der druckvolle Stegtonabnehmer-Sound braucht keinerlei Unterstützung vom EQ, um ein tragfähiges Fundament zu liefern. Ich frage mich daher tatsächlich so langsam, wozu dieser Preamp eigentlich eingebaut wurde! Wie auch immer, im folgenden Beispiel hört ihr die Qualitäten des Votan-Stegtonabnehmers im seriellen Betrieb für die Akkorde – und auf Parallelbetrieb geschaltet für die Improvisation. Das Beispiel zeigt sehr schön, dass der Votan trotz seiner robusten und traditionellen Erscheinung nicht nur in kernigen Musikstilen beheimatet ist, sondern auch für leisere und lyrische Musik – und somit im Grunde für jede Stilrichtung bestens geeignet ist! Die Tontrennung in den Akkorden ist hervorragend, und der singende sustainreiche Melodiesound in den hohen Lagen klingt einfach wunderschön!
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Im letzten Audiobeispiel kommt nun auch der Marleaux-Preamp zum Einsatz. Für den Slapsound habe ich beide Tonabnehmer in den Singlecoil-Betrieb geschaltet und sowohl die Bässe als auch die Höhen ordentlich angehoben. Das Resultat ist ein moderner, knackiger Scoop-Sound mit Jazz-Bass-Charakter und Punch ohne Ende. Trotz der starken Bassanhebung wird der Sound aber zu keiner Zeit schwammig, und der Höhenregler verstärkt keine nervigen Hochmitten. Auch entstellt der EQ in keiner Einstellung den tollen Grundcharakter des Basses, was für eine hervorragende und speziell auf das Instrument zielende Abstimmung des Zweiband-EQs spricht. Positiv finde ich außerdem, dass sich der Lautstärkepegel nicht verändert, wenn man den Preamp mit den EQ-Reglern in der Mittelstellung aktiviert. Man kann die zwei Betriebsarten deshalb wirklich problemlos nebeneinander im Livebetrieb einsetzen.