Praxis
Der DSL 100 Head wird nun an meine Marshall 4×12 Box (Celestion G12M) angeschlossen, die mit einem Neumann TLM-103 abgenommen wird. Was schon beim ersten Antesten extrem positiv auffällt ist die Tatsache, dass der DSL auch leise kann! Durch die Leistungsreduktion und den Master-Regler lässt sich eine angenehme Lautstärke einstellen, bei der auch Zerrsounds Freude bereiten. Klar, mit höherer Wucht wächst auch der Spaßfaktor, aber es gibt nun mal Situationen, da muss der Bühnensound diszipliniert sein und das geht auch mit dem DSL 100. Was ebenfalls positiv auffällt ist die Pegel- und Klangabstimmung der einzelnen Grundsounds. Clean/Crunch sowie OD1 und OD2 sind lautstärkemäßig sehr gut aufeinander abgestimmt, sodass man bei einem spontanen Wechsel des Grundsounds innerhalb eines Kanals nicht zwingend nachregeln muss. Auch vom EQ-Setting her ist das Ganze recht homogen – hier ein Eindruck der vier unterschiedlichen Grundsounds bei komplett mittig eingestellten Reglern.
Classic Channel – Clean
Der Classic Channel hat sehr hohe Cleanreserven und übersteuert mit einer Singlecoil-Gitarre erst, wenn man den Gain-Regler voll aufdreht. Und auch dann ist noch eine harte Hand nötig, um die Vorstufe zum Zerren zu überreden. Der Mittenregler ist mit einer recht hohen Centerfrequenz ausgestattet, dadurch kann man auch mit etwas extremeren oder eher ungewöhnlichen Settings, z.B. Treble komplett zurück und Middle weit aufgedreht, gut arbeiten. Im folgenden zweiten Beispiel habe ich genau das ausprobiert, was recht amtlich in die Richtung klassischer Plexi-Sounds führt. Im darauffolgenden Beispiel hört ihr eher das Gegenteil, einen recht warm klingenden Jazz-Sound, womit die klangliche Vielfalt des Amps in diesem Kanal schon recht deutlich wird. Hier ist auch der Hall mit vollem Effektanteil im Einsatz, dieser ist für den Standard-Reverb-Sound konzipiert, keine riesige Hallfahne, sondern ein dezent und angenehm klingender Hall, der dem Originalsignal nie die Butter vom Brot nimmt, aber dem Gitarrenton einen wesentlich räumlicheren Charakter verleiht.
Classic Channel – Crunch
Hier geht es zwar etwas beherzter zur Sache, der Ton wird zunehmend dreckiger, aber alles bleibt noch im Rahmen. Bei maximalem Gain kommen wir zu einem angenehmen mittleren Zerrgrad, der sehr feinfühlig über die Anschlagsdynamik steuerbar ist, wie man gut im dritten Beispiel hören kann. In diesem Modus ist alles möglich von leicht übersteuert bis zur AC/DC-Zerre, und der EQ arbeitet auch hier sehr wirkungsvoll. Deshalb sollte man mit den Höhen und Mitten wohldosiert umgehen, bei zu hohen Einstellungen des Treble-Reglers wird es für meinen Geschmack etwas giftig im oberen Frequenzbereich, was natürlich auch vom Grundsound der verwendeten Gitarre abhängt. Aber prinzipiell ist ein wenig Höhengift sehr sinnvoll für eine gute Durchsetzungskraft in der Band.
Ultra Channel – OD1
Wenn der Gain-Regler weit zurückgedreht wird, geht es hier gainmäßig nahtlos dort weiter, wo der Crunch-Mode aufhört. Man muss aber dazu sagen, dass es beim Gain erst so richtig ab neun Uhr zündet, bei Minimalstellung kommt kein Signal und bis ein brauchbarer Arbeitspegel ertönt, sollte man schon die Neun-Uhr-Marke erreicht haben. Das ist in beiden Kanälen der Fall, aber danach lässt sich der Zerrgrad sehr gut einstellen. In diesem Modus geht es von dynamischem Mid-Gain bis zum High-Gain-Brett bei Vollanschlag. Der Sound im OD1-Mode hat schon ein erhöhtes Kompressionsverhalten, verglichen mit dem Sound bei gleichem Zerrgrad im Crunch-Mode. Die Klangregelung arbeitet auch hier sehr effektiv und man kann den Sound sehr gut auf die benutzte Gitarre abstimmen. Mit dem Volume-Regler an der Gitarre lässt sich der Zerrgrad noch gut reduzieren und auch in puncto Transparenz gibt es nichts zu beanstanden. Auch bei hoher Verzerrung kommen Akkorde jenseits der Powerchords definiert aus den Speakern, im dritten Beispiel ist das recht gut zu hören.
Ultra Channel – OD2
Das Rauschen im Ultra Channel nimmt natürlich jetzt ordentlich Fahrt auf. Aber das ist eben bei hohen Zerrgraden üblich, wer viel in High Gain Gefilden segelt, sollte daher unbedingt ein Noise-Gate im Einschleifweg parken, damit in Spielpausen Ruhe ist. Für Leadsounds ist der Kanal natürlich eine helle Freude, hier gibt es sattes Sustain und der Ton kippt recht schnell in die harmonischen Obertöne. Das Ganze auch schon bei moderater Lautstärke, sodass sich wirklich entspannte Leads spielen lassen. Der Bassbereich klingt auch mit tiefer gestimmten Gitarren sehr aufgeräumt, wenn Bass und Resonance nicht allzu weit aufgedreht werden. Im ersten Beispiel hört ihr das Ganze bei mittlerem Gain mit einer Baritongitarre auf Drop A heruntergestimmt. Das Tone-Shaping-Feature zum Absenken der Mitten macht bei satten Metal-Sounds einen tollen Job, und wer auf aggressive und höhenbetonte Zerre steht, wird mit der Klangregelung sehr gut klarkommen, denn hier ist einiges an Klangverbiegung möglich. Im dritten Beispiel hört ihr ein High-Gain-Riff mit komplett abgesenkten Mitten und aktivierter Tone-Shifting-Funktion.
Für dich ausgesucht
Speaker Simulation
Der Emulated Out ist mit einer Speaker-Simulation bestückt, die von den Software-Experten von Softube entwickelt wurde, und von der wir zum Abschluss noch eine kleine Kostprobe haben. Das Ganze ist für den Recording-Zweck brauchbar, allerdings klingt die Simulation für meinen Geschmack sehr muffig, man muss Höhen und auch Presence sehr weit aufdrehen, um einen etwas durchsetzungsfähigen und klaren Sound zu erhalten. Da ist die Diskrepanz zum Speaker-Signal ziemlich groß. Die gibt es zwar immer, aber in diesem Fall ist sie mir persönlich dann doch etwas zu massiv, um zum Beispiel bei der Live-Abnahme auf der Bühne auf ein Mikrofon zu verzichten. Aber trotz allem handelt es sich um ein sinnvolles Feature, das für den Fall des Falles an Bord ist.