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Marshall JMD100 Test

Praxis und Sound

Ich habe das Topteil mit mehreren Gitarren und Boxen in unterschiedlichen Proberäumen ausprobiert. Zum Einsatz kamen eine Gibson Customshop Les Paul, eine Epiphone Les Paul und eine Customshop Stratocaster mit HSS-Pickupbestückung. Zum Vergleich gesellten sich zwei Boxen von Marshall, die in unterschiedlichen Proberäumen stehen. Eigentlich war der Test nur mit der mitgelieferten Box geplant, aber da ich zwei Marshallboxen unterschiedlicher Jahrgänge und Speakerbestückung besitze, bot sich ein Vergleich an. Eine dieser Boxen ist mit Celestion Greenbacks (G 12 M) und die andere mit G12 H 30 Speakern bestückt.

Mein erster Eindruck beim Anspielen des JMD100 war, dass der Gesamtsound des Heads insgesamt viel direkter und nicht so statisch und kalt klingt, wie man es von vielen digitalen Amps her kennt. Ob dieser positive Effekt von der Röhrenendstufe herrührt oder ob es die schnellen Prozessoren und die ausgefuchste Programmierung sind, kann ich nicht sagen. Es ist wohl der Mix dieser Komponenten.

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Sound-Overview

Die Stärken des JMD100 liegen ganz klar im klassischen Rockbereich. Aber auch in Sachen Metallsounds weiß der Verstärker zu überzeugen. Die Zerrsounds sind wirklich sehr gut gelungen, Hut ab. Wenn man mit dem Amp-Select-Drehregler durch die diversen Verstärkermodelle zappt, merkt man schnell, wie vielseitig der JMD in dieser Beziehung ist. Die Sounds pumpen tatsächlich fast so, wie man es von einem „richtigen“ Gitarrenverstärker her kennt. Viele Digital-Amps haben ja das Problem, dass ein zu komprimierter und flacher Sound es einfach nicht aus den Speakern schafft und sich dann später im Bandgefüge nur schlecht durchzusetzen weiß. Mit dem JMD ist Marshall dem klassischen Röhrenfeeling ein gutes Stück nähergekommen, die ungezähmte Brachialität eines JDM 800 oder eines alten JMP hat man aber nach wie vor noch nicht erreicht. Die bluesigen und leicht angezerrten Sounds liegen nicht in der Kernkompetenz des JMD 1. Diese Königsdisziplin scheinen die Programmierer nach wie vor nicht authentisch umsetzen zu können. Wer Klassiker wie den AC 30, den Bluesbreaker oder den JCM 800 im Original kennt, weiß, wovon ich spreche. Es sind die harmonischen Verzerrungen, die mit dem Gitarrenklang eine einzigartige Symbiose eingehen und ihm ein schmatziges Sustain verleihen.

Der cleane Bereich hingegen ist den Programmierern sehr gut gelungen. Diese Sounds klingen nie klinisch sauber, sondern angenehm rund. Hier geht es oft an die Grenze zwischen völlig clean und einem leicht in die Sättigung gehenden Sound, also einem Ton mit dem gewissen Anteil an Schmutz. Besonders erwähnenswert ist im Cleanbereich das Preset „Full“, dessen Sound herber abgestimmt ist, als die drei anderen unverzerrten Sounds und ein wenig an einen Fender Twin Reverb erinnert. Der Mittenbereich ist ausgehöhlt und die oberen Mitten sowie der Bassbereich werden stärker gefeatured. Im Vergleich dazu präsentiert sich der „Modern“ Kanal traditioneller und weicher. Diese beiden Sounds  würden mir persönlich ausreichen, um klarzukommen. Die beiden verbleibenden Presets „Natural“ und „Classic“ sind sehr weich abgestimmt und ähneln einander doch recht stark. Ich könnte mir vorstellen, dass Jazzer hier eher begeistert sein werden als Funk- oder Soul-Gitarristen.

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Clean Preset Classic Clean Preset Full

Die Bereiche „Crunch“, „Overdrive“ und „Lead“ unterscheiden sich in ihrer grundsätzlichen Zerr-Intensität. Es kommen also immer mehr simulierte Röhrenstufen hinzu, die gleichzeitig eine feinere Zerrstruktur schaffen. Bei einigen Presets wie beispielsweise „Classic“ im Bereich „Lead“ handelt es sich um  Kombinationen aus Zerrerpedal und Gitarrenamp. Als JCM 800 Fan habe ich mich im Crunch-Bereich natürlich sofort auf das Preset „Classic“ gestürzt. Hier kommt der raue Charakter des Klassikers gut zur Geltung und – obwohl es den originalen JCM 800 nicht 1:1 nachahmt- klingt das Preset alles andere als digital. Die Klangregelung arbeitet ähnlich effektiv beziehungsweise uneffektiv, wie ich es von vielen Marshalls her kenne – man hat sich also auch in dieser Hinsicht weitestgehend am Original orientiert.

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Overdrive Preset Classic Overdrive Preset Modern

Der Sound ist übrigens auch über den Kopfhörerausgang sehr gut konsumierbar, dabei sollte man den Standby –  Schalter allerdings in der „OFF“-Stellung belassen, denn wenn keine Box angeschlossen ist, killt es ansonsten die Röhrenendstufe. Die Abteilung Overdrive bietet schon etwas mehr Kelle und vier grundverschiedene Sounds. Der böseste Vertreter dieser Kategorie ist das Preset „Detuned“. Hier wird ein durch und durch aggressives Metallbrett geboten, für das der OD2-Kanal des Mode Four Pate gestanden hat. Die Mitten sind abgesenkt, um besonders tiefergestimmten Gitarren oder Baritongitarren einen Angst einflößenden Growl zu verpassen. Wer hier den Trebleregler voll aufdreht, der ist selber schuld. Die 12-Uhr-Stellung der Klangregelung ist übrigens nicht nur bei diesem Preset die beste Ausgangsposition. In dieser Einstellung kann man eigentlich nichts falsch machen, denn so klingen alle Presets in sich schlüssig. Typisch Marshall eben!

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Overdrive Preset Detuned

Auch im Lead-Bereich wird hier jeder schnell seinen Sound finden. Zur Auswahl stehen wiederum vier Sounds, die sehr viel Gain bieten. Hier gefällt mir besonders das Preset „Modern“ mit einem etwas kantigen Sound und einem guten Durchsetzungsvermögen. Sehr mittig und fast schon Boogie-mäßig singt die Gitarre beim Anwählen von „Solid“ und so lassen sich problemlos fette 80er LA-Sololinien realisieren. Bei diesem Preset greift der Mittenregler extrem stark ins Klanggeschehen ein, wodurch sich beim Zurückdrehen  ein recht giftiger und sirziger Bratsound einstellen lässt.

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Lead Preset Modern Lead Preset Solid

Effekte sind reichlich vorhanden und laden zum Experimentieren ein. Im Bereich Delay und Reverb kann man eine schöne Tiefe erzeugen, die dem Sound eine dritte Dimension verleiht. Besonders eindrucksvoll und weich arbeitet übrigens das Noisegate. Mit seiner Unterstützung hat man in Spielpausen auch bei härtesten Sounds absolute Funkstille. Die Modulationseffekte sind eher aufdringlich abgestimmt und klingen sehr digital und kalt. Wer einen weichen und tiefen Chorus oder einen funky Phasing-Sound sucht, kommt hier nicht wirklich zu Potte. Für die sollte man gute Pedale einsetzen oder den eingebauten Effekteinschleifweg nutzen. Da alle Potis, bis auf die beiden Regler der Mastersektion, programmierbar sind, kann man auch den eingeschleiften Effektprozessor je nach Programm mehr oder weniger ins Klanggeschehen einbetten.

Last, but not least noch einige Worte zur M 412 A Box, die mir zu diesem Test gemeinsam mit dem JMD 100 geschickt wurde.
Wie bereits erwähnt, habe ich zwei weitere 4 x 12 Marshall-Boxen in Kombination mit dem JMD 100 getestet. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Amp mit meinen leistungsschwächeren Boxen ausgeglichener klingt. Meine 1960 ist mit Celestion Greenbacks bestückt, die je 25 Watt Leistung bringen. Heute heißt das Modell mit dieser klassischen Speakerbestückung 425 A. Diese Box hat zwar „nur“ 100 Watt Leistung, aber selbst auf großen Bühnen kommt man nicht im Entferntesten an ihre Leistungsgrenze. Die Eminence-Speaker der M412A betonen die oberen Mitten deutlich stärker. Außerdem sind sie nagelneu und dementsprechend noch nicht ein- beziehungsweise weichgespielt. Am besten hat mir der JMD1 mit meiner geraden Marshallbox gefallen. Diese geraden Boxen klingen ohnehin fetter und haben etwas mehr Punch im Bassbereich als die abgeschrägten 4 x 12 Boxen. Unterm Strich kann es sich also durchaus lohnen, den Amp mit unterschiedlichen Boxen zu testen, denn die klanglichen Unterschiede sind teilweise wirklich frappierend.

Kommentieren
Profilbild von Peter Marik

Peter Marik sagt:

#1 - 28.05.2011 um 13:33 Uhr

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Aufgrund der klanglichen Vielfalt, aufgrund der ausgezeichneten Marshall Klangtreue und aufgrund der eingebauten Digitaleffekte in Studio-Qualität ein absolutes Muss für jeden Bühnen- und Studio-Musiker.

Profilbild von Wolle

Wolle sagt:

#2 - 06.01.2012 um 14:42 Uhr

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Allein die Kombination dynamische EL 34 bestückte Endstufe mit Midi kontrollierbaren Studio Effekten ist ihr Geld wert. Die digitalen Preamps gefallen nicht jedem, Clean und Lead eher authentischer als Crunch und Overdive. Aber … über den pegelanpaßbaren Return kann fußschaltbar jeder externe Preamp, auch Vollröhre, hervorragend integriert werden. Mit TAD Tonebones auf 15 W reduziert, ist der Amp auch für zuhause gut geeignet.

Profilbild von Simon Tanner

Simon Tanner sagt:

#3 - 26.02.2012 um 02:38 Uhr

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Den Amp vom Händler geholt und gleich in das TELL Übungslokal gebracht. An meine 1960er Lead Box angeschlossen... Meine Gibson M-III Ultra-Shredklampfe eingestöpselt und... Wow...!!! Ich bin sprachlos für zwei Stunden (mit wem sollt ich da auch reden so ganz allein?).Ich schalte mich erst mal durch die 28 Presets und fast alle überzeugen mich. Der Amp kommt mit einer unglaublichen Dynamik daher und alles was ich spiele wird einem voll und unüberhörbar ins Gesicht gedrückt.Genau so muss es sein! Da ich eh ein Digitalfachmann bin hab ich auch keine mühe mich mit den verschieden arbeitenden Regler pro virtuellen Amp zu Recht zu finden.Auch die Logik der jeweiligen Effektprogrammierungen finde ich total optimal.Besser kann man es nicht machen. Thx an Marshall!Das einzig negative wär eigentlich nur die Akzeptanz der konservativen E-Gitarrenspieler. Ich bin wohl eher so eine Art i-Git Spieler ^^ xD

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