Details
Ohne Zweifel ist der MAQ eine “graue Maus”. Great River versucht sich erst gar nicht an modernen oder Retro-Designs, sondern übt sich lieber in schlichtem Gebrauchsdesign. Die Aussage “uns ist der Klang eben wichtiger als sonstiger Schnickschnack” kann man den Amerikanern beim Anblick des mehr nach “Mixing-EQ” denn nach “Mastering-EQ” aussehenden Gerätes getrost in den Mund legen, allerdings muss sich in der Praxis zeigen, ob die geringe Höhe von zwei HE der Arbeitsergonomie nicht abträglich ist.
Auf der Vorderseite prangt rechts das schlichte Logo des Herstellers mit einem stilisierten Fluss, ganz links hingegen ist außer der Produktbezeichnung MAQ-2NV noch “Mercenary Edition” zu lesen. Dies bedeutet nicht, dass man dieses Gerät nur als Söldner (engl. “mercenary”) erwerben kann; auch mit Kriegsverherrlichung hat das nichts zu tun: Mercenary ist ein Pro-Audio-Store in Boston, der zwar etwas albern auftritt, aber ausgewählte Produkte vertreibt und sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass er eng mit einigen Herstellern kooperiert. Gemeinsam werden Produkte verbessert oder sogar komplett entwickelt.
Mittig auf der Frontplatte ist weiterhin zu lesen, um was für eine Gattung es sich handelt. Logischerweise steht dort nicht “Steuerung für die Zentralheizung” oder “Fahrkartenautomat”, sondern “Stereo Mastering Equalizer”. Links und rechts dieser Bezeichnung liegen die natürlich identisch angeordneten Bedienelemente für beide Kanäle. Ganz rechts hat man zudem die Möglichkeit, über einen blau beleuchteten Taster die “Link”-Funktion zur Koppelung der Kanäle zu aktivieren. Der Link verknüpft die Aktivierung des gesamten EQs, einzelner Bänder, die Auswahl des Q-Faktors und der Centerfrequenz, nicht aber des Gains! Die ungelinkt getätigten Q- und Bypass-Einstellungen des rechten Slave-Kanals “merkt” sich der MAQ, was wirklich praktisch ist. Ein Blick in das Innere des Equalizers zeigt, dass es für den linken und rechten Kanal zwei getrennte und weit voneinander entfernte Platinen gibt. Ein gutes Zeichen!
Immerhin hat man nicht vergessen, dem Entzerrer einen “Power”-Schalter zu spendieren, aber für eine Statusmeldung per LED hat es offensichtlich nicht gereicht. Es ist zwar unverständlich, aber wenn das Gerät angeschaltet, aber alle Bänder auf Bypass gestellt sind und auch Link deaktiviert ist, bleibt es komplett duster. Angesichts dessen wird mein Gesichtsausdruck genauso duster und im Comic-Paralleluniversum schwebt mir jetzt sicherlich ein großes Fragezeichen über dem Kopf.
Die Bedienelemente sind schnell aufgezählt: Jeder Kanal verfügt über einen Bypass, eine schaltbare Eingangsverstärkung und ein gerastertes, dreipoliges Hochpass-Filter mit wählbaren -3dB-Punkten von 15 bis 50 Hz. Alle vier Bänder sind separat aktivierbar, die beiden äußeren lassen sich von Bell zu Shelf umschalten. Die Mittenbänder verfügen über eine dreifach schaltbare Bandbreite. Der rechte der beiden kleinen grauen Taster über einem Band schaltet es in den Bypass-Schlaf, aktive Bänder lassen die Q- oder Bell/Shelf-Umschaltung mit dem rechten Taster zu. Das ist zwar nicht beschriftet, erschließt sich aber jedem, der die Tastensperre bei einem Mobiltelefon deaktivieren kann. Die Gehäusebeschriftung neben den großen gerasterten Gainpotis weist gleich zwei Überraschungen auf: Während man von vielen Geräten +/- 12 dB und von manchen Plug-Ins +/- 15 dB oder sogar mehr gewohnt ist, reicht hier der Regelbereich im Positiven wie im Negativen gerade mal bis Sieben! Mit diesem Einsatzbereich des EQs sind tief greifende Änderungen wie das Heraus-Notchen störender Frequenzbereiche kaum möglich. Für weitere Verblüffung sorgt die Skalierung des in der Betriebsart “Class A” arbeitenden Gerätes: Bis 3 dB schaltet man in 0,5dB-Schritten, darüber in 1dB-Schritten. Da kennt jemand die Praxisanforderungen, spitze! Das Equalizing erfolgt mit Spulen und Kondensatoren nach Art des beliebten Neve 1081 EQs. Die Auswahl schaltbarer Frequenzen ist nicht gerade unüberschaubar, aber für sanfte Änderungen sicherlich ausreichend. Mit voller Geländetauglichkeit wird’s also wahrscheinlich nichts!
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Der Blick auf die Rückseite offenbart, dass GRE sich immerhin traut, böse, einstreuende Netzteile in ihren Gehäusen unterzubringen und den Nutzer nicht zwingt, mit einer externen Stromversorgung eine weitere Kiste in den Tiefen des Racks unterzubringen. Fein! An der Rückseite derartiger Geräte gibt es normalerweise bis auf Power, einen symmetrischen analogen In- und Output und vielleicht ein Typenschild nichts zu beobachten, aber hier zeigen die Amerikaner Individualismus. Geboten wird ein unsymmetrischer -10dBV-Output und ein ebenso unsymmetrischer “Patch”, der Send- und Return mit nur einem Stereokabel ermöglicht. Sicherlich sind dies keine unpraktischen Features, aber bei einem Gerät dieser Kategorie lässt es einen doch an der Korrektheit der Marktausrichtung zweifeln. Schließlich ist das ein Mastering-EQ, der in eine hochwertige Kette eingegliedert gehört! Da hätte man ja auch gleich noch einen Cinch-Anschluss und eine 3,5mm-Kopfhörerbuchse einbauen können! Ich bin fast geneigt, zum Telefonhörer zu greifen und “Hey Leute vom großen Fluss, wo kann ich denn hier noch meinen iPod andocken?” zu fragen. Aber schließlich bin ich erwachsen und kann mich einigermaßen beherrschen.
Stephan sagt:
#1 - 15.06.2022 um 12:45 Uhr
Ich stehe kurz vor dem Kauf dieses EQs und der Beitrag hier hat mich überzeugt, dass ich etwas Gutes kaufe. Allerdings sind die Soundgegenüberstellungen bspw. zum ISA220 oder Apple ChEQ dann unsinnig, wenn die Lautheit nicht angepasst ist. Wir wissen ja: lauter klingt (meistens) "besser"... aka Lautheitswahn
Nick Mavridis sagt:
#1.1 - 15.06.2022 um 13:01 Uhr
Hallo Stephan, da hast Du einen richtig alten Testbericht bei uns ausgegraben. :-) Da ist sogar noch mein ganz altes Mountainbike auf den Fotos. :-D Und Du hast Recht, im letzten Player sind die angesprochenen Files zu leise. Wenn Du die als Download runterziehst, kannst Du Dir die in der DAW angleichen. Ich schaue auch, dass ich das repariere und einen Re-Upload mache. Beste Grüße und – falls Du ihn Dir zulegst – viel Spaß mit dem EQ! Nick Mavridis (Redaktion Recording)
Antwort auf #1 von Stephan
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