Praxis
“Da gibt man nun schon eine Menge Geld aus und dann sind die Taster so kleine, fusselige Dinger”, ist einer der ersten Gedanken. Tatsächlich sind die winzigen grauen Taster keine optimale Lösung und von “heavy duty” und “built to last” sehr weit entfernt. Auf den beiden Höheneinheiten wird es schon etwas eng, wenn man länger mit diesem Gerät arbeitet – dauernd stößt man an benachbarte Regler. Diese verstellen sich dadurch zwar nicht, aber man vermisst dennoch die erwartete “Mehrere-Tausend-Euro-Haptik” mit viel Platz nach allen Seiten. Die Schaltvorgänge der Gain- und Mittenfrequenzstufen werden aber vom Tastsinn mit einem angenehm soliden Ruck und vom Ohr mit einem gesunden “Klock” an das Gehirn zurückgemeldet und machen damit Einiges wieder wett. Dass Link nicht auch die Gains der Bänder des rechten Kanals mit in die Sklaverei führt, ist im Dauerbetrieb allerdings nervig. Will man unterschiedliche Einstellungen, deaktiviert man Link eben, schließlich muss hier kein Mono-Detektorsignal wie bei einem Kompressor gewonnen werden. Die Beispiel-Files, in denen ich erst den linken, dann den rechten Kanal in seinem Gain verändert habe, habe ich daher bewusst benutzt.
So, ist er an? Er ist an. An störendes Rauschen oder Ähnliches ist natürlich nicht zu denken, dieses Thema kann man getrost links liegen lassen. Moment: Er arbeitet schon? Direkt zu Beginn der Testphase hat er mich erwischt, der Großfluss-EQ, denn er hat bereits fröhlich schmalbandig die Mitten angehoben, ohne dass ich das Gefühl hatte, einen Equalizer zu hören. Dieses Gefühl zieht sich durch die komplette Arbeit mit dem Gerät.
Ich hatte bisher Einiges gefunden, was Anlass zur Kritik gab, und ab und an die Nase gerümpft. An dieser Stelle kommt jetzt aber ein Vorzeichenwechsel, alles auf Dur, Lobgesang ab: Dies ist klanglich einer der grandiosesten EQs, die ich jemals unter meinen Fingern hatte. Er arbeitet mit einer Sanftheit, die wirklich absolut verblüffend ist. Im Mastering ist er deswegen so gut aufgehoben, weil das Material eben nicht so klingt, als habe man es durch einen EQ geschickt, sondern als sei das Signal einfach so. Respekt! Tiefe Verneigung! Der geringe Hub verleitet nicht zu übertrieben großen Änderungen, sodass man sich für leichtes Austarieren mit manchmal nur 1,5 oder sogar 0,5 dB Zeit nimmt. Die gefürchtete Angst vor dem Bypass-Schalter bleibt aus: Die oft kritischen Nachbarbereiche um das veränderte Band herum machen immer eine gute Figur, es kommt auch bei schmalbandigen +7 dB nie zu Klingeln, Schmierereien, Spitzen oder “hohlem” Klang.
Eine starke Höhenanhebung mit einem Shelving-Filter verträgt das Signal genauso wie mehrere leichte Dellen zur Absenkung von Präsenzen oder “Wölbungen” zum Herausmodellieren des Gesangs. Alben, die ich in den Höhen immer etwas hart oder im Bass etwas breit fand, dürfen ihre Ehrenrunde durch die offensichtlich heilenden Gewässer des Great River schwimmen. Oft tun es dabei im jeweiligen Band ein oder zwei Klicks des Gain-Rades (ach nein: leider beider!) nach links oder rechts. Ein Segen für das Mastering ist auch das Hochpassfilter, das wie das gesamte Gerät äußerst sauber seinen Dienst verrichtet und ausreichend Grenzfrequenzen anbietet. Die Entfernung unnötiger, pegelfressender Signalanteile im Tiefbassbereich ist immerhin eine wichtige Standardaufgabe, nicht zu unterschätzen beim Rennen um das letzte Quäntchen Lautheit. Mit einem mangelhaften Hochpassfilter lässt sich bis in den Mittenbereich hinein noch Einiges vortrefflich zerstören!
Mit der Eignung für alle Anwendungen sieht es allerdings nicht so gut aus: Die geringe Anzahl wählbarer Frequenzen und das geringe negative Gain machen Reparaturarbeiten wie die Beseitigung der Nervfrequenz im Gitarrensolo, die auf der Mixing-Abhöre unentdeckt blieb, oder der tonal mit den Harmonien des Songs interferierenden Resonanz der Snare leider unmöglich. Sicher, ein Mastering-Engineer benötigt meist sowieso mehr als einen EQ, aber der MAQ-2NV ist in seinem Aufgabenbereich klar umrissen und eingeschränkt, das Notching muss also jemand anderes übernehmen.
An der Aufgabe, im Testfile die viel zu harten Ts (bei “taught to”) zu entschärfen, beißt sich der MAQ die Zähne aus. Zwar ließe sich das auch mit einem De-Esser bewerkstelligen, doch so mancher andere EQ erledigt das mit Links.
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Der gleiche Song, aus dem später zu Demozwecken der leichte Part mit dem Altsaxophon entnommen wurde, dient als Beispiel für einen Kompletteinsatz aller Bänder:
Das Hochpassfilter entfernt den “Schlamm im Hafenbecken” mit einer f0 von 25 Hz, das Bass-Band senkt die 82 Hz mit dem Bell-Filter um ein einzelnes Dezibel ab, damit die etwas später im File folgenden Bassdrum-Rolls mehr Transparenz erhalten. Um ein abhörbedingtes Loch des Mixes zu füllen und die Vocoder-Stimme etwas zu supporten, drücken die unteren Mitten breitbandig die 1000 Hz um 2 dB nach oben, die oberen Mitten senken mit gleichem Q und um den gleichen Wert die 5,6 kHz ab, nehmen spitze Konsonanten etwas zurück und entschärfen die später einsetzenden Sopran-Snare und Hi-Hat. Die Mixing-Abhöre war oben etwas stark vertreten, was zu einem leicht muffelig wirkenden Gesamtsound führte. Für “Air” und “Sparkle” sorgt ein Shelf ab 15 kHz mit +2 dB. Hier zeigt der MAQ-2NV, was er auf dem Kasten hat!
Vor allem, wenn man mit einem hochwertigen Mixing-EQ und einem Plug-In identische Einstellungen über das Testfile klebt, fällt die exorbitante Klangqualität des Great River auf. Was auch klar wird: Ein “Soundmacher” ist dieses 19”-Gerät nicht, kein sturer Charakterkopf, der entweder mit Material klarkommt oder nicht (…abgesehen davon, dass ich einem Kompressor lieber das Aufdrücken eines Stempels überlasse). Seine Arbeit macht er immer und das wirklich gewissenhaft: Metal-Gebolze, Jazz-Gedudel, Elektro-Gefubbel, Pop-Geträller, pathetische Sinfonien, schreiende Werbung, Hörbücher – der MAQ ist mit allem per du, solange nicht wirklich lebenserhaltende Maßnahmen nötig sind.
Übrigens: Ich hatte in einigen Files kurzfristig den Link bei identischen Einstellungen deaktiviert – nicht zu hören. Meinen Versuch, Mono-Files zum Vergleich durch die rechte und linke Seite des EQs zu schicken, ist schlicht witzlos: Was solltet Ihr Euch hier zwei absolut identisch klingende Files anhören? Was man allerdings ab und an wahrnimmt, ist ein kleines Knacken, wenn per “großem” Bypass alle Bänder aus dem Signalweg geworfen werden. Würde das auch auf die einzelnen Bypass-Taster der Bänder zutreffen, wäre dies nervig, denn in Masterings wird gerne einmal “on the fly” geschaltet, wenn Parts verschiedene Behandlungen benötigen.
Stephan sagt:
#1 - 15.06.2022 um 12:45 Uhr
Ich stehe kurz vor dem Kauf dieses EQs und der Beitrag hier hat mich überzeugt, dass ich etwas Gutes kaufe. Allerdings sind die Soundgegenüberstellungen bspw. zum ISA220 oder Apple ChEQ dann unsinnig, wenn die Lautheit nicht angepasst ist. Wir wissen ja: lauter klingt (meistens) "besser"... aka Lautheitswahn
Nick Mavridis sagt:
#1.1 - 15.06.2022 um 13:01 Uhr
Hallo Stephan, da hast Du einen richtig alten Testbericht bei uns ausgegraben. :-) Da ist sogar noch mein ganz altes Mountainbike auf den Fotos. :-D Und Du hast Recht, im letzten Player sind die angesprochenen Files zu leise. Wenn Du die als Download runterziehst, kannst Du Dir die in der DAW angleichen. Ich schaue auch, dass ich das repariere und einen Re-Upload mache. Beste Grüße und – falls Du ihn Dir zulegst – viel Spaß mit dem EQ! Nick Mavridis (Redaktion Recording)
Antwort auf #1 von Stephan
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